Facets of Kafka
Basierend auf Michael Kumpfmüllers gefeiertem Roman zeigt dieses Porträt von Kafkas letzter Liebe im Jahr vor seinem Tod den Autor in einem ungewöhnlich erfrischenden Licht.
Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereitliegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feind-selig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie beim richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.
Kafka schrieb diese Zeilen im Oktober 1921 in sein Tagebuch, etwa zwei Jahre, bevor er im Sommer 1923 während eines Kuraufenthalts an der Ostsee die 25-jährige Dora Diamant kennenlernte. Mit ihr erlebte er seine letzte Liebe und trotz fortschreitender Tuberkulose ein oft 'herrliches' und heiteres letztes Lebensjahr bis er im Juni 1924 starb.
Dementsprechend schildern Regisseur*innen Georg Maas und Judith Kaufmann die Beziehung zwischen dem vierzigjährigen kranken Schriftsteller und der fünfundzwanzigjährigen Diamant mit viel Leichtigkeit und Frische. Die erste Begegnung findet am sonnigen Strand statt. Wir sehen Kafka von Kindern umringt, die ihn zum Erzählen animieren. Am Abend beobachtet er Dora am Meer tanzend. Die junge Polin aus einer strengen jüdischen Familie möchte Tänzerin werden, muss sich dafür gegen ihre Familie durchsetzen. Mit gleicher Entschlossenheit lässt sie sich auf die Beziehung mit dem totkranken Kafka ein, muss die Ablehnung von Kafkas kontrollierenden Eltern aushalten. Nicht alles ist unbeschwert, doch Kafka scheint aus der Beziehung neue Energie zu ziehen.
Mass und Kaufmann zeigen so einen Kafka, der dem langläufigen Bild des von Selbstzweifelen gequälten Autors widerspricht. Ihr Kafka ist witzig, unternehmungslustig, romantisch. Sein Schreiben ist ihm wichtig, aber es nimmt ihn nicht vollständig in Besitz. Vielleicht kommen sie Kafka damit näher, vielleicht auch nicht. Aber sie eröffnen die Möglichkeit einer neuen Sichtweise.
Deutschland, Österreich 2023, Farbe, digital, 98 Min. Deutsch mit englischen Untertiteln. Regie: Judith Kaufmann, Gregor Maas. Mit: Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin.
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