Radiobrücke
Live aus dem Goethe-Institut Warschau
Es scheint, als lägen Welten zwischen Berlin und Warschau: Rechtsruck und Justizreform, Medienzensur und Demonstrationen gegen das Abtreibungsverbot. Gleichzeitig gilt die Warschauer Kulturszene als eine der kreativsten in Europa. Radioeins sendete live aus dem Goethe-Institut Warschau. Nachhören kann man die Sendungen nun im Podcast.
Nach São Paulo, Athen und Istanbul hat das Goethe-Institut in Zusammenarbeit mit radioeins die „Radiobrücke“ in diesem Jahr nach Warschau gebracht. Ein elfköpfiges Team vom RBB (Radio Berlin Brandenburg) sendete vom 16. bis 19. Oktober live aus der Bibliothek des Goethe-Instituts Warschau. Zu hören gab es Berichte und Interviews über Medienzensur, das polnische Abtreibungsgesetz sowie die Warschauer Kulturszene.
Live aus der Bibliothek
| Foto: radioeins/Ralf Schuster
Medienzensur
Seit die nationalkonservative PiS-Regierung des Parteichefs Jaroslaw Kaczynski an der Macht ist, sieht eine Mehrheit der Polen die Demokratie in Gefahr. Trotzdem ist die PiS so stark wie selten zuvor. Der Leiter des außenpolitischen Ressorts der liberalen „Gazeta Wyborcza”, Bartosz Wielinski, sprach über seine Arbeit: „Die Gefahr, dass der demokratische Staat völlig kollabieren könnte, ist groß und darf nicht verschwiegen werden.“ Er fühle sich bei seiner Arbeit bei einer privaten Zeitung nicht unter Druck gesetzt, bemerke jedoch die zunehmende Zensur, Entlassungen und Bedrohungen bei Kollegen aus öffentlich-rechtlichen Medien.anhören
Die konservative Journalistin Alexandra Rybinska, die unter anderem für das PiS-nahe Wochenmagazin “wSieci” und das dazugehörige Nachrichtenportal schreibt, hielt dagegen. Im Interview mit radioeins sprach sie über ihren Umgang mit Kritik und der aus ihrer Sicht „einseitigen Berichterstattung“ aus dem Ausland.
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Kulturmetropole Warschau
Während Michael Müller sein Amt in Berlin einfach nur „regierender Bürgermeister“ nennen darf, heißt es in Warschau viel feierlicher „Stadtpräsident“ bzw. Stadtpräsidentin. Hanna Beata Gronkiewicz-Waltz von der Partei Bürgerplattform hat dieses Amt seit 2006 inne. Seit der Wende habe sich Warschau von einer grauen Stadt in eine bunte, weltoffene Metropole verwandelt. Es entstünden neue U-Bahn-Linien, Fußgängerzonen, Brücken und Straßen, berichtete die Stadtpräsidentin.Hanna Beata Gronkiewicz-Waltz | Foto: radioeins/Ralf Schuster anhören
Warschaus größtes Wahrzeichen, der 137 Meter hohe Kulturpalast wird von den Warschauer Bürgerinnen und Bürgern als „Stalins Rache“ bezeichnet. Schon die Rolling Stones sind hier aufgetreten. Über Polens vielfältige Musikszene und den Besuch von David Bowie in den 70er-Jahren, der ihn zum Song „Warszawa“ inspirierte, sprach radioeins mit Musikjournalistin Agnieska Wojtowicz.
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Stolz ist die Stadt auf den gebürtigen Warschauer Komponisten Frédéric Chopin. So stolz, dass sogar ein Wodka nach ihm benannt ist. Reporterin Anne Spohr begab sich auf seine Spuren und entdeckte unter anderem die musikalischen Bänke, die Chopin per Knopfdruck abspielen und im Warschauer Łazienki-Park stehen.
Chopin-Bank | Foto: radioeins/Ralf Schuster anhören
In seinem ersten Roman Kruso, der jetzt ins Polnische übersetzt wurde, schlägt der Autor Lutz Seiler einen Bogen vom Sommer '89 bis in die Gegenwart. Das Inselabenteuer folgt den Spuren von Menschen, die bei ihrer Flucht über die Ostsee verschollen sind, bis in die Katakomben der dänischen Staatspolizei. Im Interview sprach der Autor über seine Verbindung zu Warschau, das er noch aus der Kindheit kennt, und über seine Beziehung zum Publikum bei Lesungen: „Überrascht hat mich gerade beim Roman, dass Unterschiede in den Reaktionen im Publikum zwischen Osten und Westen kaum da waren. Man kann feststellen, dass es Jahre nach der Wende kein spezielles Ost-Wissen mehr braucht, um diesen Roman zu verstehen oder damit umzugehen.“
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Unaussprechliches Polnisch
„Nie pieprz Pietrze wieprza pieprzem, bo przepieprzysz wieprza pieprzem.“ Was sich für einen Polnisch-Laien wie ein wirres Satzgefüge darstellt, ist ein Zungenbrecher, den selbst polnische Muttersprachler nur schwer korrekt über die Lippen bringen und heißt übersetzt so viel wie: „Pfeffere nicht das Ferkel mit Pfeffer, Peter, denn du kannst das Ferkel mit Pfeffer überpfeffern“. Die radioeins-Moderatoren Max Spallek und Sonja Koppitz stellten sich dieser und weiteren kniffligen Aufgaben, die sie täglich aus der „Pirogge des Tages“, einer traditionellen polnischen Teigtasche, zogen.„Pirogge des Tages“ | Foto: radioeins/Ralf Schuster anhören
Die Radiobrücke ist auch nach der Sendewoche in Warschau im Podcast auf radioeins zu hören.