Drei Tage ohne feste Nahrung

Foto: 从峰 陈, CC BY-SA 2.0Foto: 从峰 陈, CC BY-SA 2.0
Rundum-Sorglos-Programm eines Anbieters, der seine appetitlich bunten und schonend kaltgepressten Säfte fertig abgefüllt und durchnummeriert als Detox-Paket frei Haus liefert. Foto: 从峰 陈, CC BY-SA 2.0

Saftfasten ist buchstäblich in aller Munde. Nicht nur in den USA wollen immer mehr Safthersteller und Gesundheitsexperten bei dem neuen Detox-Trend mitmischen, und die Auswahl an Ratgebern, Entsaftern, und fertig gepressten Obst- und Gemüsesäften wächst täglich. Um herauszufinden, was hinter dieser Flutwelle der Begeisterung steckt, hat sich jádu-Autorin Katharina Löffel zu einem Selbstversuch entschlossen.

Ernährungsexperten sind sich bisher nicht einig, ob die radikalen Kurzdiäten wirklich zur gewünschten Entgiftung führen, oder ob sie lediglich kurzzeitige Effekte wie Gewichtsverlust und Ausgleich des Flüssigkeitshaushalts haben.

Eines der Hauptargumente für Saftfasten ist, dass der Körper während der Kur wesentlich weniger Energie auf Verdauung und Stoffwechsel verwenden muss, und stattdessen „Hausputz“ machen kann. Befürworter des Saftfastens empfehlen, zur Vorbereitung der Kur bereits ein bis zwei Tage vorher auf Koffein, tierische Proteine und Alkohol zu verzichten, um dem Körper die Umstellung zu ermöglichen. Außerdem sollte der Entgiftungsprozess mit der Zufuhr von reichlich Wasser oder Kräutertee unterstützt werden.

Mensch vs. Saft, Genuss vs. Disziplin

Als leidenschaftliche Esserin war ich mir sicher, dass ich eine mehrtägige Saftdiät absolut unvoreingenommen und äußerst kritisch beurteilen würde.

Die Wahl der Qual fiel auf das Rundum-Sorglos-Programm eines Anbieters, der seine appetitlich bunten und schonend kaltgepressten Säfte fertig abgefüllt und durchnummeriert als Detox-Paket frei Haus liefert. So blieb mir wenigstens die zeitaufwändige Zubereitung der Säfte erspart und ich konnte mich auf das konzentrieren, was mir bevorstand: Drei Tage ohne feste Nahrung.

Am Freitagabend füllte ich den heimischen Kühlschrank mit scheinbar endlos vielen 500-ml-Saftflaschen, aß eine einfache Linsensuppe und erzählte neugierigen Freunden stolz von dem Experiment, und der Disziplin und Entsagung, die das Saftfasten erfordern würde. Ich war bereit für den Versuch Mensch vs. Saft, Genuss vs. Disziplin.

Foto: bertholf, CC BY 2.0
Foto: bertholf, CC BY 2.0

Tag 1 – Die Verlockung lauert überall

Das Experiment beginnt morgens um 8.30 Uhr mit einer Flasche Gurken-Kohl-Spinat-Saft. Der knallgrüne Saft überrascht mit einem fast schon süßen Geschmack und die Flasche ist im Handumdrehen leer. Ab jetzt wird streng rationalisiert, damit die Tagesration von sechs Flaschen à 500ml nicht schon am frühen Nachmittag ausgetrunken ist. Zwar sind zusätzlich Wasser und Tee erlaubt und sogar empfohlen, aber wer wird davon schon satt, geschweige denn zufrieden?

Flasche Nummer 2 (Ananas mit frischer Minze) ist natürlich trotzdem zu lecker, um sie angemessen langsam zu verzehren, aber wenigstens ist danach der größte Morgenhunger gestillt. Lange vor meinem Kopf hat sich mein Körper anscheinend schon ganz auf Durchspülen eingestellt und signalisiert mit ständigem Durst Bedarf nach mehr Wasser. Motiviert von dieser Bereitschaft zur Selbstreinigung versuche ich mich an ein paar Yoga-Übungen, aber plötzliches Schwindelgefühl bereitet dem sportlichen Intermezzo ein jähes Ende. Auf der Couch sitzen und erbauliche Filme schauen ist im Rahmen des Experiments sicher auch in Ordnung…

Mittagessen Nummer 1, 2, und 3 (noch mal Gurke und Spinat, dann unglaublich leckere Wassermelone, und zum Schluss herzhaft erdige Rote Bete und Karotten) kommen und gehen ohne weitere Zwischenfälle und mein innerer Hausputz geht munter voran. Gegen Nachmittag stelle ich fest, dass ich fast doppelt so viel Flüssigkeit als sonst zu mir nehme und mein Stoffwechsel verarbeitet alles hocherfreut in Lichtgeschwindigkeit.

Als sich die ersten Kopfschmerzen ankündigen, werden sie kurzerhand mit noch mehr Trinken bekämpft. Am Abend habe ich mich locker für einen Cocktailempfang im Rahmen eines Festivals verabredet und beflügelt von Vitaminen und Spurenelementen in Reinform mache ich mich tatsächlich auf den Weg, bewaffnet mit Flasche Nummer 6, reichhaltiger Cashewmilch mit Zimt und Meersalz. Die hält natürlich nicht mal bis zur Ankunft vor. Denn die Versuchung muss in Schach gehalten werden. Sie lauert überall in Form von Imbissständen.

Auf dem Empfang berichte ich erneut voller Stolz von dem Experiment, aber meine Gesprächspartner sind eindeutig mehr an Häppchen und bunten Drinks interessiert als an Askese und Selbsterneuerung. Ich bestelle ein Glas Wasser und stoße mürrisch mit mir selbst an, bevor ich mit knurrendem Magen nach Hause gehe.

Tag 2 – Kraft der Gedanken

Beim Aufwachen fühle ich mich wie eine Rosine, mein ganzer Körper verlangt nach Wasser. Was ist denn mit den knapp sechs Litern Flüssigkeit passiert, die ich mir selbst gestern eingeflößt hatte? Ich haste zum Kühlschrank und stelle fest, dass die Säfte seit gestern merklich an Farbe verloren haben. Eigentlich sehen sie genauso aus wie ich mich fühle: blass. Und so beginnt der zweite Tag des Experiments damit, dass ich alle verbleibenden zwölf Flaschen probeweise schüttele, um wenigstens ein bisschen Farbe wieder zum Vorschein zu bringen.

Gegen Mittag stellt sich so etwas wie ein nachhaltiger Trinkrhythmus ein, weswegen ich eine Stunde lang fest davon überzeugt bin, meinen nimmersatten Magen allein mit der Kraft meiner Gedanken zum Schweigen gebracht zu haben. Dass das ein fataler Trugschluss war, merke ich erst, als in meinem Kopf nonstop verblüffend reale Bilder diverser Lieblingsgerichte auftauchen. Diese Diashow der Verlockungen quält mich und meinen armen Magen bis in den frühen Abend und hört erst auf, als ich mein Fasten mit einem Teller ungewürzter Linsensuppe breche. Ich versinke in eine Meditation über den Zusammenhang zwischen dem Verzehr salziger und fettiger Speisen und dem emotionalen Wohlbefinden und stelle fest, dass ich nicht nur unersättlich, sondern anscheinend auch sehr launisch bin.

Tag 3 – Keine bleibenden Schäden

Es ist Montag, also verlasse ich schweren Herzens mein Camp Couch in Richtung Büro. Mit im Gepäck: Die letzten sechs Flaschen Saft, die zwischen mir und dem Ende des Experiments stehen. Um es kurz zu machen, es wurde ein sehr langer Tag, den ich überwiegend damit verbracht habe, an Essen zu denken. Dieser wenig produktive Zustand ist erst vorbei, als ich mir am Abend noch vor Ende meiner selbstauferlegten Fastenzeit ein wahrhaftiges Festmahl anstelle einer weiteren Flasche unschuldig-weißer Cashewmilch gönne. Immerhin habe ich bis dahin gut 60 Stunden Saftfasten ohne bleibende Schäden bewältigt und ich fühle mich verdächtig gut. Die kleine Auszeit von Pommes und Pizza hat nicht nur meinem Körper gut getan, auch wenn meine sozialen Kontakte etwas unter den Nebenfolgen des Experiments gelitten haben. Mehrtägiges Saftfasten und Wochenend-Freizeitgestaltung lassen sich eben nur bedingt miteinander vereinbaren. (Wem Saft-Exil und Dauer-Hunger nicht zusagen, kann übrigens auch nur einzelne Mahlzeiten mit entsprechenden Säften ersetzen.)

Nach fast drei Tagen ohne feste Nahrung fühle ich mich wenn auch nicht wie neugeboren, so doch immerhin frisch und gesund. Mein Flüssigkeitshaushalt ist anscheinend endlich auf einem angemessenen Niveau, was mein Körper mir mit wonnigem Wohlbefinden dankt. Ich nehme mir vor, in Zukunft deutlich mehr zu trinken.

Katharina Löffel
isst bei schlechtem Wetter am liebsten Spaghetti Bolognese und glaubt fest an die Heilkraft von Butter.

Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
August 2014

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