Mister Erbil Gentleman’s Club
Hipster in der Hauptstadt
Die Modeblogger des „Mr. Erbil Gentleman’s Club“ aus Kurdistan sind weltweit erfolgreich. Sie wollen die wahre Geschichte des Lebens in ihrer Heimat erzählen. Auf Einladung des Auswärtigen Amtes statteten sie der Hauptstadt einen Besuch ab.
Sie tragen Hemd, Weste, Anzughose, Krawatte und Armbanduhr, ihre Haare sind perfekt frisiert, die Bärte akkurat gestutzt. In Sachen Stil machen die Mitglieder des „Mr. Erbil Gentleman’s Club“ Eindruck, wenn man sie bei ihrem Besuch im Goethe-Institut Berlin trifft. Die Männer im Dandy-Look stammen alle aus Kurdistan, einem autonomen Gebiet im Norden des Irak. Die Teilnehmer dieser Besucherreise sind besonders, sind sie doch die einzigen aus dieser Region, die als Blogger, Influencer und Modedesigner international auf sich aufmerksam gemacht haben.
Die Gentlemen besuchen „Herr von Eden“
| Foto: Nihan Sivridag
90.000 Follower auf Instagram
Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, dass sich die modeaffine Gruppe zusammengefunden hat, um mit ihrem Gespür für Stil die Welt zu begeistern. Denn auch wenn Erbil innerhalb des Irak als vergleichsweise sicher gilt, ist es eine Region, aus der in den letzten Jahren meist nur Nachrichten über die instabile politische Lage an die Öffentlichkeit gelangten. Doch das will der „Mr. Erbil Gentleman’s Club“ ändern. Über 90.000 Menschen verfolgen auf Instagram, wenn das kreative Kollektiv Beiträge postet.Nun haben sieben der 15 Mitglieder auf Einladung des Auswärtigen Amtes besucht. Auf der Modemesse „Bread and Butter“ fanden sie Inspiration für ihre Arbeit, knüpften Kontakte zu potenziellen Kunden und Geschäftspartnern und fachsimpelten mit dem Modeblogger Carl Jakob Haupt („Dandy’s Diary“).
Teil des Programms: Die Mode- und Musikmesse „Bread and Butter“ | Foto: Nihan Sivridag
Mode als Botschaft
Das Anliegen von „Mr. Erbil“, die Wahrnehmung ihres Landes in den internationalen Medien zu verändern, ist bislang gelungen. Sie zeigen, dass der Alltag in Kurdistan keineswegs nur von Gewalt dominiert wird. 2016 wurde der Club von den jungen Männern zwischen 20 und 30 gegründet. Viele junge Menschen verließen in dieser Zeit das Land, weil die Wirtschaft in einer schweren Krise steckte, erinnert sich Rawa Ali. Zur damaligen Zeit hatte die Terrormiliz Islamischer Staat Gebiete nur knapp 50 Kilometer von Erbil entfernt unter ihre Kontrolle gebracht.Ali kennt die Vorurteile gegenüber seiner Heimat: „Jeder, der in den Irak fährt, wird gefragt, ob er verrückt sei.“ In Erbil sei der Alltag allerdings ganz normal. „Wir fühlen uns sicher und gehen wie die Deutschen in Cafés. Wir wollen der Welt zeigen, dass die Fernsehberichte ein ganz anderes Bild zeigen als das, was wir selbst in der Stadt erleben. Wir wollen den Medien die Geschichte des wahren Lebens in unserer Heimat erzählen. Mode ist für uns ein Mittel, um diese Botschaft zu transportieren.“
Ein Vorbild für die Jugend
Das Land zu verlassen, kam für ihn und seine Freunde nicht in Frage. „Wenn du einen Traum hast, kannst du ihn in deiner Heimat erfüllen.“ Ali blickt optimistisch in die Zukunft: „Wir wollen ein Vorbild für unsere Jugend sein und zeigen, dass man Hindernisse überwinden kann.“ Sein Mitstreiter Omer Rafiq betont: „Es herrschte immer Frieden bei uns. Um das zu demonstrieren, haben wir Fotos und Videos von öffentlichen Plätzen und historischen Orten wie der Zitadelle gepostet, um der Welt zu zeigen, wie das reale Leben in Erbil abläuft.“Die Gentlemen beim E-Commerce-Händler „Etsy“ | Foto: Nihan Sivridag
Von Erbil nach Europa
Bislang hat „Mr. Erbil“ drei Produkte im Angebot: Es gibt edle Krawatten in Grau- und Brauntönen aus Ziegenhaar, die von örtlichen Schneidern genäht werden und in einer handgemachten Holzschatulle verpackt werden. Bartöl und Bartkämme ergänzen das Sortiment. Doch der Verkauf der Produkte in andere Länder gestaltet sich schwierig. „Wenn wir ein Paket von Erbil nach Europa schicken, kostet allein das Porto 90 Dollar“, sagt Salih Ali.Doch die Gruppe lässt sich nicht entmutigen, sondern hat bereits das nächste Projekt geplant: Sie will ein Studio in Erbil einrichten, mit Friseur, Café und Laden. Der Geschäftsplan steht bereits, seit einem Jahr arbeitet sie daran und sucht nun nach Investoren. Das Sortiment soll um Anzüge und Westen erweitert werden. Wichtig ist der Gruppe zudem, verstärkt Frauen ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Schon jetzt postet sie unter der Überschrift „Women’s Inspiration“ jeden Donnerstag auf Instagram das Porträt einer Frau, die in Kurdistan von sich reden macht, sei es als Unternehmerin, Künstlerin oder Aktivistin. Dadurch schaffen es die Gentlemen, ein vielfältiges Porträt ihrer Gesellschaft zu zeichnen.