Nahaufnahme 2017
In der Welt Geschichten finden
Im Austauschprogramm „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts tauschten 2017 zwölf Kulturjournalistinnen- und journalisten für drei bis vier Wochen ihre Arbeitsplätze. Christine Auerbach schilderte ihre Eindrücke aus Rumänien in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien. Elise Wilk berichtete für den Bayerischen Rundfunk aus München. Im Interview sprechen sie über ihre Erfahrungen.
Was ist das Wichtigste, das Sie von dem Austausch mit nach Hause gebracht haben?
Christine Auerbach (CA): Der Austausch hat mich wieder einmal darin bestärkt, dass man als Journalist so oft wie möglich weg von seinem Schreibtisch sollte, raus in die Welt außerhalb des Büros, um Geschichten zu finden und zu recherchieren. Das kommt im Arbeitsalltag mit all seinen Sitzungen und Deadlines oft zu kurz.
Der Austausch hat also ordentlich den „Speck von der Reporterseele“ gekratzt. Dazu nehme ich natürlich vor allem die neuen Bekanntschaften mit, die ich hier geschlossen habe. Ich glaube und hoffe, dass sie auch halten werden.
Elise Wilk (EW): Mein Aufenthalt beim Bayerischen Rundfunk war sehr spannend und vor allem sehr bereichernd. Obwohl die Zeit kurz war, habe ich viel mit nach Hause gebracht – an Erfahrungen und – was ich nicht erwartet hätte – auch ein bisschen an Radio-Know-How.
Deutschland und Rumänien sind nicht weit entfernt voneinander, aber trotzdem habe ich wieder einmal gemerkt, wie wenig wir von den anderen europäischen Ländern wissen. Die Kolleginnen und Kollegen vom BR hatten wirklich großes Interesse, mehr über Rumänien zu erfahren und haben mich gleich in zwei Sendungen eingeladen. Sehr viele Fakten über Rumänien kommen ja nicht in die deutschen Nachrichten.
Das ist auch umgekehrt so: Über viele Themen, die in Deutschland wichtig sind, erfährt man in Rumänien nichts. Zum Bespiel der NSU-Prozess, der gerade in München läuft und wo ich an zwei Verhandlungstagen dabei war. Ich persönlich wusste aus dem Theater davon, in den rumänischen Medien gab es nur 2011 eine kurze Nachricht, ansonsten nichts.
Außerdem nehme ich mit: die neuen Orte, die ich in München entdeckt habe, die vielen Bekanntschaften und ich verrate noch etwas: Ich habe mich ein bisschen in die Radio-Arbeit verliebt.
Elise Wilk bei einer Aufnahme im BR
| Foto: Cordula Flegel
Wie war die Arbeit in der neuen Redaktion?
CA: Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien berichtet ja für die deutsche Minderheit in Rumänien. Sie ist eine Tageszeitung, die jeden Tag mit der Post verschickt wird. Eine starke Leistung, wie ich finde, solch eine Zeitung trotz Internet und einer sehr speziellen Leserschaft aufrecht zu erhalten. Es war interessant zu sehen, welche Themen die Zeitung setzt und wie der Redaktionsalltag funktioniert.
EW: Am Anfang war ich ein wenig aufgeregt, da ich ja noch nie im Leben Radio gemacht habe und null Ahnung hatte. Es schien alles furchtbar kompliziert, auch das Programm, in dem die O-Töne geschnitten werden, schien mir wie eine exotische Fremdsprache.
Als ich dann mit dem Mikrofon losgegangen bin, um ein Interview aufzunehmen, zitterte ich vor Aufregung wie ein Journalistik-Student im ersten Semester. Ich hatte Angst, dass etwas schief geht. Doch dann folgte die eigentliche Arbeit am Beitrag. Diese hat mir so gut gefallen, dass ich verstehen konnte, warum Radio-Leute so vernarrt in ihre Arbeit sind.
Am Ende hätte ich am liebsten nochmal von vorne begonnen. Ich war sehr stolz auf meinen ersten Beitrag. Etwa wie dann, wenn dein erster Artikel erscheint und du früh am Morgen zum Kiosk rennst, um die Zeitung zu kaufen.
Ansonsten waren die Kollegen vom BR sehr nett und haben mich überallhin mitgenommen. In dieser Redaktion wäre ich gerne auch länger geblieben.
Warum haben Sie bei der Nahaufnahme mitgemacht?
CA: Ganz klar aus Neugierde. Ich kannte Rumänien vorher nicht, wollte aber schon immer einmal in dieses Land. Außerdem fand ich das Konzept des Austausches sehr gut. Es ist viel mehr als nur ein Recherchestipendium, bei dem man dann alleine vor sich hin recherchiert.
Dadurch, dass man eine Basis in der Austauschredaktion hat, kommt man sehr viel schneller in das neue Leben und die Gesellschaft hinein. Angefangen bei der gemeinsamen Grillfeier für eine Kollegin, über Feierabendbier nach Redaktionsschluss bis zur Hilfe bei der Recherche von Interviewpartnern. Ich habe mich von Anfang an zu Hause in Bukarest und Kronstadt gefühlt.
EW: Im Unterschied zu Christine, die vorher noch nie in Rumänien war, bin ich sehr oft in Deutschland – in fast allen Teilen des Landes. Also war es nichts Neues für mich. Darum habe ich Christine ein wenig beneidet. Die Eindrücke sind einfach anders, wenn du in einem fremden Land bist. Ich war aber auch neugierig, und ja, man muss ab und zu aus seinem Alltag raus, vor allem als Journalistin. Ich wollte Neues dazulernen.
Welches Bild hatten Sie von Ihren Gastländern, bevor Sie dorthin gereist sind?
CA: Rumänien hat in Deutschland ja nicht den besten Ruf, es gibt leider viele Vorurteile. Die habe ich zwar nie geteilt, aber eine richtige eigene Vorstellung von dem Land hatte ich nicht. Bukarest fand ich mit am spannendsten – Gegenwart und Vergangenheit prallen dort auf engstem Raum aufeinander, man merkt, dass die Stadt und ihre Bewohner gerade dabei sind, sich eine neue Identität zu suchen.
Wird man jetzt zum Hipster? Oder zum linken Intellektuellen? Geht man protestieren gegen die Regierung oder nicht? Selten habe ich so viel über Politik diskutiert wie dort. Früher galt Bukarest immer als Paris des Ostens, dann wurde die Stadt Ceausescus Spielplatz – und jetzt? Es war sicher nicht das letzte Mal, dass ich dort gewesen bin.
EW: Für mich ist Deutschland kein fremdes Land, sondern ein Land, in das ich seit der Kindheit wenigstes zwei Mal pro Jahr reise. Ehrlich gesagt habe ich mir insgeheim gewünscht, dass ich nach Berlin komme – das ist eine meiner Lieblingsstädte.
München kenne ich auch gut, da meine Cousine, eine gute Freundin und mehrere Bekannte dort wohnen. Diese Stadt war auf Platz zwei. Aber jetzt, nachdem ich wieder zurück bin, bin ich froh, dass ich in München war. Besser hätte es nicht sein können. Ich habe neue Facetten der Stadt entdeckt und mich hier wirklich wohl gefühlt. Zu schade, dass ich keine Zeit hatte, alles zu machen, was ich mir vorgenommen habe. Dafür gibt es aber ein „nächstes Mal“.