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„The Burden of Memory“
Endlich mit dem Gespräch anfangen

Während der Kulturwoche „The Burden of Memory“ in Yaoundé
Während der Kulturwoche „The Burden of Memory“ in Yaoundé | Foto: Yvon Yamsi

Wie afrikanische Künstlerinnen und Künstler die deutsche Kolonialgeschichte sehen, wurde deutlich in der Kulturwoche „The Burden of Memory“, organisiert von den Goethe-Instituten der Region Subsahara-Afrika, in Kameruns Hauptstadt Yaoundé.

Von Vladimir Balzer

In Kameruns Hauptstadt Yaoundé kamen vergangene Woche mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler aus neun afrikanischen Ländern zusammen, um die deutsche Kolonialzeit aufzuarbeiten. Überschrieben mit Begriffen wie Last, Trauer, Erinnerung, Widerstand, Zurückeroberung, Neuerfindung wurde diskutiert, performt, gespielt oder einfach nur einander zugehört. Immer wieder war zu spüren: Der Bedarf nach Auseinandersetzung und nach dem gegenseitigen Verstehen ist immens. Das Programm bestimmten drei afrikanische Kuratorinnen: Nontobeko Ntombela aus Südafrika, Rose Jepkorir Kiptum aus Kenia sowie Prinzessin Marilyn Douala Manga Bell aus Kamerun. Die eingeladenen Künstler*innen kamen bis auf wenige Ausnahmen aus Afrika. Das Goethe-Institut initiierte, organisierte, aber hielt sich sonst im Hintergrund, was auch auf geteiltes Echo stieß. Einige afrikanische Akteur*innen hätten sich mehr deutsche Stimmen gewünscht, aber die blieben ganz bewusst stiller, denn das, was hier passierte, war eine sehr moderne Art der Aufarbeitung: ohne eigene Agenda, sondern mit dem Willen zu verstehen und zu vernetzen.

Generalsekretär Johannes Ebert im Gespräch mit zwei Teilnehmer*innen Generalsekretär Johannes Ebert im Gespräch mit zwei Teilnehmer*innen | Foto: Y. Aboueme

Verbindendes Thema für gemeinsame Projekte

Bemerkenswert: Viele der eingeladenen Künstlerinnen und Künstler kamen auf der Veranstaltung zum ersten Mal in Kontakt und begannen, erste gemeinsame Projekte zu planen. Die Künstlerinnen und Künstler haben dabei ein verbindendes Thema: das gemeinsame Schicksal, von der deutschen Kolonialmacht unterdrückt worden zu sein. Während in Namibia die schlimmsten Gräuel stattfanden, ging die Kolonialmacht in Kamerun – vergleichsweise – weniger zerstörerisch vor. Die Deutschen spielten damals die vielen zersplitterten Volksgruppen gegeneinander aus und schwächten auf diesem Weg ihre Widerstandskraft. Die Kolonialherren investierten, bauten Schienen und Straßen und schlossen sogar rechtsgültige Verträge mit örtlichen Repräsentanten. Dieser Umstand und das härtere Regime der späteren Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien ließen fast eine Art Deutschland-Nostalgie entstehen, wie eine der Kuratorinnen, Prinzessin Marilyn Douala Manga Bell, erklärt: „Die Deutschen hatten Regeln, an die konnte man sich halten.“ Die Nachkommin des prominenten Widerständlers Rudolf Manga Bell stellt fest: Die Kameruner*innen setzten sich mit ihrer Geschichte vor der Unabhängigkeit nicht auseinander. Sie werde verdrängt, auch deshalb, weil kollaborierende Politiker von damals heute als greise Männer immer noch Einfluss hätten und den Diskurs bestimmten.

Performance in Yaoundé Performance in Yaoundé | Foto: Yvon Yamsi

Die Last der Geschichte

Genau damit konnten sich aber die jungen Künstler*innen bei dieser Kulturwoche nicht abfinden. Sie wollen endlich verstehen, was damals passierte und was das für ihre Zukunft bedeutet. Dafür begeben sie sich auf die Spuren ihrer Vorfahren oder entdecken Trauer- und Reinigungsrituale neu. Etwa wenn der kamerunische Performer Chistian Etongo in „After Tears“ die anwesenden Deutschen mit auf die Bühne bittet, um sich mit ihnen gemeinsam tanzend von der Last der Geschichte reinigen zu können. Ganz so wie es der Titel dieser Kulturwoche sagt: „The Burden of Memory“. Wobei im Laufe dieser Woche klar wurde: Es ist eine gemeinsame Last, die der Nachfahren der Kolonialherren wie der Nachfahren der Opfer. Zuweilen wurde aber auch angeklagt. Etwa in dem sehr persönlichen Film der Kamerunerin Sylvie Njobati, in dem sie sich auf die Spurensuche einer Statue des westkamerunischen Volkes der Nsu gemacht hat, dem sie selbst angehört. Für die Kolonialherren war es eine exotische Figur mit ihren aufgerissenen Augen, den langen Ketten-Ohrringen und dem muschelbesetzen Körper. „Für das Volk der Nsu ist diese Figur heilig“, berichtet sie, „sie repräsentiert den spirituellen Kern unseres Volkes.“

Fragen aus dem Publikum Fragen aus dem Publikum | Foto: Yvon Yamsi

Endlich über die Kolonialzeit sprechen

Jetzt befindet sich die Statue im Depot des Ethnologischen Museums in Berlin und könnte ins Humboldt Forum kommen. Der kamerunischen Volksgruppe wurde von deutscher Seite angeboten, eine Kopie der Figur zu bekommen – das nützt ihr allerdings wenig. Auch die namibische Künstlerin Trixie Munyama ist hörbar erbost: „Weder unsere Vorfahren noch wir Jüngeren konnten trauern. Wir hatten keinen Raum, um das Trauma der Kolonisierung heilen zu können.“ Künstlerinnen wie sie fordern ein, was dringend nötig ist: endlich über die Verheerungen der Kolonialzeit zu reden, sich zu öffnen. Und dabei gilt für ein autokratisch regiertes Land wie Kamerun ganz besonders, die geschlossenen Räume zu verlassen. Performances auf der Straße im Zentrum der Stadt, aber auch in sozial angespannten Vierteln zogen viele Neugierige an. Und am Rande, immer beobachtend: die Deutschen. Leiter*innen von Goethe-Instituten in Ruanda, Namibia und Südafrika waren angereist.

Generalsekretär Johannes Ebert (Mitte) mit Institutsleiter Fabian Mühlthaler (rechts neben ihm) sowie den Kuratorinnen und Teilnehmer*innen von „The Burden of Memory“ Generalsekretär Johannes Ebert (Mitte) mit Institutsleiter Fabian Mühlthaler (rechts neben ihm) sowie den Kuratorinnen und Teilnehmer*innen von „The Burden of Memory“ | Foto: Y. Aboueme

Die Antwort kommt aus Afrika

Auch Johannes Ebert, der Generalsekretär des Goethe-Instituts, war bei der Veranstaltung dabei. Er konnte und wollte Nervosität darüber, im Plenum über das Thema zu sprechen, nicht verhehlen. „Es ist ein sehr sensibler Vorgang“, meinte er und sprach damit an, was viele afrikanische Teilnehmer*innen beschäftigte: Warum müssen erst die Deutschen kommen, ausgerechnet die alten Kolonialherren, um den Nachkommen der Opfer eine Geschichtsaufarbeitung zu ermöglichen? Johannes Ebert versteht das Goethe-Institut dabei allerdings weniger als Agendasetter, sondern als Ermöglicher. Er betonte die Kraft der Kunst für die Aufarbeitung, das habe die deutsche Geschichte gezeigt. Heute spürt Ebert die deutsche Verantwortung für die Untaten im deutschen Namen. Diese Verantwortung solle nun auch für das ausgeweitet werden, was in den Kolonien geschah. Für ihn ergeben sich dabei aber vor allem Fragen und kaum Antworten: „Was können wir Deutschen tun?“, fragt er auf einem Podium. Und er weiß auch schon, woher die Antwort kommen muss: „Einzig und allein aus Afrika.“

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