„Worlds of Homelessness“
Das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht
Das Goethe-Institut Los Angeles organisierte Ende Oktober eine viertägige Veranstaltung unter dem Titel „Worlds of Homelessness“. Lokale und internationale Vertreter*innen aus Wissenschaft, Aktivismus, Kunst und Architektur trafen sich mit ehemaligen oder noch obdachlosen Menschen in Downtown Los Angeles zu gemeinsamen Gesprächen.
Von Catherine G. Wagley
„Worlds of Homelessness“ wurde im Skid Row History Museum and Archive eröffnet, welches von der Gemeinschaft für Performancekunst Los Angeles Poverty Department, abgekürzt LAPD, betrieben wird. Der Künstler John Malpede, der das LAPD Mitte der 1980er Jahre gründete, arbeitet mit den kreativen Köpfen der Einwohner*innen in Skid Row (Stadtteil in L.A.) zusammen, wo die Anzahl der Obdachlosen der Stadt sehr hoch ist. Das Museum und Archiv wurde 2015 von der Gemeinschaft gegründet und stellte den idealen Treffpunkt für die Eröffnung der Veranstaltung – und später deren Abschluss – dar, da dort davon ausgegangen wird, dass die Einwohner*innen von Skid Row das Wissen und die Fachkenntnisse besitzen, ihre erlebten Erfahrungen zu dokumentieren und für die Nachwelt zu erhalten.
Wie sprechen wir über Obdachlosigkeit?
Eröffnet wurde „Worlds of Homelessness“ am 22. Oktober mit dem Panel „Framing the Issue“. Darin ging es um unseren Sprachgebrauch, den wir anwenden, um über Obdachlosigkeit zu sprechen, einschließlich der Frage, ob „obdachlos“ überhaupt ein geeigneter Begriff sei. Zudem wurde auf Faktoren aufmerksam gemacht, die zu der weltweit schwierigen Lage bei Wohnraum beitrügen. Ananya Roy vom UCLA Institute on Inequality and Democracy sprach über die Kriminalisierung der Armut. Barbara Schönig, Direktorin des Institutes für Europäische Urbanistik der Bauhausstadt Weimar, diskutierte die Enteignung der Deutsche Wohnen in Berlin, eine öffentliche Erhebung gegen gewerbliche Privateigentümer*innen. Der Künstler, Wandmaler und Unternehmer Crushow Herring, selbst Einwohner von Skid Row, beschrieb das Leben als Obdachloser als Ablehnung durch das System, das Rassen diskriminiere und Armut zum Verbrechen erkläre. Michele Lancione, Experte der urbanen Ethnographie und Aktivist der Universität Sheffield, argumentierte, dass sich unser gemeinsames Verständnis – einschließlich der eingeschränkten Art und Weise, in der wir uns oft über Obdachlosigkeit unterhalten – ändern müsse, wenn wir uns eine integrativere Zukunft wünschten. Nach Beendigung des Panels sorgten die L.A. Playmakers, eine Band, die selbst zur Gemeinschaft von Skid Row gehört, bis kurz vor Mitternacht für musikalische Untermalung.
Ab wann gilt Lebenserfahrung als Fachwissen?
Am 23. Oktober trafen sich alle Geladenen der Konferenz und ein öffentliches Publikum im NAVEL, einem kollektiven Kulturort, am südwestlichen Stadtrand von Downtown zu Filmvorführungen und einer Diskussionsrunde zur Klärung der Frage, wie man sich in der Kunst mit Obdachlosigkeit auseinandersetzen kann. John Malpede, Künstlerin Henriette Bouwers und LAPD-Mitwirkender Walter Fears sprachen darüber, wie das LAPD Performancekunst nutzt, um Diskussionen zu regionaler und nationaler Politik anzuregen, die das Leben der Einwohner*innen von Skid Row beeinflussen. Der Schauspieler und Wissenschaftler Licko Turle beschrieb, wie Straßentheater und soziale Bewegungen in der Gemeinschaft der Obdachlosen in Salvador, Brasilien ineinandergriffen. Fabian Debora, Künstler in L.A. und geschäftsführender Direktor der von Homeboy Industries betriebenen Kunstakademie Somos LA Arte, beschrieb seine eigene Reise von Sucht und Kunst und stellte die Frage, ab wann Lebenserfahrung als Fachwissen anerkannt würde. Diese Frage führte zu zustimmendem Applaus.
Am 24. Oktober fand an der Architekturschule SCI-Arc ein Panel mit den Architekten Darin Johnstone aus Los Angeles, Alexander Hagner aus Wien, Thorsten Deckler und Tebogo Ramatlo aus Johannesburg, Südafrika, sowie Ana Elvira Vélez aus Kolumbien statt. Die Teilnehmer*innen stellten ihre abgeschlossenen Projekte vor und diskutierten über verschiedene Denkweisen zu bezahlbarem Wohnraum. Die einzige Veranstaltung, zu der keine ehemaligen oder derzeitigen Obdachlosen geladen waren, endete in hitzigen Debatten über den Sprachgebrauch, den wir zur Beschreibung der Obdachlosigkeit verwenden, sowie über die Art und Weise, wie wir uns zum Thema Geld in der Welt und der Stadt, trotz großer Kluft zwischen Arm und Reich, äußerten.
Was muss sich ändern, um das Recht auf Wohnraum sicherzustellen?
Wieder zurück im Skid Row History Museum and Archive endete das Projekt „Worlds of Homelessness“ schließlich am 25. Oktober. Zum abschließenden Panel waren zwei Wissenschaftlerinnen geladen, die zum Mangel an verwertbaren, teilbaren Daten zu weltweiten Obdachlosenzahlen sprachen: Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), und Hilary Silver von der Universität George Washington, beide eingeladen durch das Thomas Mann House. Zusammen mit Cristina Cielo von der Latin American Faculty for Social Sciences in Quito, Ecuador, sowie Charles Porter vom United Coalition East Prevention Project in L.A. besprachen sie Möglichkeiten zur Selbstorganisation und zur Ermächtigung benachteiligter Gemeinschaften. Die folgenden Gespräche waren umfangreich und notwendig, wobei es erneut darum ging, wie sich sowohl die Mentalitäten als auch Regierungssysteme und das Kapital ändern müssten, um das Recht auf Wohnraum sicherstellen zu können.
Das jährliche Festival des LA Poverty Department für sämtliche Künstler*innen Skid Rows stellte den Abschluss der viertägigen Veranstaltung dar. Dieses Festival ist ein kulturelles Volksfest der Gegend, an dem die Gäste von „Worlds of Homelessness“ teilnahmen.