Zum Tod von Hilmar Hoffmann
Ein mutiger Streiter für die Kultur
Hilmar Hoffmann hinterlässt uns ein Vermächtnis – innen und außen sind keine getrennten Welten. Ein persönlicher Nachruf von Klaus-Dieter Lehmann.
Hilmar Hoffmann war ein leidenschaftlicher, unabhängiger und mutiger Streiter für die Kultur. Sie war für ihn nicht der Spielplatz für Künstler und Intellektuelle, sondern die Grundlage unserer Gesellschaft, die Chance, Neues zu denken und offen zu sein. Die Freiheit von Kunst und Wissenschaft waren für ihn nicht verhandelbar, sondern Voraussetzung für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Er glaubte an die Kraft der Kultur als eigenständigem Faktor, nicht reduziert auf ein dekoratives Element der Kommerzialisierung oder als Mittel politischer Instrumentalisierung. Diese Überzeugung lebte er!
Er begeisterte und ließ sich begeistern
Jetzt ist er im Alter von 92 Jahren in Frankfurt am Main gestorben, der Stadt, die er über 20 Jahre von 1970 bis 1990 als Kulturdezernent geprägt hat. Aus der Stadt des Kapitals machte er die Stadt der Kultur mit dem höchsten städtischen Kulturetat. Dabei ging er nicht die ausgetretenen Pfade, sondern schuf neue Wege, die der Kultur den elitären Ansatz, für das Bildungsbürgertum da zu sein, nahmen und sie mit seinem Slogan „Kultur für alle“ öffnete, ideologiefrei und barrierefrei: das Museumsufer am Main mit neuartigen Museumstypen, aufgereiht wie eine Perlenschnur, die Stadtteilbibliotheken als Bildungsstätten, das Theater als Lerngemeinschaft. Er hat frühzeitig begriffen, dass kulturelle Bildung erst den Menschen ausmacht, dass die Tendenz, alle Lebensbereiche nur noch nach marktwirtschaftlichen Prinzipien zu bewerten, die Gemeinschaft und solidarisches Handeln gefährdet. Er stand mitten im Leben, war ein Pragmatiker mit einem intuitiven Gefühl für das Machbare und ließ sich dann auch nicht von Überzeugungen abbringen. Er liebte die Menschen, er begeisterte und ließ sich begeistern.Der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit
In dem Alter, in dem sich andere zur Ruhe setzen, mit 68 Jahren, begann er 1993 eine neue Karriere als Präsident des Goethe-Instituts. Dieses Ehrenamt übte er bis 2001 aus. Er war der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Für ihn waren innen und außen keine getrennten Welten. Kultur als Lebenselixier ist nicht an die Grenzen Deutschlands gebunden, sondern ist erst dann in seinem Wert bestätigt, wenn sie sich für einen kulturellen Dialog öffnet, die Wertschätzung von Vielfalt und die Gleichwertigkeit der anderen beachtet. Hilmar Hoffmann mit seiner Überzeugungskraft und seiner Unabhängigkeit, aber auch mit seinem Netzwerk, konnte mobilisieren und Allianzen bilden. Es war die Zeit des Mauerfalls und einer neuen multipolaren Weltordnung, eine Zeit, die von politischem Aufbruch bestimmt war. Hilmar Hoffmann widmete sich bewusst dem Ausbau des Netzwerkes des Goethe-Instituts in Mittel- und Osteuropa und sah in der Verantwortung für einen gemeinsamen europäischen Kulturraum ein vorrangiges Ziel, nicht als Einheitlichkeit, sondern als gewollte Koexistenz. Dieser Ansatz bleibt nach wie vor von zentraler Bedeutung. Aber diese Jahre der neuen Weltordnung waren für das Goethe-Institut auch eine schwierige Zeit. Wegen der drastischen Schließung von Instituten – gegen seinen Willen - drohte das Goethe-Netz zu zerreißen. Hilmar Hoffmann versuchte, über das Einwerben von Spendenmitteln das Schlimmste zu verhindern, aber erst mit der großen Koalition 2004 konnte eine tragfähige Lösung gefunden werden. Nicht umsonst nannte ihn Bundespräsident Johannes Rau einen begnadeten Bettler.Für mich war Hilmar Hoffmann Freund und langjähriger Wegbegleiter. Er kam 1970 nach Frankfurt am Main, ich 1972 als Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek. Er war mein Dezernent. Wir hatten viele gemeinsame Überzeugungen in dieser unmittelbaren Konstellation. Er war dann auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bibliothek, deren Generaldirektor ich seit 1988 war. Unsere Grundüberzeugungen haben sich erhalten und ich sehe mich als Nachfolger im Amt des Goethe-Präsidenten in den Auffassungen von Hilmar Hoffmann bestätigt: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist weder geeignet für den Wettbewerb der Systeme noch für eine Instrumentalisierung im Dienst der Hegemonie oder der Wirtschaftsförderung. Ihre Unabhängigkeit ist ein hohes Gut.