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Ausstellungsserie „Invisible Inventories“
Den Diskurs dekolonialisieren

Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi.
Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. | Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme

Die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ zeigt die Ergebnisse eines internationalen Forschungsprojekts zur Erfassung kenianischer Kunstobjekte in Museen in Europa und Nordamerika. Kurz vor der digitalen Ausstellungseröffnung sprechen Clara Himmelheber vom Rautenstrauch-Joest-Museum und Frauke Gathof vom Weltkulturen Museum mit „Goethe aktuell“ über die Arbeit an der Etablierung einer gleichberechtigten Beziehung.

Die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ stellt ein konkretes Ergebnis der kollaborativen Forschung durch Kulturerbe-Expert*innen aus Kenia und Deutschland dar. Sie bietet gleichzeitig eine solide Basis für die Forderung nach Rückgabe kolonialer Raubkunst an Kenia. Was ist Ihre Meinung dazu?

Frauke Gathof:  Frauke Gathof ist wissenschaftliche Volontärin der Abteilung Afrika am Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main. Frauke Gathof ist wissenschaftliche Volontärin der Abteilung Afrika am Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main. | Foto (Ausschnitt): © PicturePeople Ein Teil der Ausstellung repräsentiert die Forschung, die die Mitarbeitenden der drei beteiligten Museen (National Museums of Kenya, Rautenstrauch-Joest-Museum und Weltkulturen Museum) gemeinsam zu ausgewählten Objekten, die sich momentan in den Sammlungen der beiden deutschen Museen befinden, betrieben haben. Hierbei wurden teilweise sehr unterschiedliche Objektbiographien sowie heutige Bedeutungen für die Communitys, aus denen sie kommen, rekonstruiert. Bei einigen dieser Objekte können wir anhand der Provenienzen darauf schließen, dass die Objekte in einem gewalttätigen Kontext genommen wurden, etwa wenn die/der Sammler*in Teil der Kolonialregierung war oder von dieser profitiert hat. Aber auch bei anderen Objekten, die nicht aus direkten kolonialen Kontexten stammen, hat sich herausgestellt, dass sie nach einer Rückführung eine zentrale Bedeutung in Kenia haben könnten. Daher war unsere Forschung auch nicht auf Objekte aus der Kolonialzeit begrenzt. Die zentrale Intention unserer Recherchen war es zwar nicht, die Bedingungen für Rückgaben zu prüfen. Trotzdem ist es ein wichtiger Teil der Museumsarbeit, transparent mit den Kenntnissen über unsere Sammlungen umzugehen. Wenn aus dem Projekt also Forderungen nach Rückgaben entstehen, sind wir natürlich dafür offen.
 
Inwiefern trägt das „International Inventories Programme“ zum offenen Dialog bezüglich des Umgangs mit Raubkunst aus kolonialen Kontexten bei?

Clara Himmelheber:  Dr. Clara Himmelheber ist Leiterin der Afrikanischen Sammlungen am Rautenstrauch-Joest-Museum. Dr. Clara Himmelheber ist Leiterin der Afrikanischen Sammlungen am Rautenstrauch-Joest-Museum. | Foto (Ausschnitt): © Christine Schröder Das „International Inventories Programme“ war von Beginn an darauf ausgelegt, möglichst viele verschiedene Perspektiven einzubeziehen. Auf dieser Basis wurde das Team, das aus Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus Kenia, Deutschland und Frankreich besteht, zusammengestellt. Auch in Veranstaltungen wie bei der Diskussionsreihe „Object Movement Dialogues“ werden besonders Menschen aus dem globalen Süden gehört, deren Perspektiven in den internationalen Debatten um Provenienz und Restitution leider immer noch viel zu selten Beachtung finden.

Im Projekt selbst stand fest, dass hier jede Stimme gleich gehört wird und bei Entscheidungen alle einbezogen werden. Die unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen sollen anerkannt und erhalten werden, nicht eingeebnet und gleichgemacht. Dies wollen wir auch in der Ausstellung „Invisible Inventories“ darstellen. Doch auch trotz dieser Form der partizipativen Organisation müssen wir uns stets selbst reflektieren, unsere eigenen Ansichten, Arbeitsmethoden und Kommunikationsweisen. Das ist ein wichtiger Teil dieses Dialogs.
 

  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.
  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.
  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.
  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.
  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.
  • Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi. Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme
    Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März 2021 im National Museums of Kenya in Nairobi.


Der Dialog über die Rückgabe von Beutekunst aus der Kolonialzeit ist ein wichtiger Schritt bei der Versöhnung zwischen einstigen Kolonialmächten und Unterdrückten. Was wäre aus Ihrer Sicht ein idealer Abschluss des Prozesses?
 
Frauke Gathof: Ich glaube nicht, dass dieser Prozess so schnell abgeschlossen sein wird. Es ist ein fortwährendes Arbeiten an der Formung einer gleichberechtigten Beziehung zueinander. Dafür muss eine Kommunikation etabliert werden, die aufdeckt und thematisiert, welche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten es bisher in Bezug auf Macht und Selbstbestimmung gab und immer noch gibt. Eine Anerkennung der Gewalt und des Unrechts, die in Verbindung mit der Bewegung der Objekte in Museen des Globalen Nordens stehen, ist nur der Anfang. Auch Restitutionen können nur ein Puzzleteil des Versöhnungsprozesses sein, kein Abschluss.

Gemeinsam konnten wir einen Beitrag zum Diskurs um Restitution machen und neue Perspektiven aufzeigen. Wir möchten eben mithilfe des Projektes und der Ausstellung diesen Diskurs dekolonialisieren. Den Herkunftsländern und -communitys muss endlich mehr Eigenverantwortung in Bezug auf die Objekte, deren Präsentation, Wahrnehmung und vor allem Aufenthaltsort zugestanden werden.
 
Inwiefern trägt die Ausstellung zu mehr Wissen in Kenia und in Deutschland über die Kulturen der Herkunftsgesellschaften bei?

Clara Himmelheber: Im Rahmen der Forschung interviewten die Kolleg*innen der National Museums of Kenya Mitglieder der Communitys, aus denen die Objekte ursprünglich kamen, und laut eigenen Angaben erweiterten sie dadurch auch ihren eigenen Wissenshorizont – und unseren natürlich sowieso. Umgekehrt erfuhren die Interviewten durch die Forschung, wo sich einige ihrer Objekte befinden und konnten etwa anhand der Fotos vergessenes Wissen über die Objekte auffrischen. Auf deutscher Seite wurden Kölner*innen kenianischer Herkunft mit in die Diskussionen über die Objekte einbezogen, was eine weitere spannende Perspektive eröffnete.

Mit der Eröffnung der Ausstellung ist das Projekt bestimmt nicht abgeschlossen. Gibt es schon konkrete Pläne für die nächsten Schritte?

Frauke Gathof: Die Ausstellung selbst wandert ja noch weiter ans Weltkulturen Museum (6. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022). Gemeinsam mit der digitalen Eröffnung der Ausstellung in Köln am 27.5. um 19 Uhr findet auch der offizielle Launch der Datenbank statt, das heißt die ersten Daten werden online gestellt. Die Datenbank soll auch in Zukunft weiter wachsen und wir hoffen, auch von weiteren Museen die Erlaubnis zu erhalten, ihre Daten online stellen zu dürfen. Außerdem haben wir mit „Shifting Grounds“ (gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung) schon ein weiteres Forschungsprojekt angestoßen, im Rahmen dessen unter Ägide der National Museums of Kenya kenianische und deutsche Wissenschaftler*innen in beiden Ländern zu weiteren Objekten der Sammlungen des Rautenstrauch-Joest-Museum und Weltkulturen Museum forschen werden.


Das Interview führte Eliphas Nyamogo

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