Nachhaltige Architektur: das neue Goethe-Institut in Dakar
Zurück in die Zukunft
In Dakar entwirft der aus Burkina Faso stammende Architekt Francis Kéré das neue Goethe-Institut. Es verkörpert Architektur als kulturell, sozial und klimatologisch gewachsenen Begriff.
Von Ruth Helmling
Auch knapp fünfzig Jahre später kann sich der preisgekrönte Architekt noch gut an seine erste Schule erinnern: „Es war dunkel. Und heiß!“ Francis Kéré, der heute in Berlin lebt und arbeitet, wuchs mit seinen 13 Geschwistern in einem Dorf im ländlichen Burkina Faso auf. Damit er die Schule besuchen konnte, schickten seine Eltern den damals Siebenjährigen zu Verwandten in der nächsten Stadt. Die traditionelle Bauweise seiner Heimat begleitete ihn durch seine Kindheit und auch nach seiner Schulzeit. In den 80er Jahren brachte ihn ein Stipendium dann nach Deutschland, wo er zunächst eine Ausbildung zum Schreiner machte und dann an der TU Berlin Architektur studierte. Noch vor Abschluss seines Studiums führte ihn sein Weg zurück nach Gando. Er baute eine Grundschule – aus traditionellen Materialien, mit modernem Design. Freundlich. Hell. Und kühl.
Das ganze Dorf arbeitete daran mit. Und Kéré wurde mit seinem ersten Preis ausgezeichnet, dem renommierten Aga Khan Award for Architecture. Ihm sollten noch viele weitere Preise folgen.
Francis Kérés Ansatz ist ganzheitlich. Er ist zugleich futuristisch und traditionell. „Informiert durch Tradition, erkunden wir neue Formen des Bauens, deren Fundamente vor langer Zeit gelegt wurden“, so die Philosophie von Kéré Architecture, seinem 2005 gegründeten Architektur-Büro in Berlin. Wie das aussehen kann, zeigen seine inzwischen zahlreichen international vorhandenen Projekte. Aktuell arbeitet er an einem neuen Gebäude für das Goethe-Institut in Dakar. Kéré fühlt sich geehrt, durch das Projekt an der zeitgenössischen Gestaltung Dakars mitzuwirken: „Die Hauptstadt Senegals ist einer der wichtigsten Kulturknotenpunkte auf dem afrikanischen Kontinent.“
Wie für sein Schulprojekt in Gando wird er für das Institut in Dakar sogenannte BTC-Ziegel verwenden: Komprimierte Erdziegel, ein traditionelles Material in zeitgemäßem Gewand. Die Verwendung lokaler Baumaterialien ist sowohl ökologisch als auch klimatechnisch sinnvoll, darin sind sich Kéré und das Goethe-Institut in Senegal einig.
Für Francis Kéré geht die Botschaft des neuen Goethe-Instituts in Dakar weit über die Frage nach Baumaterialien hinaus: „Das Design steht auf mehreren Ebenen für die Werte, die das Goethe-Institut und ich teilen“, bemerkt Kéré. „Bei den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz bin ich nicht nur auf offene Ohren gestoßen, sondern wurde dazu aufgefordert, noch weiter zu gehen.“ Das Resultat ist nicht nur nachhaltig, es ist modern – unter anderen wird es Platz für rund 600 Student*innen und viel zeitgemäße Technologie geben.
Aber es ist durch sein Design, und nicht zuletzt durch die Lehmbau- und bioklimatischen Techniken, auch verwurzelt in der Geschichte und Kultur Senegals. „Das Goethe-Institut ist im Kern ein Begegnungsort, an dem Austausch und Verständnis über Grenzen und Unterschiede hinweg gefördert werden“, so Kéré weiter. „Darin erkenne ich meine eigene Arbeit als Architekt wieder, denn dies sind die Grundwerte, die meine Gebäude seit jeher prägen.“
Das Goethe-Institut gibt es im Senegal seit 1978. Mit dem neuen Gebäude wird sich auch die Arbeitsweise des Instituts verändern, betont sein Leiter Philip Küppers: „Für unsere Bibliothek haben wir ein neues Konzept entworfen, das die Bedürfnisse von Oralität und Literalität verbindet. Im Zentrum entsteht ein Diskussionskreis, der umgeben ist von einer Mischung aus Bücherregalen, kleinen Tonstudios zur Dokumentation des oralen Kulturerbes sowie digitalen Arbeitsplätzen.“ Man greife auch die örtlichen Begebenheiten auf – etwa den Baobab-Baum, der im Innenhof des Instituts stehe. Dieser ist in der senegalesischen, oralen Kultur traditionell der Ort, an dem sich die Ortsgemeinschaft trifft, in dessen Schatten diskutiert wird, Entscheidungen für die Zukunft verhandelt werden. Diese Symbolik wird sich durch das gesamte Institut ziehen.
„Sprichwörtliche Krönung“ des Projektes ist für Francis Kéré das Dach: „Wie die Krone eines Baumes spendet diese Struktur Schatten und Schutz. Hier kann man sich treffen, oder auch einfach zur Ruhe kommen.“ Wo besser könnten Akteur*innen und Studierende ihr Wissen über traditionelle und moderne Architektur in Westafrika erweitern, Ideen für eine nachhaltigere Zukunft austauschen und Pläne schmieden. Eine „Gelegenheit zum Träumen“, wie es in der Broschüre zum neuen Goethe-Institut heißt.