HomFam
Choregrafie und Tanz
Kreativer Tanz: Hom/Fam - die Forderung nach Transidentität auf der Bühne
Plakativ, demonstrativ und fordernd: Das choreografische Stück der vier jungen schwulen Tänzer und Darsteller von der Elfenbeinküste stigmatisiert auf der Bühne LGTBQI+-feindlichen Vorurteile. Eine gewagte Premiere eines künstlerischen Werks, das sich offen militant für ein schwulenfreundlicheres soziales und künstlerisches Umfeld einsetzt.
Wann wird sich die ivorische Gesellschaft dazu entschließen, die Frage der Freiheit von LGTBQI+-Personen offen anzusprechen? Wie weit wird die Verweigerung der Anerkennung dieser Männer und Frauen, Brüder und Freunde, mit denen man zusammenlebt und die jeder akzeptiert oder nicht, führen? Während die Debatte hier anhand von Beispielen für die Öffnung oder Bestrafung dieser sexuellen Identität im Ausland, die in den Fernsehnachrichten gezeigt werden, geführt wird, muss festgehalten werden, dass auf nationaler Ebene aktivistische Initiativen so gut es geht versuchen, unabhängig dessen, was die öffentliche Meinung sagt, zu dieser notwendigen Debatte einzuladen. Dies ist der Anlass und der Sinn des choreografischen Stücks "Hom/Fam" von vier jungen, offen schwulen Tänzern und Interpreten, das im März 2023 im Goethe-Institut in Abidjan uraufgeführt wurde. Die Uraufführung dieser Transgender-Choreografie fand im Rahmen der Förderung und Koproduktion des Werkes durch den Fonds A(rt )Venir der deutschen Kulturinstitution statt. "Dieses Stück ist unsere Antwort auf die Ablehnung und Marginalisierung, die LGTBQI+-Personen wie wir in Afrika im Allgemeinen und in unserem Land im Besonderen erfahren", erklärten Kevin Koffi, genannt Taiba, und Lambert Kouamé klar und deutlich zu den Beweggründen für ihr Werk. Zusammen mit ihren Kollegen Noël Adepaud und Serge Séméné bilden Taïba und Lambert die gleichnamige Compagnie Hom Fam, die sich dieses mutige Projekt vorgenommen hat. Gender-Choreografien, die das Weibliche und das Männliche hinterfragen, sind für die beiden nicht neu. In ihrer jeweiligen Laufbahn als Tänzer haben sie sich bereits mehr oder weniger mit der Frage im Rahmen ihres künstlerischen Schaffens auseinandergesetzt. Für Taïba beispielsweise materialisierte sich diese Auseinandersetzung mit seiner Identität in dem Stück "Qui suis-je?", dem Thema seiner Masterarbeit im Fach Tanz am Institut National Supérieur des Arts et de l'Action Culturelle (INSAAC) im Jahr 2015. "Spott, Sabotage und Verrat, die ich in dieser Phase erlebt habe, haben mich nicht in meinem Willen gebremst, meine Empfindungen auszudrücken", erinnert sich der junge Mann mit Stolz. Er erhielt eine ehrenvollen Erwähnung bei der Bewertung seiner Arbeit, er habe "seinen choreografischen Vorschlag mit Bravour verteidigt". Später bedauerte er, dass er nicht die nötige Unterstützung erhalten hatte, um weiterzumachen. Er ließ sich von den "Bösartigkeiten und Diskriminierungen der Szene" entmutigen und zog sich von der Bühne zurück.
Werte der freien Meinungsäußerung und des freien künstlerischen Schaffens im Fonds A(rt)venir
Die Initiative, seine Freunde zusammenzubringen und die Gruppe zu gründen, ging von Lambert Kouamé aus. Wie Noël Adepaud und Serge Séméné ist er in der Szene gut verankert: Castings, Compagnien, Festivals und Choreografie-Workshops, so dass er über sich bietende Möglichkeiten informiert ist. So kam es 2022 zu der Entscheidung, einen Antrag beim Fonds A(rt)Venir des Goethe-Instituts zu stellen und das Projekt Hom/Fam vom Projektmanager Georges Kouamé aufbauen zu lassen.
Der 2021 eingerichtete Fonds, der neue künstlerische Ausdrucksformen und vor allem junge Talente fördert, deren Themenrelevanz und künstlerische Qualität eine internationale Resonanz garantieren können, war "eine unverhoffte Unterstützung", die sie von einer nationalen Institution nie hätten erhalten können, wie die Künstler sagen. Die Werte der Meinungs- und künstlerischen Freiheit des Fonds A(rt)venir waren in gewisser Weise ein Glücksfall für diese marginalisierten Künstler. Die garantierte Freiheit ermöglichte ihnen, das Übel an der Wurzel zu packen und sich künstlerisch deutlich auszudrücken. Das Stück "Hom Fam", das die Choreografen als "Erfüllung" bezeichnen, löst symbolhaft den kollektiven Ras-le-bol der vier Transgender-Charaktere aus.
Das 43-minütige Stück stigmatisiert unterschiedlichste homophobe und LGTBQI+-feindliche Stereotypen, die in einer noch sehr konservativen ivorischen Gesellschaft mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. Ohne Hemmungen erobert es die eigene Identität durch Bewegungen zurück, indem es klassische ivorische Tänze dekonstruiert. "Wir wollten uns nicht verlieren", erklären Kevin und Lambert. „Unsere soziale Identität zu behaupten, bedeutet auch, unsere afrikanische und ivorische Kultur aufzuwerten." Daher die authentischen kulturellen Bezüge bei den Schritten, den Kostümen (z. B. der Ablakon, eine spirituell aufgeladene afrikanischer Lendenbedeckung), im Bühnenbild und in der Musik. In einer ironischen und auch grenzüberschreitenden Szene werden schwule Fußballspieler, liberale Selbständige und sogar schwule Geistliche dargestellt, um "dieses Ballett der Scheinheiligkeit anzuprangern, das es um die Existenz von LGTBQI+-Personen im Land gibt", spottet Taïba freundlich.
Die Gesten dieser natürlichen männlichen Körper beschränken sich auf Sanftheit und sinnliche Schönheit (je nachdem, wie man es sehen möchte) und werden transzendiert. Auf jeden Fall wird ein Hunger nach Ausdruck und Offenlegung auf klare und verständliche Weise gestillt, symbolisiert durch das krachende Zerbrechen der Canaris (der traditionellen Tongefäße), deren spirituelle Dimension greifbar ist.
Ein politisches Manifest
Aus der Überzeugung, dass zeitgenössischer Tanz zeitgenössischen Werte widerspiegeln muss, d. h. die Art und Weise, wie die Welt von heute gesehen wird, fordert "Hom/Fam" ganz offensichtlich zu einer ehrlichen Überprüfung der - heute sehr fluiden - Gender-Einteilung auf. Die Elfenbeinküste befindet sich derzeit in einer Position, in der sie weder neutral noch parteiisch gegenüber den LGTBQI+-Rechten ist. Dieser Status wird noch nicht bestraft, aber er ist auch noch nicht legalisiert. "Hom/Fam" ist eine klare politische Forderung, so die Macher. "Wir sind Tänzer. Das ist unsere Art, uns auszudrücken und unser Bedürfnis zu zeigen, dass wir in Harmonie mit der Welt leben möchten. Wir sind keine Untermenschen. Wir verlangen nicht unbedingt, dass man uns liebt. Wir verlangen einfach, dass man uns akzeptiert und uns respektiert", plädiert Kevin Koffi mit einem Kloß im Hals. Eine unbeschreiblich starke Darstellung ihrer ganzen intimen Persönlichkeit, für die sie Respekt fordern. Daher die Ablehnung des Abstrakten, der gewollt angeeignete - und vielleicht schockierend wirkende - expressive und demonstrative Ton, damit jeder Zuschauer des Stücks eine klare Vorstellung davon hat, worum es geht...
"Es sind mutige und engagierte junge Leute. Sie haben es geschafft, eine berührende Botschaft über einen kreativen und einfachen künstlerischen Ansatz zu vermitteln. Ob man die Sache, für die sie sich einsetzen, mag oder nicht, dieses Stück muss uns zum Nachdenken anregen", meint die Choreografin Ange Aoussou, Leiterin des Festivals Un Pas Vers l'Avant, die das Stück in ihrer Festivalausgabe 2022 auf dem Programm hatte, als es sich noch im Work in Progress befand.
Als militantes und avantgardistisches Stück kann sich "Hom/Fam" rühmen, eines der wenigen, wenn nicht sogar das einzige künstlerische Werk im französischsprachigen Westafrika zu sein, das auf der Bühne offen den Status von LGTBQI+ fordert und die Sache von LGTBQI+ in einem Land verteidigt, in dem der Aktivismus von LGTBQI+-Vereinigungen noch nie so ausdrucksstark war. Zu einer Zeit, in der Initiativen wie die der militanten NGO Gromo- die Herausgabe einer Fachzeitschrift, Meleagbo, - versuchen, dieser Gemeinschaft im Land Sichtbarkeit zu verschaffen. Mit diesem gewagten Werk erscheinen die vier Künstler legitimiert, auf der Titelseite dieses Magazins zu erscheinen. Sie warten darauf, auf den europäischen Bühnen gesehen und gehört zu werden, wo das Stück für Anfang 2024 im Rahmen einer internationalen Tournee angekündigt ist. Alles Gute für sie.
Kontakt HomFam: Georges Kouamé
Plakativ, demonstrativ und fordernd: Das choreografische Stück der vier jungen schwulen Tänzer und Darsteller von der Elfenbeinküste stigmatisiert auf der Bühne LGTBQI+-feindlichen Vorurteile. Eine gewagte Premiere eines künstlerischen Werks, das sich offen militant für ein schwulenfreundlicheres soziales und künstlerisches Umfeld einsetzt.
Wann wird sich die ivorische Gesellschaft dazu entschließen, die Frage der Freiheit von LGTBQI+-Personen offen anzusprechen? Wie weit wird die Verweigerung der Anerkennung dieser Männer und Frauen, Brüder und Freunde, mit denen man zusammenlebt und die jeder akzeptiert oder nicht, führen? Während die Debatte hier anhand von Beispielen für die Öffnung oder Bestrafung dieser sexuellen Identität im Ausland, die in den Fernsehnachrichten gezeigt werden, geführt wird, muss festgehalten werden, dass auf nationaler Ebene aktivistische Initiativen so gut es geht versuchen, unabhängig dessen, was die öffentliche Meinung sagt, zu dieser notwendigen Debatte einzuladen. Dies ist der Anlass und der Sinn des choreografischen Stücks "Hom/Fam" von vier jungen, offen schwulen Tänzern und Interpreten, das im März 2023 im Goethe-Institut in Abidjan uraufgeführt wurde. Die Uraufführung dieser Transgender-Choreografie fand im Rahmen der Förderung und Koproduktion des Werkes durch den Fonds A(rt )Venir der deutschen Kulturinstitution statt. "Dieses Stück ist unsere Antwort auf die Ablehnung und Marginalisierung, die LGTBQI+-Personen wie wir in Afrika im Allgemeinen und in unserem Land im Besonderen erfahren", erklärten Kevin Koffi, genannt Taiba, und Lambert Kouamé klar und deutlich zu den Beweggründen für ihr Werk. Zusammen mit ihren Kollegen Noël Adepaud und Serge Séméné bilden Taïba und Lambert die gleichnamige Compagnie Hom Fam, die sich dieses mutige Projekt vorgenommen hat. Gender-Choreografien, die das Weibliche und das Männliche hinterfragen, sind für die beiden nicht neu. In ihrer jeweiligen Laufbahn als Tänzer haben sie sich bereits mehr oder weniger mit der Frage im Rahmen ihres künstlerischen Schaffens auseinandergesetzt. Für Taïba beispielsweise materialisierte sich diese Auseinandersetzung mit seiner Identität in dem Stück "Qui suis-je?", dem Thema seiner Masterarbeit im Fach Tanz am Institut National Supérieur des Arts et de l'Action Culturelle (INSAAC) im Jahr 2015. "Spott, Sabotage und Verrat, die ich in dieser Phase erlebt habe, haben mich nicht in meinem Willen gebremst, meine Empfindungen auszudrücken", erinnert sich der junge Mann mit Stolz. Er erhielt eine ehrenvollen Erwähnung bei der Bewertung seiner Arbeit, er habe "seinen choreografischen Vorschlag mit Bravour verteidigt". Später bedauerte er, dass er nicht die nötige Unterstützung erhalten hatte, um weiterzumachen. Er ließ sich von den "Bösartigkeiten und Diskriminierungen der Szene" entmutigen und zog sich von der Bühne zurück.
Werte der freien Meinungsäußerung und des freien künstlerischen Schaffens im Fonds A(rt)venir
Die Initiative, seine Freunde zusammenzubringen und die Gruppe zu gründen, ging von Lambert Kouamé aus. Wie Noël Adepaud und Serge Séméné ist er in der Szene gut verankert: Castings, Compagnien, Festivals und Choreografie-Workshops, so dass er über sich bietende Möglichkeiten informiert ist. So kam es 2022 zu der Entscheidung, einen Antrag beim Fonds A(rt)Venir des Goethe-Instituts zu stellen und das Projekt Hom/Fam vom Projektmanager Georges Kouamé aufbauen zu lassen.
Der 2021 eingerichtete Fonds, der neue künstlerische Ausdrucksformen und vor allem junge Talente fördert, deren Themenrelevanz und künstlerische Qualität eine internationale Resonanz garantieren können, war "eine unverhoffte Unterstützung", die sie von einer nationalen Institution nie hätten erhalten können, wie die Künstler sagen. Die Werte der Meinungs- und künstlerischen Freiheit des Fonds A(rt)venir waren in gewisser Weise ein Glücksfall für diese marginalisierten Künstler. Die garantierte Freiheit ermöglichte ihnen, das Übel an der Wurzel zu packen und sich künstlerisch deutlich auszudrücken. Das Stück "Hom Fam", das die Choreografen als "Erfüllung" bezeichnen, löst symbolhaft den kollektiven Ras-le-bol der vier Transgender-Charaktere aus.
Das 43-minütige Stück stigmatisiert unterschiedlichste homophobe und LGTBQI+-feindliche Stereotypen, die in einer noch sehr konservativen ivorischen Gesellschaft mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. Ohne Hemmungen erobert es die eigene Identität durch Bewegungen zurück, indem es klassische ivorische Tänze dekonstruiert. "Wir wollten uns nicht verlieren", erklären Kevin und Lambert. „Unsere soziale Identität zu behaupten, bedeutet auch, unsere afrikanische und ivorische Kultur aufzuwerten." Daher die authentischen kulturellen Bezüge bei den Schritten, den Kostümen (z. B. der Ablakon, eine spirituell aufgeladene afrikanischer Lendenbedeckung), im Bühnenbild und in der Musik. In einer ironischen und auch grenzüberschreitenden Szene werden schwule Fußballspieler, liberale Selbständige und sogar schwule Geistliche dargestellt, um "dieses Ballett der Scheinheiligkeit anzuprangern, das es um die Existenz von LGTBQI+-Personen im Land gibt", spottet Taïba freundlich.
Die Gesten dieser natürlichen männlichen Körper beschränken sich auf Sanftheit und sinnliche Schönheit (je nachdem, wie man es sehen möchte) und werden transzendiert. Auf jeden Fall wird ein Hunger nach Ausdruck und Offenlegung auf klare und verständliche Weise gestillt, symbolisiert durch das krachende Zerbrechen der Canaris (der traditionellen Tongefäße), deren spirituelle Dimension greifbar ist.
Ein politisches Manifest
Aus der Überzeugung, dass zeitgenössischer Tanz zeitgenössischen Werte widerspiegeln muss, d. h. die Art und Weise, wie die Welt von heute gesehen wird, fordert "Hom/Fam" ganz offensichtlich zu einer ehrlichen Überprüfung der - heute sehr fluiden - Gender-Einteilung auf. Die Elfenbeinküste befindet sich derzeit in einer Position, in der sie weder neutral noch parteiisch gegenüber den LGTBQI+-Rechten ist. Dieser Status wird noch nicht bestraft, aber er ist auch noch nicht legalisiert. "Hom/Fam" ist eine klare politische Forderung, so die Macher. "Wir sind Tänzer. Das ist unsere Art, uns auszudrücken und unser Bedürfnis zu zeigen, dass wir in Harmonie mit der Welt leben möchten. Wir sind keine Untermenschen. Wir verlangen nicht unbedingt, dass man uns liebt. Wir verlangen einfach, dass man uns akzeptiert und uns respektiert", plädiert Kevin Koffi mit einem Kloß im Hals. Eine unbeschreiblich starke Darstellung ihrer ganzen intimen Persönlichkeit, für die sie Respekt fordern. Daher die Ablehnung des Abstrakten, der gewollt angeeignete - und vielleicht schockierend wirkende - expressive und demonstrative Ton, damit jeder Zuschauer des Stücks eine klare Vorstellung davon hat, worum es geht...
"Es sind mutige und engagierte junge Leute. Sie haben es geschafft, eine berührende Botschaft über einen kreativen und einfachen künstlerischen Ansatz zu vermitteln. Ob man die Sache, für die sie sich einsetzen, mag oder nicht, dieses Stück muss uns zum Nachdenken anregen", meint die Choreografin Ange Aoussou, Leiterin des Festivals Un Pas Vers l'Avant, die das Stück in ihrer Festivalausgabe 2022 auf dem Programm hatte, als es sich noch im Work in Progress befand.
Als militantes und avantgardistisches Stück kann sich "Hom/Fam" rühmen, eines der wenigen, wenn nicht sogar das einzige künstlerische Werk im französischsprachigen Westafrika zu sein, das auf der Bühne offen den Status von LGTBQI+ fordert und die Sache von LGTBQI+ in einem Land verteidigt, in dem der Aktivismus von LGTBQI+-Vereinigungen noch nie so ausdrucksstark war. Zu einer Zeit, in der Initiativen wie die der militanten NGO Gromo- die Herausgabe einer Fachzeitschrift, Meleagbo, - versuchen, dieser Gemeinschaft im Land Sichtbarkeit zu verschaffen. Mit diesem gewagten Werk erscheinen die vier Künstler legitimiert, auf der Titelseite dieses Magazins zu erscheinen. Sie warten darauf, auf den europäischen Bühnen gesehen und gehört zu werden, wo das Stück für Anfang 2024 im Rahmen einer internationalen Tournee angekündigt ist. Alles Gute für sie.
Kontakt HomFam: Georges Kouamé
© AD Photographie
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