Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Ausstellungseröffnung „Die Stadt von Morgen“ in Eriwan
Der kommunistische Geist im Alltagsleben

Die Wanderausstellung ist noch bis 07. September in Eriwan zu sehen
Die Wanderausstellung ist noch bis 07. September in Eriwan zu sehen | Foto: Ed Tadevossian, Ludwig Nachtmann

Vom Pionierlager über Künstlerhäuser bis hin zum Hochzeitspalast: Das Leben und Erbe der sowjetischen Stadtplanung und -architektur prägen die urbane Landschaft in der ehemaligen UdSSR bis heute. Die Wanderausstellung „Die Stadt von Morgen“ des Goethe-Instituts in der Region Osteuropa/Zentralasien widmet sich jetzt dem Sowjetmodernismus.

Von Natia Mikeladse-Bachsoliani

Die sowjetische Stadt und ihre Architektur wurden als Modell für eine neue Gesellschaft entworfen. In der ganzen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) sollten sie ein Gefühl von sozialer Einigkeit vermitteln. Die Wanderausstellung „Die Stadt von morgen“ lotet die architektonische Umsetzung von alternativen Gesellschaftsentwürfen aus, die emanzipative, aber auch unterdrückende und kolonialistische Elemente aufweisen. Im Mittelpunkt stehen die Entwicklung der modernistischen Sowjetarchitektur und ihr heutiges Erbe – mit all den Vertreter*innen, lokalen Dialekten und unbekannten Meisterwerken.
Besucher*innen in Eriwan Besucher*innen in Eriwan | Foto: Ed Tadevossian

Die Entwicklung des Sowjetmodernismus

Der ideologische Aufruf zur Modernisierung der UdSSR in den 1920ern führte in Städteplanung und Architektur zu einer radikal neuen, modernistischen Formsprache. Dabei war die Sowjetarchitektur eng mit dem universellen Projekt des Modernismus verbunden, insbesondere mit dem Bauhaus und Ernst May, der in den 1930ern auf einer Reise durch die UdSSR sogar einen Bebauungsplan für Leninakan (Gjumri) erstellte.
 
Nach dem Ende der Stalin-Ära erlebte der Sowjetmodernismus ab 1955 eine zweite Blütezeit. Angetrieben von der Ideologie des wissenschaftlichen und technologischen Fortschrittes experimentierten Architekt*innen nun mit internationalen Konzepten und übernahmen Ansätze ihres verdrängten Erbes aus den 1920er Jahren.

Auf der Suche nach einer eigenen Identität

In den 1960ern entfaltete sich jedoch zunehmend Kritik an der Industrialisierung von Raum und Architektur. Lokale Eliten und Architekt*innen suchten nach einer regionalen oder nationalen Identität. Avantgarden entstanden, die der gleichmachenden Politik der zentralen Moskauer Bürokratie trotzten.
 
In den 1970ern erfolgte ein weiterer Paradigmenwechsel. Unter Breschnew eignete sich die Gesellschaft einen westlicheren Lebensstil an. Der kommunistische Geist im Alltagsleben wurde schwächer. Die Architektur reagierte darauf mit neuen Bauten: vom Pionierlager über Künstlerhäuser bis hin zum Hochzeitspalast.
Eindrücke aus der Vergangenheit Eindrücke aus der Vergangenheit | Foto: Ed Tadevossian

Ende oder Neuinterpretation?

Mit dem Zusammenbruch der UdSSR in den frühen 1990ern fand der Sowjetmodernismus ein abruptes Ende. Ein Großteil der utopischen Projekte blieb Fragment oder schlug schließlich fehl. Viele der Strukturen und Formen sind heute verschwunden. Dennoch prägen die Konzepte und Gebäude weiterhin viele Städte der früheren UdSSR – und eine Generation von jungen Aktivist*innen beginnt nun, sich für Erhalt und Neuinterpretation einzusetzen.
 
Die Wanderausstellung selbst ist unorthodox und ortsspezifisch: In jeder Stadt und an jedem Ausstellungsort arbeitet sie mit lokalem Archivmaterial und behält nur eine Art Kern bei, der sich in jedem neuen Kontext auf andere Weise entfaltet.

Top