Die neue Ausstellung des Goethe-Instituts Karachi
Sprache: Möglichkeiten, Grenzen und die Räume dazwischen
Wir werden durch Sprache und können genauso leicht von ihr in unserer Existenz beraubt werden: Die im Auftrag des Goethe-Instituts Karachi entstandene Ausstellung „Is it possible to live outside of language“ zeigt eine zeitgemäße Reflexion über Sprache. Mit Anerkennung und Wertschätzung für die Körperlichkeit außerhalb der Sprache, versuchen die präsentierten Kunstwerke, Möglichkeiten für das Geschriebene, das Gesprochene und das Unbeschreibliche neu zu definieren.
Von Umair Khan
Am 22. August eröffnete die von Aziz Sohail, einem jungen Kurator aus Karachi, konzipierte Ausstellung „Is it possible to live outside of language“. Aziz Sohail, der vom Goethe-Institut für das Programm Curatorial Intensive South Asia 2018 ausgewählt wurde, zeigt ein Porträt explorativer und neugieriger Kunstpraktiken, die gemeinsam durch Fragen nach den Grenzen der Sprache navigieren.
Eine mystische Macht
Die Sprache bezeichnet, definiert, beschreibt, und seltsamerweise wird sie irgendwo in diesem Prozess auch überschrieben und lahm gelegt. Worte haben eine enorme, vielleicht sogar mystische Macht über unser Leben. Wir lernen, verinnerlichen und wenden Sprache an, und die Sprache wiederum formt unser Werden als Subjekte – als Selbst, das im raumzeitlichen Fluss gefangen ist. Wir werden durch Sprache und können genauso leicht von ihr rückgängig gemacht werden. Einige Menschen sind von den Beschreibungen, den rasiermesserscharfen Kategorien die Wörter hervorbringen, ausgeschlossen. Aziz Sohails Kooperationsprojekt ist ein Austausch mit diesen Kategorien und präsentiert Kunst, die spürbare Einblicke und Reflexionen bietet.Neue Wege der Verkörperung
Mit Werken von Künstler*innen aus Karachi sowie Beiträgen des in Berlin lebenden Lucas Odahara, thematisiert das Projekt die hochgenerative Spannung zwischen dem Beschreibenden, dem Rezeptiven und dem Undarstellbaren. Dabei versucht die Ausstellung neue Wege der Verkörperung und des Ausdrucks anzuregen, die von der Auslöschung der Identitäten zu ihrer Überlegenheit führen. Die Sammlung stellt eine „Lebenswandel-Sprache“ vor, die die Ausdrucksformen derer hervorhebt, die an ihren Rändern leben.Unterschiedliche Geschlechter und Sexualitäten, die von sprachlicher Anerkennung ausgeschlossen sind, existieren von Zeit und Raum enteignet. Vassilieia Stylianidou's zweikanalige Videoinstallation „Somatic TaleOhrz“ lässt die Betrachter*innen in die fiktive Geschichte einer im griechischen Exil lebenden intersexuellen Person aus Karachi eintauchen. Mit der Manipulation von Audio, Video und Text im Laufe der Zeit, finden sich die Betrachter*innen von der unmittelbaren Realität distanziert und in das Leben eines anderen versetzt. Das Werk beinhaltet auch die performative Lesung einer Kritik der Textilindustrie von Asad Alvi.
Ausstellungsraum mit Werken von Lucas Odahara: „Lingual (descending)“, „The Many Headed Hydra: 3 Oracle flags“ und „We are from here, from the Sea“ | Foto: Humayun Memon Lucas Odaharas Kunstobjekte sind mit Zitaten aus Gesetzen und persönlichen Erinnerungen von verschiedenen Autor*innen auf Portugiesisch, Englisch und Urdu versehen. Die Objekte müssen physisch behandelt werden, damit man sie weiterlesen kann. In diesem Prozess erhält der Text sprichwörtlich eine Körperlichkeit. Scheinbar unlebendige Objekte werden aktiviert, mit Bedeutung ausgestattet und durch die Sprache, die sie offenbaren, erweitert.
Reisgefüllte Lederformen von Lucas Odahara, Detail von „Lingual (descending)“ | Foto: Humayun Memon
Sprechen ohne zu reden
Was macht einen akzeptablen Körper aus und auf welcher Grundlage werden bestimmte Leben und Körper weniger wertvoll als andere? Fiza Khatris Gemälde fassen Beobachtungen von Ladenfronten und Schaufensterpuppen zusammen und zeigen, was sie enthüllen und verdecken sollen. Sie konfrontiert die Betrachter*innen mit Vorstellungen von körperlicher Verständlichkeit, welche diese plastischen Figuren vertreten, und was sie am Ende ohne zu sprechen über die organischen Körper sagen, die sie angeblich repräsentieren.Ein Gefühl der Hoffnung und des Glaubens zirkuliert um den intersubjektiven Raum, der für die Ausstellung kuratiert wurde. Das Gefühl, dass wir bei diesen Verhandlungen mit der Sprache, beim Bleiben und Bewältigen ihrer komplexen Belastungen, tatsächlich unsere Identitäten zurückfordern können, Solidaritäten aufbauen und uns gegenseitig anerkennen.
Fiza Khatri: „Naya Pakistan III“ (2018) | Foto: Humayun Memon