Berlin & Beyond Filmfestival
„Man muss gefährlich arbeiten“
Zu seiner Eröffnung zeigt das 23. Berlin & Beyond Filmfestival, das vom 8.-14. März in San Francisco stattfindet, den Film 25 km/h mit Bjarne Mädel und Lars Eidinger. Bjarne Mädel, der diesjährige Gewinner des „Spotlight Award in Acting“, erzählt im Gespräch mit „Goethe aktuell“, was hinter seiner Schauspielkarriere steckt.
Lieber Bjarne Mädel, herzlich willkommen in San Francisco! Sie haben nach dem Abitur zwei Jahre in Kalifornien gelebt. Was genau haben Sie hier gemacht?
Die Cousine meiner Oma ist Anfang der 60er Jahre ausgewandert und mit der ganzen Verwandtschaft nach Palm Springs gezogen. Ich war mit 15 das erste Mal da und fand es toll. Also bin ich nach dem Abi für einen längeren Zeitraum hingefahren, auch um zu schauen, ob ich dort leben könnte. Meine Familie in Palm Springs war erst mal mein Anlaufpunkt und ich habe in ihrer Malerfirma mitgearbeitet, so richtig auf dem Bau. Bis mein Vater zu mir sagte: „Willst du nicht was lernen?“ Also habe ich mich an der University of Redlands eingeschrieben und dort Weltliteratur und kreatives Schreiben studiert. Es war eine tolle Zeit, ich habe auf dem Campus gelebt, Soccer gespielt, im Radio gearbeitet und im Chor gesungen. Leider musste ich die Amerikazeit dann abbrechen. Nach zwei Jahren bin ich also wieder nach Deutschland zurückgekehrt.
Waren Sie damals auch schon in San Francisco?
Ja, erst mit der Familie, aber auch später immer wieder. Meine Schwester wohnt in Oregon, und San Francisco liegt ungefähr auf halbem Weg zwischen Palm Springs und Oregon. Ich mag die Stadt wahnsinnig gern. Deshalb musste ich auch gar nicht lange überlegen, als die Einladung des Goethe-Instituts kam.
Das Berlin & Beyond Filmfestival in San Francisco zeichnet Bjarne Mädel mit dem Spotlight Award aus
| Foto: Barak Shrama
„Eigentlich wollte ich nie vor die Kamera“
Sie haben Theaterwissenschaften und Literatur studiert, dann waren Sie lange am Volkstheater Rostock und am Schauspielhaus Hamburg, bevor Ihre Fernsehkarriere mit „Stromberg“ anfing. Vermissen Sie die Bühne manchmal?Ich spiele noch immer regelmäßig als Gast im Theater, meine künstlerische Heimat ist das Schauspielhaus Hamburg. Es ist - ähnlich wie das Castro Theater hier in San Francisco - ein wahnsinnig toller und lebendiger Ort mit sehr viel Geschichte. Durch die viele Filmarbeit bin ich nicht mehr fest am Theater und das vermisse ich manchmal, aber ich genieße auch die Freiheit, mir aussuchen zu können, was ich mache. Ich drehe lieber einen tollen Film, als dass ich bei einem schlechten Theaterstück mitmache. Und ich hatte in den letzten Jahren das Glück, sehr spannende Filmprojekte machen zu dürfen. Eigentlich wollte ich nie vor die Kamera, ich habe eine klassische Theaterausbildung und zehn Jahre Theater gespielt. Ich habe damals vielleicht zwischendurch mal was gedreht, um meine BAföG-Schulden abzuzahlen, aber ich wollte kein Filmschauspieler sein. Ich fand es langweilig, auch weil die Sprache so alltäglich ist. Ich mochte die andere, manchmal etwas sperrige Sprache des Theaters. Durch die Serie „Stromberg“ bin ich dann vor die Kamera getreten und habe gemerkt, dass auch das sehr viel Spaß macht. Wenn man dreht, dann hat man oft die Kamera direkt im Gesicht, und man kann sehr fein und minimalistisch arbeiten. Das ist im Theater anders. Da geht es mehr um Wirkung, wie der Schauspieler sich dabei fühlt, ist nicht wichtig. Er muss die andern zum Weinen bringen, aber dazu muss er nicht selbst traurig sein. Beim Film geht das so nicht, die Kamera sieht, was man fühlt. Man muss mehr von innen heraus arbeiten, den Stoff in gewisser Weise authentisch fühlen. Das ist eine Herausforderung.
Alles eine Frage des Timings
Mit der mehrfach prämierten Fernsehserie „Stromberg“ erlangten Sie größere Bekanntheit, danach ging es weiter mit humoristischen Serien wie „Der kleine Mann“, „Mord mit Aussicht“ und „Der Tatortreiniger“. Auf der anderen Seite spielen Sie auch eine sehr ernsthafte Rolle in dem Abtreibungsdrama „24 Wochen“. Worin liegt für Sie die größere Herausforderung – ernste oder komische Charaktere zu spielen?Das macht für mich gar nicht so einen großen Unterschied. Der handwerklich größte Unterschied aber ist, dass man bei der Komik viel genauer im Timing sein muss. Wenn es darum geht, die Zuschauer zum Weinen zu bringen, dann ist es ziemlich egal, wann – Hauptsache, es klappt irgendwann in der Szene. Dabei hilft natürlich die Musik, die Geschichte, die Kameraeinstellung. Aber Komik ist einfach nicht komisch, wenn man das Timing verpasst. Ein Witz funktioniert, wenn er gut getimt ist. Deshalb ist es handwerklich oft viel anstrengender. Die Leute denken immer, beim „Tatortreiniger“ lachen wir uns tot, aber dafür ist gar keine Zeit, weil wir so konzentriert bei der Arbeit sind. Man fragt uns immer wieder, wie viel beim „Tatortreiniger“ oder bei „Stromberg“ improvisiert sei. Die Antwort ist: Fast gar nichts, selbst die Versprecher stehen so im Skript.
Bjarne Mädel nimmt seine Auszeichnung entgegen | Foto: Barak Shrama In dem erfolgreichen Roadmovie „25 km/h“ spielen Lars Eidinger und Sie zwei unterschiedliche Brüder, die nach dem Tod des Vaters wieder zusammenfinden und sich einen alten Jugendtraum erfüllen: eine Reise mit dem Mofa quer durchs Land. Unser Filmfest „Berlin & Beyond“ zeigt die internationale Premiere von „25 km/h“ als Eröffnungsfilm. Was denken Sie, wie wirkt diese verrückte Reise der ungleichen Brüder auf das amerikanische Publikum?
Das Gefühl, etwas verpasst zu haben, ist universell, genau wie die Sehnsucht danach, es wieder gutzumachen. Das kennt jeder. Daher glaube ich, dass der Film auch hier die Herzen treffen kann. Und auch der Humor hat bei der Premiere sehr gut funktioniert. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass man Deutschland vorgeführt bekommt – vom Schwarzwald bis an die Ostsee und wie unterschiedlich und schön diese Landschaften sind. Der Kameramann Frank Griebe hat einfach ein wahnsinnig tolles Auge. Ich finde, dass die Bilder emotional berühren, manche Bilder sind wie ein Gemälde. Auch die Musik ist toll, die Songs bringen einen zurück in vergangene Zeiten.
Das Risiko zu scheitern
Können Sie uns verraten, was Ihr nächstes Projekt ist?Ich habe letzte Woche in Hamburg einen Film abgedreht, der heißt „Die letzten Tage des Schnees“ nach einem Roman von Jan Costin Wagner. Das ist ein Drama, also wieder eine sehr ernste Rolle. Ein großes Projekt, das ansteht, ist meine erste eigene Regiearbeit, in der ich zugleich auch die Hauptrolle spiele. Für mich ist das wahnsinnig aufregend, weil ich nun die Verantwortung für alles trage. Das ist mehr als bisher und ich freue mich sehr darauf. George Tabori hat gesagt: „Man muss gefährlich arbeiten“, also mit dem Risiko, auch zu scheitern.
Das Interview führte Sigrid Savelsberg, Leiterin des Goethe-Instituts in San Francisco.