Weniger Autorität – mehr Gemütlichkeit
Eine tschechische Studentin über Wien
Miloslava Korostenská, 24 Jahre alt, ist für ihr Masterstudium der Politikwissenschaften von České Budějovice nach Wien gezogen. Warum erheben die Studenten in Wien öfter ihre Stimme? Und was macht die Gemütlichkeit der Österreicher aus?
Ich habe nach meinem Abitur ein Jahr in Prag Übersetzungswissenschaften studiert. Einer der Professoren hat mein Deutsch ständig kritisiert, meinen Satzbau, die Aussprache, meinen Wortschatz, alles soll schrecklich sein. Deshalb habe ich dieses Studium abgebrochen und in České Budějovice, meiner Heimatstadt, Politikwissenschaften studiert.
Seit ich 10 Jahre alt bin, lerne ich Deutsch. Ich wollte mir meine Freude an der deutschen Sprache von diesem Professor nicht nehmen lassen. Ich wollte meine Kenntnisse verbessern und neue Leute und eine neue Umgebung kennen lernen. Und weil Wien nahe an Tschechien liegt, habe ich beschlossen, mein gesamtes Masterstudium der Politikwissenschaften in der österreichischen Hauptstadt zu absolvieren. Die Universität hat, vor allem in den Geisteswissenschaften, einen guten Ruf. Seit Oktober 2011 lebe ich nun hier und bin nach wie vor zufrieden.
Ich mag Wien. Die Stadt ist multikulturell und hat viele Grünflächen. Die Menschen sind sehr gemütlich, auch an der Uni sind die Studenten entspannt. „Es geht sich schon alles aus“, ist das Motto, für jedes Problem gibt es eine Lösung. Diese Gemütlichkeit mag ich wirklich. Wenn ich sage, dass ich aus České Budějovice komme, aus jener Stadt, aus der das Budweiser Bier kommt, lächeln immer alle, weil sie das Bier kennen. Das freut mich.
Früher habe ich bei Wien immer an den Stephansdom, den Wiener Wald und Schloss Schönbrunn gedacht, jetzt steht für mich jedoch die Uni im Vordergrund. In den ersten Monaten hatte ich in den Vorlesungen Probleme, die verschiedenen österreichischen Dialekte zu verstehen, vor allem, wenn die Menschen schnell sprechen. Mittlerweile verstehe ich aber fast alles.
Manche Unterschiede zwischen den Universitäten in Tschechien und in Wien sind sehr groß. Es gibt hier viele ausländische Studenten, Kollegen von mir kommen aus Japan, China, Spanien oder Frankreich. Die Studenten an der Hochschule in Wien scheinen mir motivierter zu sein. Sie diskutieren viel mehr und sie haben keine Angst, sich während der Kurse zu äußern. Ich glaube, das liegt daran, dass es keine so autoritäre Beziehung zwischen den Professoren und den Studenten gibt. Ich denke, dass die Professoren ihre jüngeren Kollegen mehr respektieren, sie geben sich nicht allwissend. Das heißt aber nicht, dass es schrecklich ist, in Tschechien zu studieren, es ist einfach anders. Dort haben die Studenten mehr Respekt vor den Professoren.
Doch auch mein Leben hier in Wien ist nicht perfekt. Schwierigkeiten habe ich vor allem mit der Bürokratie in Österreich. Ich muss ständig Meldezettel, Anmeldebescheinigungen oder andere Formulare ausfüllen. Das ist ab und zu ein bisschen lästig. Dadurch lasse ich mir aber nicht die Freude an meinem Studium in Wien nehmen.