Bicultural Urbanite Brianna
Post apokalyptisch
Vor einiger Zeit erhielt ich eine Benachrichtigungskarte der Deutschen Post, die mich darüber informierte, dass in meiner Postfiliale ein Päckchen auf mich wartete. „Komisch“, dachte ich, „ich habe doch in letzter Zeit gar nichts im Internet bestellt ... und Geburtstag habe ich auch nicht.“ Bizarrerweise schien der Absender des Päckchens die Deutsche Post selbst zu sein. Meine Versuche, dieses mysteriöse Geschenk abzuholen, arteten in eine Odyssee durch die bürokratische Unerbittlichkeit der ‚Servicewüste Deutschland‘ aus.
TEIL I: WIE MAN IN SIEBEN EINFACHEN SCHRITTEN SEIN PAKET (NICHT) VON DER POST ABHOLT
1. Man gehe zur Postfiliale und lege die Benachrichtigungskarte samt australischem Führerschein einer schmallippigen Mitarbeiterin vor, die einem erklärt, man solle mit seinem Pass wiederkommen, und sichtbar genervt ist, dass man nicht verstanden hat, wie das System funktioniert.2. Man kehre am darauffolgenden Tag zur Postfiliale zurück und lege die Benachrichtigungskarte und seinen australischen Pass vor. Auf die Mitteilung des Mitarbeiters, das System akzeptiere nur deutsche Personalausweise, erkläre man, dass man keine Deutsche sei und daher nicht über einen deutschen Personalausweis verfüge. Der Mitarbeiter beharrt darauf, dass er das Paket nicht aushändigen könne.
3. Man rufe die Deutsche Post unter der auf der Benachrichtigungskarte angegebenen Telefonnummer an. Ein Callcenter-Kundenberater informiert einen, dass man als Nicht-Deutscher sein Paket selbstverständlich mit Hilfe seines Passes abholen könne. Herr Callcenter bittet darum, mit Herrn Mitarbeiter sprechen zu dürfen, und fordert einen auf, diesen unter Umgehung der Warteschlange an den Apparat zu holen.
4. Man umgehe, begleitet von hörbar empörtem Gemurmel und bitterbösen Blicken, die Warteschlange. Man erkläre die Situation Herrn Mitarbeiter, der sich dann prompt weigert, das Handy in die Hand zu nehmen und mit Herrn Callcenter zu sprechen.
5. Man agiere als Vermittlerin in aussichtslosen Verhandlungen zwischen zwei Angestellten der Deutschen Post.
6. Man lege auf, stelle sich erneut an und richte einen letzten Appell an Herrn Mitarbeiter.
Ich: „Weil ich keine deutsche Staatsbürgerin bin, gibt es also absolut keine Möglichkeit, dieses Paket von einer Postfiliale abzuholen?“
Herr Mitarbeiter: „Nein.“
Ich: „Ich muss also deutsche Staatsbürgerin werden, um das Päckchen abzuholen?“
Herr Mitarbeiter: „…“
7. Man verlasse unverrichteter Dinge die Postfiliale.
TEIL II: ZURÜCK ZUM ABSENDER
Was zum Teufel war in diesem Päckchen? Versuchte Edward Snowden, mir hochsensibles Material zu schicken? Würde ich meine australische Staatsbürgerschaft abgeben und Deutsche werden müssen, um meine Post abzuholen?Nach diesem fehlgeschlagenen Versuch wurde das Päckchen an den Absender zurückgeschickt. Ein weiterer Anruf bei der Deutschen Post enthüllte, dass es sich bei der Sendung „vermutlich bloß um Werbung“ handelte. Werbung, die man nur mit Identitätsfeststellung abholen konnte? Das war eine ganz neue Dimension des deutschen Behördendschungels, die mir bisher noch nicht untergekommen war.
Das Callcenter bestätigte mir außerdem, dass Nicht-Deutsche solche Sendungen nur erhalten können, wenn sie zuhause sind und das Päckchen direkt bei der Auslieferung entgegennehmen können. Wenn man nicht zuhause ist und es wieder auf der Post landet, tja, Pech gehabt, Ausländer!
TEIL III: ES IST NICHT ALLES GOLD, WAS GLÄNZT
Als dann eine weitere postalische Benachrichtigungskarte in meinem Briefkasten landete, bat ich meinen deutschen Freund Stefan, mich in einem letzten Versuch, das Geheimnis des mysteriösen Pakets äußerster Verwirrung zu lüften, zur Post zu begleiten. (Was im Übrigen, glaube ich, auch der Name des letzten Harry-Potter-Bandes ist.) Ich füllte sorgfältig die Bevollmächtigung aus, die ihn autorisierte, das Päckchen für mich abzuholen, und lümmelte dann draußen vor der Filiale herum, für den Fall, dass Herr Mitarbeiter mich erkennen, und somit unseren sorgfältig ausgeklügelten Plan zu vereiteln. Als Stefan schließlich siegreich das Gebäude verließ, rissen wir das Päckchen auf, und zum Vorschein kam – eine DHL-Goldcard. Aber was ist nun wieder eine DHL-Goldcard? Gute Frage. Ich hatte keine Ahnung, denn ich hatte definitiv keine bestellt.Und so funktioniert das: Die Betrüger bekommen jemandes Adressdaten in die Hände und bestellen für den Betreffenden eine DHL-Goldcard. Nachdem man sie abgeholt hat (vorausgesetzt, man ist deutscher Staatsbürger und kann deshalb in diesem Land identitätsüberprüfte Post in Empfang nehmen), steht ein angeblicher DHL-Mitarbeiter vor der Haustür, um die Karte mit der Behauptung, sie sei versehentlich geschickt worden, wieder abzuholen. Die Betrüger können die Karte dann irgendwie für Onlinebestellungen benutzen, und das Betrugsopfer erhält die Rechnung. Zum Glück hat bis dato noch kein solcher falscher DHL-Fuzzi an meine Tür geklopft.
Und so fand die Affäre ihr Ende. Die Polizei wurde verständigt, die DHL-Goldcard vernichtet. Und die Moral von der Geschichte? Wer in Deutschland eine postalische Betrugsmasche aufziehen möchte, mit der er auch Ausländer zu schröpfen gedenkt, sollte seine Pläne ohne Identitätsfeststellung machen.