Demokratisierung im Klimakampf?
Klimawandel und soziale Kämpfe
Können wir in Frankreich den Klimakampf gewinnen? Drei junge Aktivist*innen berichten von ihrer Sicht auf die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kämpfe.
Von Victoria Berni
„Solange alles auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet ist, werden wir kein nachhaltiges oder gerechtes System erschaffen.“ Ich kann Asuka nur zustimmen, dass ein grüner Kapitalismus keine Lösung für unsere Klimakrise ist. Schauen wir uns einmal genauer an, wie Klima- und Umweltaktivismus mit sozialer Gerechtigkeit in meinem Land zusammenhängen.
In Frankreich passiert gerade etwas, was einen Sieg im Klimakampf bedeuten könnte. Im Oktober 2019 startete eine ganz neue Form der Demokratieausübung: Ein Bürgerabkommen für das Klima (Convention Citoyenne pour le Climat), bei dem 150 ausgeloste Bürger*innen Maßnahmen ausgearbeitet haben, um Frankreichs Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 Prozent zu reduzieren.
Dennoch sind zahlreiche Institutionen der Meinung, dass der Gesetzesvorschlag der französischen Regierung im Anschluss an das Abkommen die Arbeit der Bürger*innen zunichte gemacht hat. Dabei sollte das Abkommen eigentlich wieder einen demokratischen Dialog herstellen nach dem harten Durchgreifen gegen die Bewegung der Gelbwesten, die seit November 2018 gegen eine CO2-Steuer auf den Kraftstoffpreis protestierten. Und dieser Protest ist absolut verständlich, wenn man bedenkt, dass die CO2-Steuer in Frankreich das Budget der ärmsten 10 Prozent viermal schwerer belastet als das der reichsten 10 Prozent, obwohl Letztere die Umwelt viel stärker verschmutzen.
Für Elodie, die 32-jährige Sprecherin von Alternatiba, „haben die Gelbwesten die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit im Zusammenhang mit dem Klima verkörpert. Seither hat sich die Klimabewegung nicht nur vergrößert, sondern auch Verbindungen geknüpft.“
Eine dekoloniale Ökologie der unteren Schichten für Klimagerechtigkeit
Im Zuge dieser Verbindungen vereinigte sich Alternatiba am 18. Juli 2020 mit dem Comité Adama zu einem Protestmarsch gegen die Luftverschmutzung in den Arbeitervierteln und die Polizeigewalt, die zum Erstickungstod von Cédric Chouviat, Lamine Dieng d’Adama Traoré und anderen Opfern rassistischer Diskriminierungen führte. Dabei proklamierte Elodie: „Die Bewegung Adama und die Klimabewegung stehen für dieselbe Botschaft: Wir wollen atmen.“Diese Ökologie der unteren Schichten kämpft gegen „die Kolonisierung der Arbeiterviertel durch höherrangige Bevölkerungsgruppen“ (Manon Vergerio). Die Gentrifizierung drängt die sozial schwächere Bevölkerung an die Stadtränder, zu Industrieanlagen, in eine von den Hauptverkehrsachsen verschmutzte Umwelt und heruntergekommene Wohnungen mit niedriger Energieeffizienz. Um diesem Phänomen entgegenzuwirken, besetzt Youth for Climate Häuser für sozial Schwache im Zentrum von Paris.
Business as usual hinter der Fassade der liberalen Ökologie
Laut Maxime, dem 24-jährigen internationalen Koordinator von Extinction Rebellion Frankreich, geht es darum, „die Probleme an der Wurzel zu packen, also im wahrsten Sinne des Wortes radikal zu sein. Dazu gehört auch, Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen diejenigen Sektoren durchzuführen, die für die Zerstörung des Lebens, der sozialen Verbindungen und der Demokratie verantwortlich sind.“In diesem Sinne geriet 2020 Total ins Visier, um eine liberale Ökologie anzuprangern, die Greenwashing betreibt und währenddessen am selben zerstörerischen Wirtschaftsmodell festhält. Elodie erklärt: „Total will aus der Raffinerie von Grandpuits eine Fabrik für Biokraftstoff machen und 200 Leute entlassen. Den Arbeiter*innen sind die Folgen für das Klima bewusst und sie wollen ihren Beruf verändern, aber ohne die soziale Zerstörung und das Greenwashing der Firma Total, die weiterhin Erdöl fördert.“
Maxime ist der Meinung, dass „wir den notwendigen wirtschaftlichen Paradigmenwechsel zum Beispiel mit einem Einkommen erreichen, das ökologischen Wandel belohnt, wie es Sophie Swaton vorschlägt, um den beruflichen Wandel zu finanzieren“.
Die globale Ökologie im Zeichen des kulturellen Kampfs
Elodie findet, dass bereits ein kultureller Sieg errungen wurde: „In Frankreich gibt es 2021 keine einzige politische Partei, die nicht von Umweltschutz spricht, und alle Sektoren wollen sich daran beteiligen. Das nächste Ziel ist nun, von einer individuellen zu einer globalen Ökologie zu gelangen.“ Aber dafür muss es Angebote für eine alternative Lebensweise geben.Mit dieser Vision begann die 26-jährige Romane eine Dissertation zum Thema ökologische Orte: „Ist ein anderes Wohnen eine Möglichkeit, für eine globale Ökologie zu kämpfen? Wir wohnen in einer lebendigen, engagierten Kommune, sind genügsam und lokal mit der Erde und unseren Nachbar*innen verbunden. Wir leben, was wir glauben. Wir versuchen, uns in lokalen Institutionen einzubringen. Wir kämpfen an vielen verschiedenen Orten. Wir empfangen Besucher*innen, um weiterzugeben und zu zeigen, dass ein anderer Lebensstil möglich ist.“
Außerdem kann mein Bloggerkollege Gabriele euch erzählen, wie große italienische Unternehmen ganz ohne rechtliche Folgen zu Klimaverbrechern werden – und wie wir Aktivist*innen darauf reagieren können. Neugierig geworden? Dann lest seinen Beitrag in der kommenden Woche!
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