Bicultural Urbanite Luke
Unheimlich Schön: Berlin in 35mm
So sehr Berlin für seine zahlreichen immateriellen Qualitäten gepriesen wird, so sehr leidet es hinsichtlich seines visuellen Charakters doch oft unter einem schlechten Ruf. Und auf den ersten touristischen Blick ist dieser vielleicht auch nicht ganz unbegründet. In Ermangelung des majestätischen Prunks von Städten wie Paris oder Rom oder des atemberaubenden Anblicks der meisten modernen Metropolen und ihrer Wolkenkratzer wird Deutschlands Hauptstadt oft vorschnell als eintönige, flache und unübersichtliche Betonwüste abgeschrieben – ein krudes architektonisches Sammelsurium, das von seiner düsteren Geschichte schwer gezeichnet und völlig unreglementiert der Asche entstiegen ist.
Dabei ist es gerade die bunt zusammengewürfelte Natur der Berliner Stadtlandschaft, die sie zu etwas so Besonderem macht. Und wer sich die Zeit nimmt, sie zu entdecken, lernt zu würdigen und sogar zu schätzen, wie unheimlich schön sie im wahrsten Sinne des Wortes ist. Sie mag hier und da an David Lynch erinnern, stellenweise desolat wirken und insgesamt vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig sein. Nichtsdestotrotz hat die architektonische Verschmelzung stilistisch grundverschiedener Nachkriegszeiten, ausgebreitet vor der düsteren Kulisse imposanter Gebäude aus der Sowjet-Ära, etwas seltsam Faszinierendes.
Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie sich vor einem solchen Hintergrund der raue, grüblerische Sound der Berliner Post-Punk-Ära und ihrer Weiterentwicklungen herausbildete.
,Mein‘ Berlin ist eine berauschende, potente Mischung aus all diesen visuellen Elementen – eine unverhoffte Muse der Magie ebenso wie der Schelmerei. Es ist ein Tableau, das vergessene Urtriebe und tief begrabene Emotionen wieder entfacht und einen direkt in die Magengrube trifft. Von Bandproben in den eindrucksvollen Radio-Studios im Funkhaus Berlin, die noch aus DDR-Zeiten stammen, über ziellose Umwegsfahrten mit der S-Bahn, die über spektakulär gefrorene Wasser und düstere Industriegebiete hinwegschwebt, bis hin zu angeheiterten Zusammentreffen in den Sci-Fi-artigen U-Bahnstationen der Sozialbauviertel und Ausflügen zu wunderbar idiosynkratischen Museen – das ist das Berlin, das ich kennen und lieben gelernt habe.
Text Luke Troynar; Bilder Isabelle Beyer