Bicultural Urbanite Brianna
Abkühlungs-Angst: Wie Deutsche und Australier die Hitze bekämpfen
Die Hitzewelle in Europa hat Berlin 2018 in Atem gehalten. Die Stadt ist einfach für heißes Wetter nicht gemacht. Es gibt zwar in der Umgebung viele Seen zum Abkühlen, aber so gut wie niemand hat zuhause eine Klimaanlage. Selbst ein einfacher Ventilator ist für viele Deutsche keine brauchbare Alternative, um für Erfrischung zu sorgen, wenn der Sommer in vollem Gang ist. Grund dafür ist der weitverbreitete Glaube, dass Zugluft krank macht und um jeden Preis verhindert werden muss.
Von Brianna Summers
Letzten Sommer haben die Temperaturen in unserer Wohnung 30 Grad erreicht. Als das Thermometer diesen Juni wieder zu steigen beginn, haben mein Ehemann und ich uns mit unserem zuverlässigen Standventilator bewaffnet und uns verschanzt in der Erwartung, dass eine weitere Hitzeperiode bevorsteht. Wie ein treues Schoßhündchen folgt uns unser Ventilator in der ganzen Wohnung, von der Küche, durch das Wohnzimmer bis zum Schlafzimmer und wieder zurück.
Ich bin in Australien aufgewachsen, und dort hat mich mein kulturelles Umfeld gelehrt, dass Ventilatoren und Klimaanlagen tolle Dinge sind, um das Leben in den Sommermonaten angenehmer zu machen. Eine Klimaanlage, die kalte Luft in ein Auto bläst? Großartig. Mit nassen Haaren vor einem Ventilator sitzen? Fabelhaft. Hingegen habe ich in Deutschland festgestellt, dass einige Menschen Angst vor Zugluft haben und glauben, dass sich dadurch der Nacken versteift und Grippesymptome hervorrufen werden. Nicht alle Deutschen sehen das so; aber der Gedanke scheint innerhalb von Familien weitergegeben zu werden wie Hausrezepte und Erbstücke.
Mein deutscher Freund Christian ist mit dieser Idee von gefährlichen Zugluft aufgewachsen. Erst durch längere Auslandsaufenthalte hat er die Vorzüge einer Klimaanlage zu schätzen gelernt. Dennoch bleiben seine Eltern wachsam im Kampf gegen den Luftzug: „Mein Vater beharrt darauf, beim Autofahren einen leichten Schal zu tragen – und das, obwohl es ein kleines Auto ist und kein Cabriolet. Sein Argument ist, dass er ansonsten von dem Luftzug Halsschmerzen bekommen würde, wenn das Fenster im Auto ein kleines Stückchen geöffnet ist. Deshalb bedecken meine Eltern im Sommer auch gern ihre Köpfe, wenn sie zugige Umstände erwarten, wie in einem Auto, mit laufender Klimaanlage oder im Zug.“
Überraschungs-Bikram
Meine Yogalehrerin teilt diese Zugluftphobie. Neulich hat sie unseren frühmorgendlichen Kurs aus Versehen in eine siedend heiße Bikram-Session verwandelt, um uns vor dem entsetzlichen Effekt der Zugluft zu schützen. Nach einer Reihe von mörderisch heißen Sommertagen erlebten wir in Berlin eine willkommene Abkühlung und ich habe mich entschieden, das Risiko einer weiteren Yogastunde auf mich zu nehmen. Als ich um 7.30 Uhr morgens ankam, war ich überrascht, dass alle Fenster lediglich gekippt waren und die Hitze der letzten Tage noch immer im Raum stand. Nach zahlreichen heißen und schlaflosen Nächten, sah es danach aus, dass ich eine weitere Stunde stickiger Hitze ertragen müsse. „Na gut“, dachte ich, „immerhin kommt ein bisschen frische Luft rein.“
Wie wir uns am liebsten abkühlen, scheint je nach kultureller Einflüssen und individuellen Präferenzen zu variieren. Die köstliche kalte Brise des Einen ist eine potenzielle Gefahr für einen Anderen. Sogar das Rote Kreuz bestätigt, dass die Aversion gegen Zugluft eine kulturelle Eigenart ist. Diesen Sommer hat sich ein Tweet über Tipps zur Bekämpfung der Hitze zum viralen Hit entfaltet: „Öffnet alle eure Fenster und schaltet eure Ventilatoren an! Zugluft ist nicht schädlich, nur die Deutschen glauben daran.“ Wer hätte gedacht, dass Abkühlung so ein heißes Thema ist?