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Mai 2022
Romy Hausmann: Liebes Kind

Bucheinband: Dear Child
© Quercus

Wenn die unerwarteten Wendungen in Gone Girl dich in den Bann gezogen haben, empfehlen wir Romy Hausmanns Liebes Kind.

Die Veröffentlichung von Gillian Flynns Gone Girl Das perfekte Opfer veränderte den Buchmarkt. Mit einer geschickten, verwickelten Handlung und zwei Erzähler*innen, deren Unzuverlässigkeit stets für Spannung sorgt, blieb der Thriller jahrelang auf den Bestsellerlisten, woraufhin immer mehr Thriller erschienen, die sich um Frauen drehen, die nicht gerade perfekt sind.

Wenn die unerwarteten Wendungen in Gone Girl dich in den Bann gezogen haben, oder du eine Vorliebe für unzuverlässige Erzähler*innen hast, empfehlen wir Romy Hausmanns Liebes Kind, ein Thriller, der laut dem englischen Verlag  anfängt, wo die anderen aufhören: Eine Frau und ihre Tochter werden nach einem Autounfall ins Krankenhaus eingeliefert, und während die Krankenpfleger mit dem Kind reden, werden sie – und die Leserin – immer verunsicherter. Das Kind, Hannah, besteht darauf, dass niemand sie finden darf, beschreibt ganz unbedarft den „Zirkulationsapparat“, über den Luft ins Haus der Familie kommt, und flüstert, dass ihre Mutter den Papa „aus Versehen“ töten wollte. Kurz darauf telefoniert die Polizei mit Matthias und Karin Beck: Sie glauben, dass sie in der Frau ihre Tochter, Lena, gefunden haben, die vor 4993 Tage verschwunden ist.

Die Geschichte wird von der wiedergefundenen Frau, Lenas Vater Matthias, und Hannah erzählt. Allmählich entsteht ein Bild von der Hütte im Wald, in der die Familie wohnte, und dem Mann, der Gott spielen wollte, indem er sie dort gefangen hielt. Aber jedes Mal, wenn die Figuren oder die Leser*innen glauben, dass sie einen Teil des Puzzles gelöst haben, tauchen neue Fragen auf. Ist die Frau im Krankenhaus wirklich Lena Beck – und wieso stimmen ihre Erinnerungen nicht mit dem überein, was die Polizei findet? Ist Matthias Liebe für Lena und Hannah – und sein Verhältnis zur Presse – so geradlinig, wie es scheint? Und was ist mit Hannahs jüngerer Schwester passiert? Die Paranoia und das Trauma der Figuren sind stets präsent und schaffen eine unheimliche Stimmung, in der man niemandem vertrauen möchte.

Manchmal wird der Vorwurf laut, dass Thriller eher frauenfeindlich seien, und Gewalt gegen Frauen darin häufig ein bloßes Handlungselement darstelle. Vor diesem Hintergrund sticht Liebes Kind heraus. Hausmanns Protagonistin ist alles andere als perfekt, aber sie ist ein dreidimensionaler und glaubwürdiger Charakter, der alles daransetzt, sich und andere zu retten, aber von der Schuld der Überlebenden und einer posttraumatischen Belastungsstörung geprägt ist. Lenas Versuch „Geheimnisse und Privatsphäre” für ihre Kinder zu schaffen und „die Welt in unsere starren vier Wände“ zu holen, eröffnen jedoch auch einen ganz neuen Handlungsspielraum. Hausmann hinterfragt auch, dass Überlebenden von sexueller Gewalt oft eine Teilschuld gegeben wird: Lena kann nicht vergessen, wie ihre Freundin sie gefragt hat, wieso sie nicht gekämpft hat, als sie vergewaltigt wurde, und Matthias liest mit Bitterkeit, wie die Presse seine Tochter nach ihrem Verschwinden als Partymaus mit zweifelhafter Moral diffamiert.

Hausmanns Thriller zu rezensieren, ohne zu viel zu verraten, ist schwierig. Es ist aber auf jeden Fall ein Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen will – um es anschließend an eine Freundin weiterzugeben. Eine obsessive, süchtig machende Lektüre voller Überraschungen.

Über die Autorin

Annie Rutherford ist eine hoffnungslose Leseratte, kann sich nie auf nur eine Sache festlegen und bewegt sich am Liebsten irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Sie ist stellvertretende Festivaldirektorin bei StAnza (Schottlands internationalem Lyrikfestival), übersetzt vor allem literarische Texte aus dem Deutschen ins Englische, leitet den Buchclub der Lighthouse Buchhandlung in Edinburgh, der übersetzte Schriftstellerinnen diskutiert, und vieles mehr. Sie wurde schon erwischt, wie sie fahrradfahrend gelesen hat (was sie nicht empfehlt) und kann ein falsch gesetztes Apostroph aus fünfzig Metern Entfernung erkennen.


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