Nahaufnahme #GoetheCloseUp
Auf derselben Wellenlänge
Cora Knoblauch und Ali Johan bei Radio BFM in Kuala Lumpur | Foto: Cora Knoblauch
Beim Journalistenaustausch „Nahaufnahme“ des Goethe-Instituts tauschten Cora Knoblauch von Radioeins rbb und Ali Johan von Radio BFM ihre Arbeitsplätze in Potsdam und Kuala Lumpur. Für „Goethe aktuell“ sprechen sie darüber, welche Erfahrungen sie für sich und ihre Sender mit nach Hause nehmen.
Von Cora Knoblauch
Ein Koffer voller Erinnerungen
Cora: Also, Ali, Deine letzte Woche in Berlin ist angebrochen. Ich habe aus Kuala Lumpur ja einen riesigen Koffer voller Souvenirs und Mitbringsel nach Hause geschleppt. Hast Du Deinen Koffer auch schon voll?Ali: Ich habe schon ein paar Sachen im Auge, die ich mitbringen werde, aber ich hebe mir die Mitbringsel für den letzten Moment auf. Berlin hat so viel, was man mit nach Hause nehmen möchte. Bis jetzt habe ich einen Ansteckbutton gekauft. Da steht drauf: „Manchmal unsozial, aber immer ein Antifaschist.“ Den bringe ich einem Freund mit. Und Kühlschrankmagnete für meine Eltern.
Cora: Und welche Geschichten bringst Du mit nach Hause?
Ali: Die Live-Musik-Szene in Berlin ist enorm. Berlin ist sicherlich ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Bands in Europa. Jeden Abend kann man hier eine spannende Band oder auch sehr berühmte Musiker erleben. Das war sehr faszinierend für mich. Wie die Mentalität der Menschen in Deutschland generell. Ich war zum Beispiel sehr fasziniert davon, wie die Leute hier auf der Straße gehen. Zu Hause gehen die Menschen ganz anders.
Was Berlin und Kuala Lumpur gemeinsam haben
Cora: Auf dem Weg nach Potsdam heute habe ich überlegt, ob Kuala Lumpur und Berlin eigentlich viel gemeinsam haben. Auf den ersten Blick nämlich nicht. Ich musste wirklich überlegen. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in Kuala Lumpur, aber wenn mich jemand fragen würde, ob sich Kuala Lumpur und Berlin in irgendeiner Weise ähnlich sind, müsste ich länger überlegen.Ali: Ich denke, Kuala Lumpur ist wie ein kleiner Ausschnitt, ein kleiner Teil von Berlin. Kuala Lumpur wäre so etwas wie ein Kiez in Berlin in Bezug auf die ethnische Vielfalt der Leute, die Art, wie die Stadt funktioniert. Wenn Kuala Lumpur zehn verschiedene Dinge hat, dann hat Berlin vielleicht 100. Aber beide Städte sind genauso divers. Essen zum Beispiel: Ich habe so viel verschiedene Küchen und Restaurants in Berlin gefunden. Natürlich gibt es auch viele verschiedene Küchen in Kuala Lumpur. Aber wenn Du in Berlin in einem Viertel 20 vietnamesische Restaurants hast, hättest Du in Kuala Lumpur vielleicht zwei.
Cora: Interessant. Weil ich das Gegenteil behaupten würde. Ich habe Kuala Lumpur viel diverser und multi-ethnischer erlebt als Berlin. Für mich war Kuala Lumpur eine Stadt mit einem ganzen Universum an Restaurants und unterschiedlichen Küchen.
Aus demselben Holz geschnitzt: Cora Knoblauch und Ali Johan | Foto: Steen Lorenzen
Erstaunliche Entdeckungen
Cora: Für mich war der Monat in Malaysia mein erster Aufenthalt in Südostasien und Du warst das erste Mal in Deutschland. Was hat Dich an Berlin am meisten überrascht beziehungsweise fasziniert?Ali: Berlin strotzt vor Kreativität! Überall entsteht etwas Kreatives. Schon allein an den Hauswänden. Manche nennen es Graffiti, manche Street Art, andere Vandalismus - ich nenne das Farben einer Stadt. Wir haben so etwas in Jakarta, Indonesien. In Kuala Lumpur gibt es so etwas nicht. Straßenkünstler brauchen eine Genehmigung für ihre Kunst, ansonsten wird das Graffiti sofort von der Stadt übermalt. Das schränkt und schüchtert die Künstlerinnen und Künstler sehr ein. Hier scheinen Künstler viel freier zu sein in der Möglichkeit, sich auszudrücken.
Cora: Berlin und Kuala Lumpur sind zwar sehr verschieden, umso erstaunlicher ist, wie ähnlich sich BFM, dein Radiosender, und Radioeins sind. Das war für mich das Erstaunlichste an diesem Journalistenaustausch. In eure Redaktion zu kommen und zu sehen, dass der Umgang zwischen Kolleginnen und Kollegen, die lockere, fröhliche Atmosphäre, das Großraumbüro, gemeinsam zu essen, eigentlich fast alles genauso ist wie in Potsdam bei Radioeins – das hat mich wirklich überrascht. Du kannst auf die andere Seite der Erde reisen und findest dort Journalistinnen und Journalisten, die genauso ticken wie Du, die sich für dieselben Themen interessieren.
Ali: Ganz genau. Ich kam nach Potsdam und genauso wie Du habe ich natürlich vorher euer Programm gehört und ja, wir spielen sogar dieselbe Musik. Unser Kulturprogramm ist wirklich sehr ähnlich. Radioeins und BFM sind auf derselben Wellenlänge. BFM in Malaysia ist in gewisser Weise sehr einsam. Keine andere Radiostation in Malaysia hat feministische oder philosophische Sendungen. Aber jetzt, wo ich meinen Radar geöffnet und Radioeins gefunden habe, fühlt es sich an wie zu Hause. Ich bin hier in die Radioeins-Redaktion gekommen und musste mich und BFM nicht groß erklären. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt.
Cora: Ich wünschte, Radioeins hätte auch eine Sendung wie die „Feminist Fridays“ – das ist eine Sendung, auf die ihr sehr stolz sein könnt.
Ali: Und wir haben so eine Sendung trotz der recht harschen Medienzensur in Malaysia. Wir zensieren uns auch selbst, einfach weil wir jahrzehntelang konditioniert wurden. Wenigstens thematisiert BFM trotzdem regelmäßig sensible Themen in seinen Sendungen.
Ali Johan bei Radioeins im Gespräch mit Moderator Steen Lorenzen | Foto: Cora Knoblauch
„Gemeinsam wachsen, gemeinsam groß werden“
Ali: Was ich von meinem Besuch bei Radioeins mitnehme, ist, mutiger zu sein – mehr Haltung und Persönlichkeit zu zeigen. Das sind unsere Herausforderungen. Was ist die Herausforderung für Radioeins?Cora: Nun, Radioeins wird nie ein Radiosender für die große Masse sein. Wir werden immer in gewisser Weise ein Nischensender sein. Wir spielen keine Charts, unsere Moderatorinnen und Moderatoren reißen nicht am laufenden Band Witze und „unterhalten“ unsere Hörer nicht auf oberflächliche Art. Die Herausforderung wird sein, neue, jüngere Hörer zu gewinnen. Das ist nicht ganz einfach, weil jüngere Menschen offenbar grundsätzlich immer weniger Radio hören.
Ali: Das ist bei uns ähnlich. BFM liefert auch kein Entertainment wie sonst so beim Radio üblich. Wir fragen uns, ob wir aus dem Nischen-Markt herauswachsen dürfen oder müssen. Aber verlieren wir dann unseren Charakter und unsere Einzigartigkeit? Der Ton ist schließlich alles im Radio, oder? BFM und Radioeins haben einen sehr ähnlichen Ton.
Cora: Ich denke, dass wir aus diesem Austausch nicht nur für uns beide persönlich, sondern auch für unsere Radiosender etwas mitnehmen für die Zukunft.
Ali: Das hoffe ich auch. BFM schaute bislang immer, was und wie amerikanische Talksender es machen. Einem Radiosender wie Radioeins zuzuhören, lässt einen an die Menschlichkeit glauben. Wir sind nicht hier, um uns auf Kosten anderer zu amüsieren. Wir sind hier, um unsere Hörerinnen und Hörer zu bereichern, ihnen wichtige Geschichten zu erzählen. Wenn BFM und Radioeins in Kontakt bleiben, könnten wir gemeinsam wachsen, gemeinsam groß werden. Ihr seid 20 Jahre alt, wir zehn. BFM sollte auf Radioeins schauen wie auf einen großen Bruder.