EU-Kritik
Zu teuer? Undemokratisch?
Die Europäische Union sei zu bürokratisch, zu wirtschaftsnah und zu bürgerfern, heißt es oft. Was ist dran an diesen Vorwürfen – und was tut Brüssel dagegen?
Von Eric Bonse
Zu teuer
Es klingt enorm: Rund eine Billion Euro will die EU in den nächsten sieben Jahren ausgeben. Deutschlands jährlicher Nettobeitrag soll bis 2027 auf 23,5 Milliarden Euro steigen. Das sei viel zu teuer, heißt es in Berlin. Manche sprechen von einem „Beitragshammer“. Dabei ist Deutschland nicht nur größter Nettozahler, sondern auch größter Gewinner. Niemand hat von Binnenmarkt und Euro so profitiert wie die deutsche Exportwirtschaft. Zudem ist der EU-Beitrag mit rund einem Prozent der Wirtschaftsleistung günstiger als die Nato-Mitgliedschaft, deren Ziel zwei Prozent sind. Die angeblich sündhaft teure EU-Kommission in Brüssel kostet außerdem kaum mehr als die Stadtverwaltung in Köln. Dass Deutschland trotzdem tiefer in die Tasche greifen muss, liegt am Brexit: Der britische EU-Austritt reißt ein Loch in die Kasse. Auch das angedachte Klimapaket, der European Green Deal, wird vermutlich teuer.
Wirtschaftsnah und bürgerfern
TTIP, CETA, Mercosur: Für viele Kritiker*innen stehen diese Kürzel für eine wirtschaftshörige und bürgerferne EU. Tatsächlich hat sich Brüssel beim Freihandel oft mehr um die Interessen der Unternehmen gekümmert als um die Bürger*innen. Der umstrittene Deal mit den Mercosur-Staaten in Südamerika wurde erst kurz nach der Europawahl 2019 bekanntgegeben – die Wähler*innen fühlten sich übergangen. Bei anderen Entscheidungen zeigt sich die EU-Kommission aber durchaus bürgernah, wie etwa bei der Abschaffung der Roaming-Gebühren für Mobiltelefone. Auch beim Handel gibt es Fortschritte. So werden Verhandlungsmandate neuerdings im Internet veröffentlicht. Wenn sich trotzdem hartnäckig der Eindruck hält, Brüssel entscheide über die Köpfe der Menschen hinweg, so liegt dies auch an den Mitgliedsstaaten: Wenn etwas in der EU gut läuft, dann schmücken sich diese gern mit den Lorbeeren. Doch sobald es Probleme gibt, geht der Schwarze Peter nach Brüssel.
Undemokratisch
Wie demokratisch ist die EU? Diese Frage sollte eigentlich mit der Europawahl 2019 beantwortet werden. Die Spitzenkandidat*innen wollten der Demokratie auch in Brüssel zum Durchbruch verhelfen. Doch nachdem man sich nicht auf eine*n gewählte*n Kandidat*in für die Leitung der EU-Kommission einigen konnte, steht die Frage wieder im Raum. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gilt vielen als lebender Beweis für undemokratische Strukturen. Allerdings sind die EU Staats- und Regierungschefs, die sie nach langem Geschacher ausgesucht haben, selbst demokratisch gewählt. Zudem hat das Europaparlament von der Leyen am Ende doch noch eine Mehrheit gegeben. Im Gegenzug hat es unter anderem eine Konferenz zur Zukunft Europas durchgesetzt, die ab 2020 auch darüber beraten soll, wie die EU demokratischer werden kann. Die Ergebnisse sollen bei der Europawahl 2024 umgesetzt werden.
Der Vorwurf, die EU sei nicht demokratisch genug, gehört zu den Argumenten der Brexit-Befürworter*innen in Großbritannien.
| Foto: © picture alliance/Steve Taylor/ZUMA Press
Intransparent
Nicht immer geht es in der EU so transparent zu, wie sich dies Politiker*innen und Bürger*innen wünschen. Das liegt jedoch nicht an bösem Willen, sondern an komplexen Strukturen. Viele Themen, mit denen sich die EU-Kommission beschäftigt, sind so kompliziert, dass Expert*innen oder Lobbyisten zu Rate gezogen werden müssen. Die Sitzungen finden nicht immer öffentlich statt, sondern in Brüsseler Büros oder Hinterzimmern. Ganz so intransparent, wie sie beschrieben wird, ist die EU jedoch auch nicht. Dies ist vor allem dem Europaparlament zu verdanken, das für die Offenlegung von Lobby-Kontakten kämpft. Seit 2011 gibt es in Brüssel ein Transparenzregister, das selbst in Berlin als vorbildlich gilt. Darin steht zum Beispiel, wann sich der ehemalige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger mit Unternehmensvertretern getroffen hat. Neuerdings werden auch die wichtigsten Lobby-Treffen von Europaabgeordneten offengelegt. So lässt sich leichter nachvollziehen, wie ein EU-Gesetz zustande kommt.
Bürokratisch
Die legendären Regeln zum „Krümmungsgrad von Salatgurken“ sind längst Geschichte. Dennoch steht die EU-Kommission weiter im Ruf, ein bürokratisches Monstrum zu sein. Selbst der Einsatz des deutschen Anti-Bürokratie-Beauftragten Edmund Stoiber hat daran nichts geändert. Dabei steuert Brüssel um. Unter Ex-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wurden 34 Gesetzesvorschläge zurückgezogen. Juncker brüstet sich, 75 Prozent weniger Gesetze vorgeschlagen zu haben als seine Vorgänger. „Better regulation“ war sein Schlachtruf. Auch seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen hat der Bürokratie den Kampf angesagt: Für jedes neue EU-Gesetz will sie ein altes streichen. Der Beifall der Konservativen ist ihr sicher. Deren Spitzenkandidat bei der Europawahl, Manfred Weber, hatte sogar die Streichung von 1000 Gesetzen versprochen. Doch es gibt auch mahnende Worte: Ohne ein Mindestmaß an Regeln werde sich beispielsweise die Klimakrise nicht meistern lassen.
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