Comic-Reihe „Michel Vaillant“
Neustart für Michel Vaillant

Nach 55 Jahren und 70 Alben legt die Comic-Reihe „Michel Vaillant“ einen Neustart hin. Die Serie, die bei Autosportfans mindestens genauso beliebt ist wie bei Comic-Lesern, bekam ein grafisches und inhaltliches Make-over. Jetzt startet die, wie die Macher es nennen, „zweite Saison“ mit einer komplett neuen Nummerierung.

Michel Vaillant entstand Ende der 1950er-Jahre auf den Seiten des legendären Comic-Wochenblatts Tintin-Kuifje und wurde zu einer der beliebtesten Serien des Hefts. Auch international war der Comic sehr erfolgreich, unter anderem auf dem großen deutschen und spanischen Markt. Nachdem die letzten Jahrzehnte aber eher mager ausgefallen waren, beschloss Philippe Graton, der die Reihe von seinem Vater Jean übernommen hat, Tabula rasa zu machen. Vor fünf Jahren erschien das letzte reguläre Album. In der Zwischenzeit engagierte Graton mit dem Texter Denis Lapière und dem Zeichnern Marc Bourgne und Benjamin Beneteau ein komplett neues, erfahrenes Team. Dieses sollte der Serie eine deutlich erwachsenere Gestaltung verpassen, die zur deutlich älteren Leserschaft von heute passt.

Figuren bekommen neues Profil

Michel Vaillant
Michel Vaillant | © Graton Editeur/Dupuis, 2013
Die Rennszenen mit den charakteristischen Lautnachahmungen („Vrrrroooaaaar“) wurden kaum verändert. Der große Unterschied liegt in den Figuren. Die etwas schablonenhaften Charaktere von früher wurden zu menschlicheren Figuren, die auch Fehler machen. Besonders auffällig ist gleich in der ersten Geschichte die Rolle von Patrick Vaillant, dem Sohn von Michel Vaillant. Nicht umsonst trägt dieses Buch den Titel In de naam van de zoon (Im Namen des Sohnes). Bisher spielte Patrick nur eine Nebenrolle in einer Kurzgeschichte.

„Manchmal macht man einen Weg frei, den man dann später doch nicht einschlägt“, sagte der hochbetagte Jean Graton, (der sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hat), noch im Jahr 2007. „Für die Kurzgeschichten des Jubiläumsalbums zum 20-jährigen Geburtstag von Michel Vaillant ließ ich seinen Sohn das Licht der Welt erblicken. Die Idee, während eines Rennens anstelle der Zwischenzeiten den Namen und das Gewicht des Sohnes auf den Schildern erscheinen zu lassen, war einfach zu schön. Erst versteht Michel nicht, was auf dem Schild steht, und als er es schließlich begreift, schießen ihm die Tränen in die Augen. Aber später habe ich mit dem Sohn nichts mehr gemacht.“ Das übernimmt jetzt das neue Team, innerhalb der von Philippe Graton gesetzten Grenzen. Das neue Album dreht sich beinahe ausschließlich um die Beziehung zwischen Vater und Sohn.

Auch auffallend: In der Neuauflage tauchen verschiedene Frauen mit einem viel glaubwürdigeren und erwachseneren Charakter als früher auf. Dass in der ersten Serie relativ wenig Frauen vorkamen, hat seine eigenen Gründe: „Es gehörte zum Stil des Herausgebers von Tintin-Kuifje, dass Frauen brav und auf keinen Fall sexy sein sollten“, so Graton. „Das geschah im Auftrag des Leiters des Kardinals Mercier College in Eigenbrakel, der dem Vorstand von Le Lombard angehörte. Die Leitung schrieb uns vor, brave Frauen zu zeichnen, ohne kurze Röcke und nicht zu sexy. Schließlich sollten Kinder das Buch lesen können!“

„Fünf Jahre später fuhr ich einen Ferrari“

Die neue Reihe erscheint jetzt im Dupuis-Verlag. Damit kehrt die Familie Graton zurück zu ihrem Anfang, nachdem sie die Serie 30 Jahre lang selbst herausgegeben hat. Damit ist auch der vorläufige Endpunkt einer langen Herausgebergeschichte mit vielen Hindernissen erreicht. Graton war der erste große Comic-Macher Belgiens, der seine Comics selbst herausgab. Anfangs erschienen die Alben der Reihe beim Verlag Le Lombard, der auch das Wochenblatt Tintin-Kuijfje herausgab. Graton hatte eine schwierige Beziehung zu Raymond Leblanc, dem Leiter und Eigentümer des Verlags. „Als ich ein paar Geschichten für Tintin-Kuijfje gezeichnet hatte, wurde ich zu Leblanc gerufen. „Graton“, sagte er, „ wenn du bei uns exklusiv zeichnen möchtest, sorge ich dafür, dass du innerhalb von fünf Jahren einen Ferrari fährst.“ Und er hat Wort gehalten. Fünf Jahre später fuhr ich einen Ferrari. Ich durfte seinen ab und zu ausleihen. Das ist wirklich die schönste Geschichte aus meiner Karriere. Und ich schwöre es Ihnen, so ist es wirklich passiert.“

Nach einem Bruch erschienen erst ein paar Alben beim Konkurrenten Dargaud, woraufhin Graton seine Serie bei Zack unterbrachte, einem Comic-Blatt mit Verlag, mit dem der Axel Springer Verlag in den 1970er-Jahren den europäischen Comic-Markt erobern wollte. Als das Blatt gestoppt wurde, wurde der Katalog durch einen Brüsseler Comic-Verlag abgekauft, der schließlich in den Händen des Dupuis-Verlags landete. Abgekämpft beschloss Graton am Ende, die Bände selbst herauszugeben. Mit dem Wechsel zu Dupuis ist Michel Vaillant nach so vielen Jahren heute wieder bei einem der großen Comic-Verlage Belgiens beheimatet.

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