Felwine Sarr, Autor von „Afrotopia“ und zu Gast bei „Kinshasa 2050“, spricht über Polizisten in der Stadt und darüber, was passieren muss, damit der Kongo kulturell den Anschluss nicht verliert.
Felwine, du bist seit zwei Tagen in Kinshasa. Welche Begegnung oder Erfahrung hat dich am meisten beeindruckt?
Die erste Begegnung war die mit der Stadt. Wenn man eine Stadt noch nie besucht hat, dann stellt man sie sich vor, man erträumt sie. Bei der Ankunft war es dunkel, also habe ich nicht viel gesehen. Aber am nächsten Tage habe ich eine Stadt mit viel Platz entdeckt, mit großen zwei- und vierspurigen Straßen. Von meinem Hotel aus habe ich gesehen, dass die Straße sehr grün ist. Ich habe mir Kinshasa nicht so grün vorgestellt!
Und die zweite Erfahrung?
Die zweite Erfahrung war die Begegnung mit den Menschen, mit denen wir uns austauschen. Ich konnte die hiesige Kunstszene ein bisschen beobachten. Dinge, die unbedeutend scheinen: Die Art, wie sich die Menschen kleiden, welche Frisuren sie tragen. Dann die Art und Weise, wie die Leute sprechen und sich ausdrücken. Man spürt das Bedürfnis, die Sprache zu beherrschen und groß und eloquent zu erscheinen.
Außerdem beobachte ich in fremden Städten immer die Polizisten, wie sie mit ihren Armen den Verkehr regeln. Für mich ist das sehr aussagekräftig. Nicht nur die Art, wie die Polizisten gekleidet sind, sondern auch ihr Verhältnis zur Autorität, die ihnen gegeben ist und ob die Menschen diese Autorität respektieren oder nicht.
Während des Festivals „Kinshasa 2050“ hast du aus deinem Buch „Afrotopia“ vorgelesen, in dem du forderst, dass Afrika seinen eigenen Weg in die Moderne finden und keinem von außen kommenden Modell nacheifern soll. Wie wurde das Buch hier aufgenommen?
Seit einem Jahr reise ich mit „Afrotopia“ und habe mit sehr unterschiedlichen Menschen in Afrika und anderswo darüber diskutiert. In Bezug auf das Selbstwertgefühl habe ich den Eindruck, dass es hier noch viel zu tun gibt. Hier gibt es Fragen, die sich andernorts erübrigt haben. Hier in Kinshasa ist die Idee noch nicht ausreichend verankert: Die Idee, dass Afrika ein eigenes Zentrum braucht um sich zu entfalten. Das bedeutet nicht, dass man sich marginalisiert oder nicht auf andere Bezug nimmt. Aber der Ausgangspunkt für die Entfaltung ist das Eigene, die eigene Geschichte, die eigene Geografie, kurz: die eigenen kulturellen Ressourcen.
Welche Aktivitäten sollten Kulturakteure in Kinshasa – darunter das Goethe-Institut – anbieten, um diese Ideen mehr zu verankern?
Ich denke, dass mehr Künstler, Intellektuelle, Denker und Schriftsteller vom afrikanischen Kontinent hierher kommen sollten. Ich war in Paris, wo ich viele Menschen aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst getroffen habe. Ich habe festgestellt, dass alle diese Leute in diese Richtung denken: Es geht darum, Formen neu zu denken, Diskurse zu erneuern, enge Sichtweisen aufzubrechen und das Erbe des Kolonialismus hinter sich zu lassen. Diese Bewegung scheint mir sehr groß zu sein – ich habe das Gefühl, dass diese Dynamik hier noch nicht in Gang gekommen ist.
Du reist viel durch die Welt. Gibt es einen Ort, wo du noch nie gewesen bist, aber unbedingt hin willst?
Ich war noch nie in Japan und ich würde gerne dorthin reisen. Ich schätze die japanische Kultur sehr.
Welches Souvenir wirst du von Kinshasa nach Dakar mitbringen?
Normalerweise bringe ich keine Souvenirs mit, sondern ich behalte Sinneseindrücke. Ich beobachte sehr intensiv, ich sauge mich voll. Ich weiß, dass ich in der kurzen Zeit, die ich hier bin, nicht alles sehen kann. Es ist deshalb nicht meine Absicht, die Stadt umfassend zu entdecken. Vielmehr nähere ich mich ihr über intensive Sinnesempfindungen. Ich versuche, den Puls und den Rhythmus der Dinge zu erfassen. Ich bin immer sehr aufmerksam.
Kannst du Kinshasa in drei Worten beschreiben?
Brodelnd, altmodisch, bunt.