Die Überhangmandate

299 + 299 = 622?

© Bundeszentrale für politische Bildung/bpb

Es gibt 299 Wahlkreise, in denen ein Direktmandat zu holen ist (Erststimme). Mit ihnen wird die Hälfte der Sitze im Bundestag besetzt. Über die andere Hälfte entscheidet das Zweitstimmenverhältnis. Insgesamt hat der Bundestag also 598 Abgeordnete. Wie kann es dann sein, dass 622 Abgeordnete nach der Wahl 2009 im Bundestag Platz nahmen? Eine der umstrittensten (und kompliziertesten) Regelungen des deutschen Wahlrechts macht es möglich: die Überhangmandate.

Die Zahl der Bundestagssitze, die einer Partei zustehen, ergibt sich zunächst allein durch die Zweitstimme. Gewinnen die Kandidaten einer Partei aber in den Wahlkreisen eines Bundeslandes mehr Direktmandate, als ihr nach dem Ergebnis der Zweitstimmen Mandate zustehen, entstehen Überhangmandate. Die Partei darf diese zusätzlichen Sitze behalten. Sie darf also mehr Abgeordnete entsenden, als ihr eigentlich zustehen. Durch diese Überhangmandate erhöht sich die Zahl der Abgeordneten im Bundestag.

Beispiel Baden-Württemberg bei der letzten Bundestagswahl 2009: Hier gewann die CDU 34,4 Prozent der Zweitstimmen. Aus dem Landeskontingent für Baden-Württemberg hätten der Partei demnach 27 Bundestagsmandate zugestanden. Da die CDU-Kandidaten jedoch in 37 Wahlkreisen des Bundeslandes das Direktmandat gewannen, zogen aus Baden-Württemberg zehn CDU-Abgeordnete mehr in den Bundestag ein. 2009 entstanden deutschlandweit 24 Überhangmandate, so viele wie bei keiner Bundestagswahl zuvor. Alle 24 gingen an die Unionsparteien (21 für die CDU, 3 für die CSU in Bayern).

Durch die Vergabe von Überhangmandaten erhöht sich die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag. Gleichzeitig wird dadurch das Zweitstimmenergebnis verfälscht. Denn für ihren Zweitstimmenanteil von 33,8 Prozent hätte die CDU/CSU nach der Wahl 2009 nur 215 Abgeordnete in den Bundestag entsenden dürfen. Nach Anrechnung der Überhangmandate wurden daraus 239 Abgeordnete. Dies entsprach einem Anteil von etwa 38,4 Prozent der Sitze im Bundestag.

Damit Parteien, die keine Überhangmandate gewonnen haben, in Zukunft nicht mehr benachteiligt werden, wurde das Bundestagswahlrecht vor dem anstehenden Urnengang reformiert. Regierung und Teile der Opposition einigten sich auf die Einführung von so genannten Ausgleichsmandaten. Diese gehen an Parteien, die keine Überhangmandate erringen konnten. Es werden so viele Ausgleichsmandate vergeben, bis das dem Zweitstimmenergebnis entsprechende Sitzverhältnis im Bundestag hergestellt ist. Die Folge: der Bundestag wird unter Umständen noch größer.



3. Die Fünf-Prozent-Hürde 1. Die Erststimme (nochmal von vorn)

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September 2013

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