Hungern gegen die Kommunisten
Wie südböhmische Studenten unter Einsatz ihrer Gesundheit gegen eine kommunistische Politikerin protestierten
Als nach den Kreiswahlen im Oktober 2012 in den meisten tschechischen Kreisen Koalitionen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten geschlossen wurden, entstanden gleichzeitig auch zahlreiche Protestbewegungen gegen diese Zusammenarbeit. Der stärkste Widerstand regte sich im südböhmischen Kreis, wo die kommunistische Politikerin Vítězslava Baborová mit dem Posten der Kreisrätin für das Schulwesen betraut wurde. Die Schüler des Gymnasiums in Třeboň wurden zur Personifikation dieses Widerstands. Ihr Anführer Dominik Hořejší organisiert Demonstrationen und Verhandlungen mit dem südböhmischen Kreishauptmann Jiří Zimola. Dieser lehnte die Abberufung Baborovás, die mittlerweile selbst zurückgetreten ist, zunächst kategorisch ab – mit der Begründung, die Koalition und die Besetzung der Posten in der Kreisregierung entspreche dem Wählerwillen. Nach Demonstrationen und einem eintägigen Hungerstreik wollen die Studenten ihren Unmut auch im Jahr 2013 zum Ausdruck bringen. Was motiviert Dominik Hořejší zu protestieren und was bedeutet für ihn bürgerliches Engagement?
Dominik, ihr habt öffentliche Demonstrationen und Verhandlungen mit dem Kreishauptmann hinter euch. Aber auch einen 24-stündigen Hungerstreik am 18. Dezember. Welche Formen des Protestes sind für euch akzeptabel und angemessen und welche nicht mehr?
Den Hungerstreik habe ich auch eingehalten. Ich denke nicht, dass ein eintägiger Verzicht auf Nahrung wirklich etwas Drastisches ist. Es ging vielmehr um einen symbolischen Protest. Es ging darum zu zeigen, dass wir bereit sind für unsere Sache Opfer zu bringen. Ich habe mich immer die Grundsätze vertreten, dass die Proteste anständig ablaufen sollten, dass es keine persönlichen Angriffe geben sollte und vor allem, dass niemandes Gesundheit gefährdet werden darf. Deshalb habe ich mich auch dagegen ausgesprochen den Hungerstreik auf eine Woche zu verlängern, wie einige gefordert hatten. Es gibt Leute, die unter Umständen nicht richtig einschätzen können, was ihr Körper aushält.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie an der Spitze dieser Proteste stehen?
Ich war einer der ersten, der die ursprüngliche Petition unterschrieben hat, die unser Lehrer Martin Rosocha im November 2012 organisiert hatte. Darin wurde zur Abberufung der kommunistischen Kreisrätin Vítězslava Baborová vom Ressort für Schulwesen gefordert. In der Folge erklärt Frau Baborová, Leute, die die Regierungszeit der Kommunisten [in der Tschechoslowakei von 1948 bis 1989, Anm. d. Redaktion] nicht erlebt hätten oder die damals nicht volljährig waren, sollten sich dazu nicht äußern. Das hat mich stark beunruhigt. Diese Aussage widerspricht den Werten der Ausbildung, vor allem der historischen. Das bewegte mich zu einer Reaktion. Ich habe einige Freunde angesprochen, von denen ich wusste, dass sie mir helfen würden und gemeinsam haben wir die Basis gebildet für die gegenwärtige Initiative Komunisté nepatří ke kormidlu (auf Deutsch: Kommunisten gehören nicht ans Ruder). Schnell haben sich uns Schüler anderer Schulen und Universtitätsstudenten angeschlossen, aber auch Bürger, die ihre Ausbildung schon hinter sich haben.
Ist es eine rein studentische Initiative?
Die Leitung der Initiative ist immer noch in meinen Händen und denen weiterer Gründungsmitglieder, also ist es eine rein studentische Initiative. [In Tschechien werden auch Schüler weiterführender Schulen als „studenti“, also Studenten, bezeichnet. Anm. d. Übersetzers]
In der Schule wurde sogar eine Kontrolle durchgeführt, ob Sie oder Ihre Mitschüler nicht von Lehrern für die Proteste „angeworben“ wurden...
Alle Behauptungen über eine Manipulation durch die Lehrerschaft oder durch politische Parteien sind gezielte Lügen. Auf der Grundlage vieler Beschwerden kam tatsächlich eine Inspektion in die Schule. Es wurden jedoch keine Verletzungen von Gesetzen festgestellt.
Warum habt ihr euch zum Protest entschieden? Stört euch die Koalition aus Sozialdemokraten (ČSSD) und Kommunisten (KSČM) als solche oder geht es vor allem um die Besetzung des Ressorts Schulwesen mit der Kommunistin Baborová?
Die von Martin Rosocha verfasste Petition wendet sich dagegen, dass ausgerechnet das Kreisressort für Schulwesen von einem Vertreter der Kommunisten geleitet werden soll. Allerdings war unsere Initiative von Anfang an auch gegen die Koalition mit den Kommunisten. Ich möchte aber betonen, dass niemand von uns gegen die 13 Mandate der Kommunisten im Kreisparlament protestiert. Diese Mandate haben sie in den Wahlen gewonnen, und die Sitze im Parlament gehören ihnen. Es stört uns aber, dass der Kreishauptmann von Südböhmen ohne sich zu schämen Leute an der Macht beteiligt, die in direkter Nachfolge der totalitären KSČ [die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei, Anm. d. Übersetzers]stehen, die nicht das bisschen Anstand besitzen, sich zu entschuldigen bei den Familien der Hingerichteten, Gefolterten, zu Unrecht Verurteilten, und die darüber hinaus immer noch nicht fähig sind diesen Beinamen „kommunistisch“ aufzugeben. Die Aufrechterhaltung dieses Namens kommt einem Bekenntnis zu den Taten der KSČ gleich. Gleichzeitig verletzt nicht nur der südböhmische Kreishauptmann Jiří Zimola den Beschluss seiner eigenen sozialdemokratischen Partei aus dem Jahr 1995. Der Beschluss gilt noch immer und besagt, dass die ČSSD jegliche Zusammenarbeit mit extremistischen Parteien für unzulässig hält. Und unter diesen Parteien wird gerade auch die KSČM aufgezählt.
Wie reagiert der Kreishauptmann auf eure Vorwürfe, dass die Koalition eine Verletzung des so genannten Bohumíner Beschlusses ist, die seinen Sozialdemokraten die Zusammenarbeit mit den Kommunisten untersagt?
Ein Vergehen bei der Bildung der Koalition sieht er angeblich nicht. An einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten kann er nichts Schlechtes finden und zum Bohumíner Beschluss äußert er sich negativ: Angeblich sei er nicht bei der Abstimmung gewesen, deshalb fühlt er sich nicht daran gebunden.
Welche Erkenntnisse nehmt ihr aus den Verhandlungen mit Kreishauptmann Zimola mit? Ist er einigen eurer Forderungen entgegengekommen?
Bisher gab es zwei Treffen mit ihm. Er hat uns die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Einsicht in sämtliche Unterlagen im Kreisamt erhalten würde und die sich ständig zu geplanten Schritten äußern könnte. Wir wären eine beratende Stimme, auf die unserer Einschätzung nach aber ohnehin niemand hören würde. Wir würden überflüssige Arbeit ohne jegliches Echo verrichten. Uns käme das vor wie die Arbeit der Opposition. Ein solches Angebot ist für uns unannehmbar. Über alternative Lösungen will Kreishauptmann Zimola allerdings bisher nichts hören.
Die kommunistische stellvertretende Hauptfrau im Kreis Plzeň Zdeňka Lišková hat in der Sendung Máte slovo (auf Deutsch: Sie haben das Wort) im Tschechischen Fernsehen gesagt, die Proteste seien unsinnig. Die Kreisrätin für das Schulwesen habe nämlich gar nicht so große Vollmachten, etwa um die Lehrpläne zu ändern. Ihre Aufgabe sei vielmehr die einer „Managerin“. Worin sehen Sie also die Gefahr?
Uns ist natürlich klar, dass ein Kreisrat für das Schulwesen keine Lehrpläne ändern kann. Er oder sie kann aber den Austausch der Rektoren vorschlagen, dies auch hinter den Kulissen durchsetzen und neue Rektoren vorschlagen. In einer Zeit, in der die Zusammenlegung von Schulen erwägt wird, ist es gerade der Kreisrat, der solche Vorschläge einbringt. Des Weiteren kann der Kreisrat auch die finanzielle Zuwendung für einzelne Schule reduzieren oder ganz streichen und damit die betreffenden Schulen de facto auflösen. Auf die Rektoren und Lehrer hat das einen indirekten Einfluss: mit psychischem Druck in Form bestimmter Empfehlungen können solche Personen auf bestimmte Änderungen drängen bei der Durchführung von Konferenzen oder der Vergabe zum Beispiel von Seminararbeiten. Das alles ist kaum zwei Monate nach den Wahlen im Oktober 2012 bereits vorgekommen und es passiert noch immer. Und ganz sicher besteht ein Zusammenhang zwischen den Bestrebungen das mehrjährige Gymnasium aufzulösen, das eine Bastion der Bildung ist, und Äußerungen wie der von besagter Frau Lišková, es gebe in unserem Staat zu viel Intelligenz.
Und habt ihr auch persönlich mit der Kreisrätin Baborová gesprochen? Möchtet ihr sie nicht erst mal arbeiten lassen, wie sie selbst fordert?
Mit Frau Baborová habe ich nicht persönlich gesprochen. Sie war schon mehr als drei Monate krankgeschrieben in Heimpflege und Ende Januar ist sie zurückgetreten. Die Argumentation unseres Kreishauptmanns, dass wir die Kommunisten arbeiten lassen sollen und ihnen damit die Chance zu geben sich selbst zu diskreditieren halte ich nicht für richtig.
Das sagen aber auch viele Kommentatoren. In den 20 Jahren seit der Revolution hätten sich die Kommunisten angeblich nie anders als eine Protestpartei profiliert, die nichts tut, deshalb nichts kaputt macht und dadurch leicht Wählerstimmen gewinnt...
Ich weiß nicht, warum wir einer Partei die Chance geben sollen sich zu diskreditieren, die hier 41 Jahre lang totalitär regiert hat und ihren Namen damit auf Jahrhunderte hinaus beschmutzt hat. Ich nehme nicht an, dass es in Deutschland möglich gewesen wäre, dass 23 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Vertreter der NSDAP in den Landesparlamenten gesessen hätten.
Was haltet ihr von den Aussagen des stellvertretenden Hauptmanns im Kreis Karlovy Vary Václav Sloup (KSČM)? Auch er ist für das Schulwesen zuständig und er plädiert dafür, dass die Grenzen „bewacht werden sollten wie vor dem Jahr 1989 und die Studenten keine Referate über eine Zeit schreiben sollten, die sie nicht selbst erlebt haben“?
Die Aussagen von Herrn Sloup, eines Politoffiziers der Grenzsoldaten, der das Schießen auf Menschen angeordnet hatte, die die ČSSR verlassen wollten, sind ein konkretes Beispiel dafür, dass sich die Politik der KSČM kein bisschen geändert hat. Der Vorsitzende dieser Partei hält alle Protestierenden für Faschisten. Eine Abgeordnete der KSČM schämt sich dafür in Třeboň zu wohnen, wo die Proteste ihren Ursprung haben. Und ich könnte noch mehr aufzählen. Alle diese Aussagen belegen, dass es den Kommunisten nur um die Macht geht. Sie treten weiterhin für Marxismus und Leninismus ein und sie möchten eine erneute Diktatur des Proletariats einführen. Die Menschen sollten sich endlich bewusst werden, dass das Heil der Demokratie bestimmt nicht in den Händen einer totalitären Partei liegt.
Was sagen eure Mitschüler über euer Engagement? Unterstützen die euch oder gibt es auch Gegner?
Mit meinen Mitschülern ist es wahrscheinlich so wie an jeder Schule. Da sind solche die mich sehr stark unterstützen, die sich selbst beteiligen an den Schritten der Initiative. Dann sind da solche, die sich nicht einbringen, aber zustimmen und auch an den meisten Aktionen teilnehmen. Und dann ist da noch die Mehrheit, denen das Problem egal ist. Manchmal taucht einer von denen auf einer Versammlung auf. Schließlich gibt es aber auch ein paar Leute, die mit der Aktivität nicht einverstanden sind. Natürlich gibt es auch negative Reaktionen von außerhalb der Schule, genauso wie unterstützende. Ich denke, das gehört zu solchen Initiativen einfach dazu in einem Staat, wo die meisten so etwas nicht gewohnt sind.
Und sind Sie das gewohnt? Haben Sie sich immer schon für Politik interessiert, für bürgerlichen Aktivismus?
Politik gehört zu meinen Interessen seit ich etwa 13 Jahre war. Ich denke, die Bürger sollten wissen, wer, wie entscheidet über ihre Zukunft und das Funktionieren nicht nur ihres eigenen Staates. Bürgerliche Aktivität ist etwas, dass meiner Meinung nach in unserem Land fehlt. Die Politiker haben sich daran gewöhnt, dass es reicht einmal alle vier Jahre vor Wahlen mit Versprechen zu den Leuten zu kommen. Sie sollten sich allerdings auch daran gewöhnen, dass für unsere Generation Petitionen Demonstrationen und das Äußern der eigenen Meinung zur Demokratie dazu gehören. Ich wäre sehr froh, wenn in die Politik Leute gingen, die hohe moralische Werte haben und denen etwas daran liegt, was sie in ihrer Funktion für andere tun. Ich glaube, dass bereits jetzt solche Leute in der Politik in Tschechien sind und dass sie immer mehr werden.