Sinnvolle Arbeit = Gute Arbeit?
Sarah Kröger arbeitet als Fundraiserin und Projektmanagerin für Non-Profit-Organisationen und hat eine Studie zu den Arbeitsbedingungen in der Branche durchgeführt. Ihr Fazit: Sinnstiftende Arbeit allein macht nicht glücklich.
Eigentlich arbeitet Sarah Kröger genau in dem Job, den sie sich immer erträumt hat: Als selbstständige Fundraiserin und Projektmanagerin kann sie einerseits kreativ sein und andererseits für Menschen arbeiten, die Gesellschaft positiv verändern, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen. Sie unterstützt Vereine und soziale Projekte, die ihr wirklich am Herzen liegen. Einer ihrer Kunden zum Beispiel finanziert Sprachkurse für jugendliche Flüchtlinge, Sarah bemüht sich dafür um Gelder von Stiftungen.
Wenn ein Antrag von Sarah durchkommt, ist die Finanzierung und damit das ganze Projekt für einige Monate oder Jahre gesichert. „Flüchtlinge werden in Deutschland als Menschen zweiter Klasse behandelt und hier geht es um Teenager, die keine Familie und keine anderen Bezugspersonen haben und die ohne Deutschkenntnisse nicht in der Schule mitkommen können“, erklärt Sarah. „Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, dass ich diesen Menschen mit meiner Arbeit helfen kann, dass ich also meinen Teil zu einer wirklich guten Sache beitrage.“
Den Einen helfen, die Anderen ausbeuten
Aber trotzdem war Sarah mit ihrer Arbeit lange Zeit nicht richtig glücklich. Für die oft jungen Projekte und kleinen Vereine musste sie immer wieder Arbeiten auf den letzten Drücker erledigen, denn die Abläufe in den Organisationen waren chaotisch. Die Spendenarbeit wurde dadurch erschwert, dass es keine professionelle Datensoftware für das Versenden von Dankesbriefen und Ähnliches gab. Sarah bemerkte, dass viele ihrer Kollegen trotz der ohnehin schlechten Bezahlung ohne Widerspruch auch unbezahlte Überstunden in Kauf nahmen. Und schließlich erlebte sie auch immer wieder, dass Auftraggeber sich nach Monaten und Jahren der guten Zusammenarbeit nicht zu Honorarerhöhungen bereit erklärten. „Wie kann es sein“, fragte sich Sarah in solchen Situationen, „dass viele Vereine und Projekte sich zwar einerseits dafür einsetzen, dass es Menschen besser geht, andererseits aber offenbar nicht ohne die Ausbeutung ihrer eigenen Mitarbeiter existieren können oder wollen?“
Sarah sprach mit Kollegen und Freunden, die auch im Non-Profit-Bereich arbeiteten. Sie stellte fest, dass in vielen Organisationen Verhandlungen über Geld tabu sind. Es scheint ein unausgesprochener Konsens zu herrschen, dass die Mitarbeiter sich glücklich schätzen können, ihre Zeit und Energie einer guten Sache zu widmen.
Eine ESF-geförderte Umfrage, die Sarah daraufhin gemeinsam mit ihrer Kollegin Stephanie Schlosser unter NGO-Mitarbeitern in zwei Berliner Bezirken durchführte, bestätigte die Einschätzung, dass die Arbeitsbedingungen prekär sind und dass die Mitarbeiter unzufrieden mit ihrer Bezahlung sind. Nach Gesprächen mit zahlreichen Experten ist Sarah heute überzeugt, dass die Probleme nicht nur bei den NGOs liegen, sondern auch strukturelle Ursachen haben. Anders als Unternehmen sind NGOs vor allem von Spenden und öffentlichen Förderungen abhängig, was langfristige Finanzierungspläne erschwert. Im Gegensatz zu Organisationen, die zu den großen Wohlfahrtsverbänden wie Diakonie oder Caritas gehören, gibt es kaum Branchenverbände, Tarifverträge, gewerkschaftliche Ansprechpartner und vor allem keine Mitarbeiterlobby für kleinere Vereine, die zum Beispiel im Umwelt- oder Kulturbereich tätig sind. Und die NGOs selbst sprechen zum Teil ungern öffentlich über die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter – aus Angst, dass ihnen dann die Spenden wegbrechen.
Engagiert sein, ohne sich aufzuopfern
Sarah wünscht sich, dass die Politik eine angemessene Bezahlung der Mitarbeiter irgendwann als Voraussetzung für öffentliche Förderungen betrachtet und dass auch die Gewerkschaften kleinere NGOs verstärkt als Zielgruppe wahrnehmen. Für sich selbst hat sie sich inzwischen Mindeststandards gesetzt und darin bleibt sie gegenüber ihren Auftraggebern auch hart: „Unbezahlte Überstunden kommen für mich nicht mehr in Frage“, sagt sie. „Denn die Leute bezahlen doch für alle möglichen Dienstleistungen, die sie kaufen. Es gibt letztlich keine vernünftige Begründung dafür, warum das bei mir anders sein sollte“.
Zu ihrem eigenen Erstaunen haben ihre Kunden das nicht nur akzeptiert, sondern sie gehen heute auch anders mit ihr um: „Früher habe ich mit Leuten zusammengearbeitet, die schlecht erreichbar und unzuverlässig waren. Jetzt sind meine Kunden selbst interessiert daran, dass ich gute Arbeit leiste. Offenbar ist es für sie ein Ansporn, dass ihr Geld gut investiert sein soll.“ Sarah verhandelt ihre Honorare mittlerweile auch selbstbewusst – und nimmt dabei in Kauf, dass sie immer mal wieder den einen oder anderen Auftraggeber verliert. „Es macht mich zwar glücklich, eine sinnstiftende Arbeit zu haben. Eine Arbeit, die in meinen eigenen Augen keinen Mehrwert liefert, würde mich nicht antreiben: Ich könnte einfach kein Katzenfutter vermarkten“. Trotzdem reicht es ihr nicht mehr aus, mit ihrer Arbeit Gutes zu tun: „Um ein glückliches Leben zu führen, brauche ich auch ein gutes Team und eine angemessene Bezahlung.“