Bergbau im Weltraum
Statt unseren Planeten auszubeuten, könnten wir in Zukunft Energie und Rohstoffe von erdnahen Asteroiden beziehen. Im Silicon Valley und in Luxemburg glaubt man: Space is the place!
„Die nächsten 1000 Jahre werden wir nicht überleben, ohne unsere zerbrechliche Erde zu verlassen.“ Diese Prognose wagte der Astrophysiker Stephen Hawking im November 2016. In jedem Falle scheinen Ressourcenknappheit, Klimawandel, bewaffnete Konflikte, nukleare Waffen und Pandemien einen immer dringender werdenden Handlungsbedarf zu wecken.
Selbst wenn man nicht davon ausgeht, dass die Menschheit die Erde in den nächsten Jahrhunderten verlassen muss – Liegt die Zukunft und die Gesundheit unseres Planeten nicht vielleicht gerade auch darin, dass wir den Weltraum in unser wirtschaftliches Handeln einbeziehen und dabei auch Schritt für Schritt Grundvoraussetzungen für Siedlungsgebiete außerhalb unserer Erde schaffen? Würde es unsere Erde nicht entlasten, zunehmend über die Grenze unserer Atmosphäre zu blicken?
Die Industrialisierung der „frontier“
Der Weltraum als Ort für Forschungsprojekte, Ressourcen- und Energiegewinn, technologische Nutzung und mit der Zeit auch als menschlicher Siedlungsraum – das ist eine futuristische Utopie, an der im Silicon Valley im Sitz der US-Firma Deep Space Industries (DSI) heute schon gearbeitet wird. Sagi Kfir, Leiter der Rechtsabteilung der Firma, sitzt in seinem sonnigen kalifornischen Wohnort morgens am Schreibtisch. Satelliten ermöglichen uns ein technisch fast einwandfreies transatlantisches Skype-Gespräch. „Die Ressourcen auf der Erde sind begrenzt. Jeder Eingriff hat unweigerlich Auswirkungen auf Mikroben, Menschen, Tiere. Diese Gefahren gibt es im Weltraum so nicht“, erläutert Sagi Kfir.
Seit den 1950er Jahren wurde der Weltraum für drei Bereiche genutzt: militärische Aktivitäten, wissenschaftliche Regierungsinitiativen und kommerzielle Satelliten. DSI aber „industrialisiert die frontier“, so heißt es auf der Firmen-Webseite. Man rechne mit einer wachsenden Weltraumwirtschaft, space economy. Diese mit unbegrenzter Energie und Ressourcen zu versorgen, hierbei Technologien voranzubringen, um eine „hellere Zukunft für die gesamte Menschheit“ zu schaffen, sei das Ziel.
Luxemburger Weltraumpioniere
Bergbau im Weltraum, insbesondere auf Asteroiden, das so genannte space mining, soll Weltraumaktivitäten zukünftig direkt aus Weltraumressourcen beliefern können. Asteroiden, und von ihnen gibt es nur im erdnahen Bereich über 15.000, sind vor allem reich an einer kostbaren und lebensnotwendigen Ressource: Wasser (H2O). Dieses wiederum kann aufgespalten werden in Wasserstoff (H), eine wichtige Grundlage für Treibstoff, sowie Sauerstoff (O2). „Ein Pfund Gewicht von der Erde in den Weltraum zu schaffen kostet an die 10.000 Dollar. Statt Ressourcen von der Erde zu nutzen und in den Weltraum zu bringen, nutzen wir Ressourcen unmittelbar im Weltraum und verschmutzen so nicht die Erde.“, so Sagi Kfir. Eine ökologisch entlastende Erweiterung des menschlichen Wirkungs- und Lebensraums – das klingt schlüssig und einleuchtend.
Doch führt die langfristige Aussicht auf menschlichen Lebensraum im All nicht zu einem nachlässigeren, risikobereiteren Umgang mit der Erde? Und wem gehört der Weltraum? Wer darf ihn nutzen? Arbeitsgruppen der UN beschäftigen sich bereits mit dem künftigen Verkehrsrecht auf den Erdumlaufbahnen und mit der Minimierung des Weltraummülls. Wahrscheinlich widmen sie sich demnächst auch der Frage des Bergbaus auf Asteroiden, glaubt Professor Mahulena Hofmann, Inhaberin des SES Lehrstuhls für Weltraum- und Satellitenkommunikationsrecht an der Universität Luxemburg und Mitglied des International Institute of Space Law (IISL). Luxemburg, ein ehemaliges Bergbauland, hat in den letzten Jahren beschlossen, ein space mining-Programm zu entwickeln. Hierbei treibt die luxemburgische Regierung juristische Klarheit voran; das Land mit etwas weniger als einer halben Million Einwohner ist hierbei ein gefragter Partner und Experte für im Weltraum aktive Staaten und Firmen.
Unbegrenzte und saubere Energie für Entwicklungsländer
„Ich würde mir wünschen, dass der Weltraum tatsächlich für alle Nutzen bringt“, sagt Professor Mahulena Hofmann. „Mich macht der massive Unterschied zwischen unserer technisch sehr entwickelten Gesellschaft und manchen Staaten der Dritten Welt traurig: ich habe Schulen gesehen, wo kein PC, keine Antenne, kein Internet zur Verfügung steht... Da muss noch viel gemacht werden“, so die Juristin. Das findet man auch bei DSI: „Unsere Philosophie ist, die Verpflichtung zu teilen“, hebt Sagi Kfir hervor.
Kritische Stimmen aber warnen vor einem galaktischen goldrush, wenn nicht nur Wasser, sondern zum Beispiel auch Edelmetalle wie Titan und Platin gefördert werden könnten. Es bestehe die Gefahr, dass davon nur hochentwickelte, wirtschaftlich potente Staaten und Firmen profitieren. Die ohnehin schon vorhandene Schere zwischen ihnen und Entwicklungsländern ginge dann noch weiter auseinander.
„Es ist ein häufiges Missverständnis, dass das Ziel von space mining ist, Edelmatelle zu fördern und auf die Erde zu bringen“, wehrt sich Kfir. „Uns geht es um die Nutzung des Weltraums, die Förderung von Wasser. Außerdem wollen wir Solarzellen im Weltraum aufbauen. Die gewonnene Energie kann in Laserform zur Erde transportiert werden, so profitieren alle von einer sauberen und quasi kostenfreien Energiequelle. Wir sind mittendrin, Entwicklungsländer direkt zu involvieren, ihnen Zugang zu unseren Technologien zu verschaffen. Solarenergie aus dem All kann gerade für Entwicklungsländer bahnbrechend sein.“
Doch eines der größten Potenziale mag in der Vergrößerung der Perspektive liegen, die wir aufs Leben haben, wenn wir den Weltraummaßstab einnehmen, so Sagi Kfir: „Mein Wunsch ist, dass jeder den Weltraum erleben kann. Astronauten sprechen oft von einer spirituellen Erfahrung, ein Erwachen: Was ist der Kern allen Lebens? Warum gibt es Grenzen? Kriege? Wir sind, aus der Außenperspektive, doch nur kleine Geschöpfe auf einem Ball mitten im Weltraum.“ Stephen Hawking gibt den Rat: „Denkt daran in Richtung der Sterne zu blicken – und nicht eurer Füße.“