„Wähl mich!“ – Selbstinszenierung von Politikern

In Deutschland herrscht Wahlkampf. Höchste Zeit, sich als Politiker ins rechte Licht zu rücken. Doch Selbstdarstellung ist Kunst. Und Wähler sind launige Kritiker.

Christian Ude freut sich. Der Sozialdemokrat ist der Herausforderer des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Und derzeit Stadtgespräch. Seit einiger Zeit stehen in München Wahlplakate mit dem Spruch „Ein Ministerpräsident, der Wort hält“ – darauf abgebildet Ude selbst, wie er das Wort „Wort“ in Händen hält.

Die Reaktionen ließen nicht allzu lange auf sich warten. Im Internet sammelten sich die Spötter und verneigten sich vor solch brachialem Wortwitz – bevor sie begannen, sich ihrerseits künstlerisch auszutoben. Die Jugendredaktion der Süddeutschen Zeitung jetzt.de stellte auf dem Tumblr udeholdingthings.tumblr.com die schönsten daraus entstandenen Wortspiele zusammen. Keine Frage, Aufmerksamkeit ist es nicht, woran es Christian Ude mangelt. 

Da ist was!

Doch Aufmerksamkeit ist nicht das Einzige, was ein gutes Wahlplakat erreichen sollte. „Mit dem Plakatieren gerät die Wahl in den öffentlichen Raum. Man sieht, da ist was!“, sagt Professor Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim, der zur Wahrnehmung von politischen Plakaten forscht. „Dem Wähler wird signalisiert, dass eine Wahl überhaupt stattfindet.“ Wähler mit Parteibindung werden angesprochen, sich zu engagieren. Plakate kleben, Flyer verteilen, Freunde überzeugen – die Mobilisierung des Fußvolks ist eine wichtige Machtstütze von Parteien. Ebenso richten sich Wahlplakate aber auch an Wechselwähler. „Spitzenkandidaten sollen dem unentschiedenen Wähler bekannt gemacht werden“,so Brettschneider, „und mit den Themen assoziiert werden, für die die Partei steht.“

In Deutschland sind dies 2013 ausschließlich innenpolitische Themen: Soziale Gerechtigkeit, Wohlstandssicherung und Wirtschaftswachstum, Datenschutz und Steuererhöhungen bestimmen den Wahlkampf. Ein bürgerferner Politikstil wird von der Piratenpartei angeprangert. Sich selbst nehmen die Polit-Newcomer dabei nicht aus. Auf einem ihrer Plakate entschuldigt sich die Partei sogar für die Personalquerelen der Vergangenheit.

Ein Plakat muss vor allem eines sein – plakativ

Neben dem informierenden Plakat gibt es die Möglichkeit der Negativ-Kampagne. Während sie in den USA häufig verwendet wird, ist das Schlecht-Machen des Gegners bei deutschen Wählern nicht beliebt. Derzeit greifen vor allem die Sozialdemokraten die regierenden Christdemokraten mit Plakatinhalten an. In Zeiten von NSA und Edward Snowden attestieren sie der Kanzlerin Ahnungslosigkeit im Umgang mit Datenschutz und Privatsphäre. „In Deutschland gibt es dafür aber keine Kultur“, sagt Brettschneider, „und außerdem ist das Wahlplakat dafür nicht das richtige Instrument. Bei Betrachtungsdauern von durchschnittlich drei Sekunden muss ein Plakat vor allem eines sein – plakativ.“ Wer zu komplizierte Botschaften darstelle, werde nicht verstanden.

Dennoch sind Wahlplakate das wichtigste Mittel bei der Selbstdarstellung von Politikern. Noch immer entfällt das meiste Wahlkampfbudget auf diesen Posten. „Ihre Bedeutung ist nach wie vor hoch“, sagt auch Professor Brettschneider, „Plakate sind an der Spitze – noch vor Wahlwerbespots.“ Soziale Netzwerke und Internetplattformen nehmen zwar an Bedeutung zu, nicht aber auf Kosten von Parteitransparenten.

In der Garage von Laien zusammengezimmert

Umso erstaunlicher, dass die Qualität der Wahlplakate in den vergangenen Jahren nicht besser geworden ist. Dabei gibt die Wissenschaft der Politik relativ simple Regeln an die Hand: Bilder statt Textwüsten. Große Buchstaben. Keine Ironie, keine Anspielungen. Satte Farben statt Neontöne. Lieber Themen ansprechen, als Köpfe von Kandidaten zeigen. Einzige Ausnahme: Spitzenkandidaten, die bereits bekannt sind. Sinnvoll sind wiederkehrende Farben, Layouts und Logos. Sie bilden visuelle Marken, die Wähler mit Parteien assoziieren und durch die sie Plakate schneller entschlüsseln.

Bei Transparenten der Liberalen wird die Markenbildung am deutlichsten. Parteilogo, kurze Schriftzüge, Gelb- und Blautöne sichern hohe Wiedererkennungswerte. Anspruchsvoller gehen es die Grünen an: Wortspiele und ungewöhnliche Bild-Text-Kombinationen werden meist nur von höher Gebildeten verstanden. Puristisch zeigt sich die Linke. Ihre textlastigen Plakate stellen hohe Anforderungen an das Durchhaltevermögen des Betrachters. Für Frank Brettschneider, der die Wahrnehmung von Transparenten mittels Blickerfassung untersucht, ein Graus: „Einige Plakate sehen aus, als seien sie in der Garage von Laien zusammengezimmert. Das ist zum Fenster hinausgeworfenes Geld.“

Seehofer sagt: „Danke“

Ob sich die „Ude-hält-Wort“-Kampagne für Christian Ude auszahlt, ist derzeit noch unklar. Die Wahlprognosen deuten nicht darauf hin. In der gegnerischen CSU kursiert derweil der Witz, man könne nach gewonnener Wahl das Plakat nachdrucken. Dann aber mit dem derzeitigen Ministerpräsidenten Seehofer und einem anderen Wort in den Händen: „Danke“.

Michel Penke, München

Copyright: Goethe-Institut e.V.
August 2013
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