Mehr als eine Grenzstadt
Die an der deutsch-polnischen Grenze gelegenen Zwillingsstädte Frankfurt (Oder) und Słubice präsentieren sich gemeinsam als „Europäische Doppelstadt“. Wie haben sie das gemeinsame Logo entwickelt?
Frankfurt (Oder) und Słubice haben einen Paradigmenwechsel durchgemacht: von der geteilten Stadt zur „Europäischen Doppelstadt“. Einst befand sich zu beiden Oderufern Frankfurt. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte die neue Grenze zwischen Deutschland und Polen 1945 die rechtsufrige „Dammvorstadt“ ab. Die Bewohner mussten ihre Häuser verlassen, polnische Neusiedler kamen in die neue Stadt, die den Namen Słubice bekam. Viele Jahre blieben sich Menschen beider Ufer weitgehend fremd, auch wenn die DDR und die polnische Volksrepublik offiziell als befreundete „Bruderstaaten“ galten.
Der Fall des Eisernen Vorhangs und die EU-Osterweiterung haben die Grenze geöffnet und die Städte zusammenrücken lassen. Inzwischen arbeiten die Rathäuser eng zusammen: Man feiert gemeinsam Stadtfest an der Oder, baut deutsch-polnische Kindergärten und verbindet die Heizkraftwerke miteinander, auch dank EU-Geldern. Frankfurt (Oder) und Słubice gelten als „Europäische Doppelstadt“ par excellence. Seit Dezember 2012 präsentieren sich beide Städte mit einem gemeinsamen Logo. Sören Bollmann leitet das Frankfurt-Słubicer Kooperationszentrum und hat den Prozess der Logoentwicklung begleitet.
Wie entwickeln zwei Städte aus zwei verschiedenen Ländern ein gemeinsames Logo?
Das war ein Prozess von eineinhalb Jahren ab dem Moment, als beide Städte beschlossen haben, sich gemeinsam zu vermarkten. Zehn Kommunikationsagenturen haben sich beworben und eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus beiden Städten hat sich auf eine Agentur aus Berlin geeinigt. In der Arbeitsgruppe saßen Leute aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und aus Kultur- und Bildungseinrichtungen. Wir wollten eine breite Akzeptanz des Logos und haben es deswegen auch öffentlich diskutiert. Außerdem haben wir jeweils 500 Bürger in Frankfurt, Słubice, Berlin und Poznań anonym am Telefon befragen lassen, was sie mit unseren beiden Städten verbinden.
Was kam bei der Umfrage heraus?
Erstens: Wir werden besonders mit der Lage an der Grenze und am Fluss in Verbindung gebracht. Und zweitens: die Grenze wird entgegen aller Befürchtungen als etwas Spannendes, Positives wahrgenommen – anders als das noch in den 90er Jahren war. Besonders für die Frankfurter war das eine wichtige Erkenntnis, denn sie haben sich lange Zeit gegen dieses Image gesträubt. Die Versuche, sich als Kleiststadt, Sportstadt oder selbst als Universitätsstadt zu vermarkten, sind hingegen kaum angekommen. Für die Słubicer war es völlig klar, dass sie eine Grenzstadt sind.
Im Logo erkennt man der Bogen der Oderbrücke, darunter der Slogan „Ohne Grenzen – Bez granic“. Die Grenze aber ist doch gerade das Interessante?
Wir tun nicht so, als gebe es keine Grenze. Wir greifen das auf, womit wir in Verbindung gebracht werden und was uns von anderen unterscheidet. Und wir locken damit Menschen hierher, weil es spannend ist, die Grenzen zu überwinden. Wir wollen von der Assoziation Grenzstadt ausgehen, aber nicht da stehenbleiben.
In Broschüren und auf der Internetseite Ihres Kooperationszentrums wirbt die Doppelstadt Frankfurt-Słubice mit Bildern, auf denen Kinder EU-Fahnen schwenken oder Luftballons von der Stadtbrücke fliegen lassen. Diese Bilder erinnern ein wenig an die DDR-Propaganda von der Oder als „Strom der Freundschaft“.
Ja, das ist manchmal ein schwieriger Balance-Akt. Wir wollen nicht zu plakative Bilder von feierlichen Anlässen, denn dann kommen diese Assoziationen auf, besonders bei denen, die im Osten aufgewachsen sind. Ich selbst bin in Westdeutschland aufgewachsen und lebe seit 14 Jahren hier. Trotzdem gehört es eben dazu, wenn wir zum Europatag Luftballons steigen lassen. Allerdings sind wir heute erheblich weiter in der Zusammenarbeit, als zu Zeiten als die Freundschaft oft eine erzwungene war.
Muss man diese Bildsprache von der Völkerfreundschaft im gemeinsamen Stadtmarketing nach wie vor bedienen?
Menschen von außen nehmen uns eben immer noch sehr als symbolischen Ort der Verbindung zwischen Deutschland und Polen wahr – mit all der Geschichte, die daran hängt. Damit müssen wir umgehen. Aber es ist auch für uns von Nutzen, wenn Personen herkommen, zum Beispiel Politiker, die auf unserer Brücke Völkerverständigung zelebrieren wollen. Das ist Teil unserer Identität, auch wenn wir über die symbolischen Gesten längst hinausgewachsen sind.