Besucherreise
„Die offenen Gemeinden haben mich stolz gemacht“
Die indonesische Islam-Forscherin Irma Wahyuni hat mit einer Besucherreise des Goethe-Instituts für muslimische Intellektuelle aus Indonesien zwei Wochen lang Deutschland erkundet. Hier spricht sie über Flüchtlinge, Radikalismus und Individualismus.
Fast zwei Wochen ist die Gruppe von rund 15 muslimischen Intellektuellen aus Indonesien durch Deutschland gereist. Sie haben in Göttingen, Frankfurt und Berlin andere Muslime getroffen, mit Islam-Wissenschaftlern diskutiert, Museen besucht und in Moscheen in Neukölln erfahren, wie das tägliche Leben in Deutschland als Muslim funktioniert. Im Interview erzählt Irma Wahyuni, wie diese Reise ihr Bild von Deutschland veränderte.
Frau Wahyuni, zwei Wochen Deutschland liegen hinter Ihnen. Was hat Sie am meisten beeindruckt?
Da gab es viel. Es ging nicht nur um die Religion, sondern immer auch darum, wie der Islam in der Gesellschaft hier wahrgenommen wird. Zum Beispiel haben wir mit Wissenschaftlern intensiv über die Vereinbarkeit von Islam und Demokratie gesprochen. Interessant fand ich auch, wie die Mehrheitsgesellschaft mit neuen Einflüssen wie dem Islam umgeht, wie Muslime zum Teil auch negativ betrachtet werden.
Sie haben auch Flüchtlingsheime besucht. Was haben Sie von den Geflüchteten gelernt?
Wir haben zunächst gehört, dass die Menschen aus unterschiedlichsten Gründen nach Deutschland gekommen sind. Einige wurden zum Beispiel gezwungen, in einer Armee zu kämpfen. Sie sagten, dass das Schwierigste für sie die deutsche Sprache ist — und selbst wenn sie langsam Deutsch sprechen, ist es schwer für sie, Deutsche kennenzulernen.
Was sagen die Imame der Moscheen in Deutschland?
Bei den Moschee-Besuchen fand ich besonders interessant, dass sie den Gebetsraum immer auch für Nicht-Muslime öffnen. Sie diskutieren mit den Gästen, egal welchem Glauben jemand angehört. Das hat mich als Muslimin auch stolz gemacht. Die Imame verstecken sich nicht.
Sie waren auch in der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, ein ganz besonderes Projekt. Wie war das für Sie?
Ja, so etwas habe ich vorher noch nicht gesehen. Sie versuchen, sehr viele neue Regeln aufzustellen. Das Problem ist doch, dass das Wort „radikal“ so viel zusammenfasst. Es gibt sicher Menschen, die die Betreiber der Ibn-Rush-Moschee als radikal bezeichnen würden. Ich würde wohl eher das Wort „mutig“ verwenden. Dass Frauen und Männer zusammen beten, ist schon etwas Neues. Ich würde sagen, sie versuchen eine Brücke zu bauen.
Indonesien ist ein muslimisches Land. Erleben Sie es dort auch offen?
Obwohl Indonesien ein mehrheitlich islamisches Land ist, sehen wir uns auch als multiethnisch. Daraus können sich natürlich Konflikte ergeben, aber das muss sich in der politischen Praxis niederschlagen. Ich habe in Jakarta viele Freunde, die Hindus oder Christen sind oder die verschiedenen Strömungen im Islam angehören: Schiiten, Sunni, Achmadiyya. Und liberale Gemeinden gibt es auch in Jakarta, es ist eine offene und tolerante Stadt.
Hat sich Ihr Bild von Deutschland verändert?
Bevor ist ich hierher gekommen bin, hatte ich immer gedacht, dass der Individualismus hier sehr wichtig ist. Jeder verlässt sich nur auf sich selbst. Aber Individualismus kann auch etwas Positives sein kann. Die Menschen hier beschäftigen sich auch damit, wie sie das Zusammenleben verbessern können.