Keine Frage des Glaubens
Die Außerirdischen sind da
„Seriöse Wissenschaftler distanzieren sich von unserem Kongress!“ ruft Moderator Igor Chaun euphorisch. Die Besucher im Prager Kulturzentrum Vltavská quittieren die Information mit Applaus. Unter dem Motto „2012 und die außerirdische Präsenz auf der Erde“ haben sich hier Hunderte Menschen versammelt – trotz des stattlichen Eintrittspreises von 850 Kronen (etwa 34 Euro).
Igor Chaun kümmert sich um alles. Er betreut die Gäste, hält Smalltalks, bespricht den Ablauf. „Das ist kein Stress, eher positive Spannung“, sagt er atemlos auf dem Weg in die Mittagspause. Der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmregisseur war im Herbst 1989 einer der Anführer der Studentenproteste, die zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in der damaligen Tschechoslowakei führten. Heute ist Chauns Mission eine andere: „Wir müssen verstehen, dass wir weder allein im Weltall noch allein auf der Erde sind.“ Deshalb unterstütze er diesen Kongress, erklärt der 48-Jährige und schlingt sein Mittagessen hinunter.
Außerirdische Implantate und 5000 Jahre alte Venusianer
Viel Überzeugungsarbeit scheint im Kulturzentrum Vltavská nicht mehr nötig zu sein. Es herrscht Konsens über die Anwesenheit Außerirdischer auf unserem Planeten. Das sei „keine Frage des Glaubens, sondern eine Frage, ob man bereit ist die Fakten zu akzeptieren“, erklärt der portugiesische Ufologe Francisco Mourão Corrêa und erhält dafür Szenenapplaus.
Fotos dienen als Beweis. Flecken, die man für Dreck auf einer Kameralinse halten kann, identifiziert der laut Programm „unabhängige Journalist und Forscher“ Karel Rašín als Ufos. Aber der etwa 50-jährige hat noch Asse im Ärmel.
Rašín und seine Mitstreiter haben nämlich Dutzende Tschechinnen und Tschechen aufgesucht, die Kontakt mit Außerirdischen gehabt haben wollen. So hat Rašín von Wesen auf der Venus erfahren. Durchschnittsalter 5.000 Jahre. Andere „Zeugen“ erzählen von Entführungen durch Außerirdische. Fotos von Blutergüssen sollen diese Erlebnisse belegen. Eine Röntgenaufnahme zeigt einen Fremdkörper im Gehirn eines Entführten. „Ein außerirdisches Implantat“, ist sich Rašín sicher.
2009 gründete Rašín in Tschechien die Gruppe Exopolitik. Sie untersucht die politische Dimension einer außerirdischen Präsenz auf der Erde. Begründer dieser pseudowissenschaftlichen Denkrichtung ist der Australier Michael Salla. Auch er spricht in Prag. Der promovierte Politologe behauptet, der frühere US-Präsident Eisenhower habe sich Mitte der 1950er Jahre zweimal mit Außerirdischen getroffen und dabei einen Technologieaustausch vereinbart. Die Verbreitung solcher Thesen führte 2004 zu Sallas Entlassung als Dozent der Universität in Washington D.C.
Viele ehemalige Kollegen halten Salla für verrückt, andere lachen über ihn. Auch Václav Urban, ein freundlicher älterer Herr mit weißem Haar und Vollbart und ebenfalls Mitglied der Gruppe Exopolitik Tschechien, kennt diesen Spott: „Zu Beginn verletzt einen das, aber man gewöhnt sich daran. Wenn jemand an den Fakten zweifelt, ist das nicht mein Problem.“
Verschwörungstheorien sind nicht weit
Wer aber glaubt diese „Fakten“? Ein Profil zu erstellen fällt schwer. Auf dem Prager Kongress sind alle Altersgruppen vertreten, das Verhältnis von männlichen und weiblichen Besuchern ist ausgeglichen. Ein Blick in die Runde lässt weder einen geringen Bildungsstand vermuten (im Gegenteil) noch eine Massenpsychose. Allerdings: Verschwörungstheorien sind nicht weit.
Die „Lüge“ von der Mondlandung zum Beispiel. Der deutsche Ufologe Robert Fleischer hat eine spektakuläre Vermutung: „Diese Lüge könnte gezielt in die Welt gesetzt worden sein, um zu vertuschen, dass auf dem Mond Spuren von Außerirdischen gefunden wurden.“ Eine Dame, deren T-Shirt die Aufschrift „9/11 was an inside job“ ziert, lässt sich von Michael Salla dessen neues Buch signieren.
Ähnlich wie Verschwörungstheoretiker bauen auch die Ufologen auf ein Deutungssystem, das sich selbst genügt. Der Spott der Medien und „seriöser“ Wissenschaftler seien groß angelegte Desinformationskampagnen von Regierungen und Militärs. In Wirklichkeit hätten Geheimdienste die unabhängigen Forschergruppen infiltriert, um an Informationen über außerirdische Technologien zu kommen. „Würden diese Technologien einer breiten Öffentlichkeit bekannt, wäre die Macht unserer Regierungen nicht mehr haltbar“, erklärt Václav Urban, von Beruf Kybernetiker.
Paradiesische Dukaten als Belohnung
Veranstalter und Moderator Igor Chaun gibt zu, an solchen Theorien zu zweifeln. Sein Zugang ist eher esoterisch. „Unsere kosmischen Brüder bewegen sich in einer höheren Dimension und wir können von ihnen lernen“ sagt Chaun und kaut dabei genüsslich sein Hähnchen. 2001 hatte er während einer religiösen Zeremonie von Amazonas-Indianern Kontakt mit Außerirdischen – nach der Einnahme eines „heiligen Getränks“. „So ganz klar komme ich damit noch nicht. Ich selbst habe auch meine Probleme. Die hat wohl jeder gesunde Mensch in dieser kranken Welt… Dieses Brathähnchen ist hervorragend! Haben Sie keinen Hunger?“ Nein... noch eine Frage, Herr Chaun. Ist so ein Kongress lukrativ? „Ja, das ist lukrativ in paradiesischen Dukaten auf der Sparkasse der himmlischen Höhen.“