Weibliche DJs
Mehr Frauen an die Turntables

Gudrun Gut ist seit den 1980er-Jahren in der Musikszene aktiv.
Gudrun Gut ist seit den 1980er-Jahren in der Musikszene aktiv. | Foto (Detail): GGut live Sonoras 2018 © Jose M. Pedrajas

Das Netzwerk female:pressure setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen am DJ-Pult stehen.

Von Johannes Zeller

Der Frauenanteil in der elektronischen Musik ist heute höher als Ende der 1990er-Jahre. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Frauen in der Elektromusikszene überrepräsentiert wären – im Gegenteil. Nadine Moser alias Resom, Susanne Kirchmayr alias Electric Indigo und Gudrun Gut sind Ikonen der elektronischen Musik, doch sie sind davon überzeugt, dass es Frauen auch in dieser Branche deutlich schwerer haben als ihre männlichen Kollegen. Mit dem internationalen Netzwerk female:pressure setzen sie sich unter anderem dafür ein, dass weibliche DJs häufiger am Mischpult stehen und mehr Anerkennung finden. 

Pseudo-Komplimente und große Skepsis

Susanne Kirchmayr beispielsweise war in ihrer Tätigkeit als Musikerin immer wieder mit sexistischem Verhalten konfrontiert: „Da gibt es zum Beispiel die beleidigenden Pseudo-Komplimente wie ‚für eine Frau bist du echt gut‘, die alle meine Kolleginnen kennen.“ Weiblichkeit sei zwar kein Nachteil per se. Immerhin müssten sich alle Newcomer-DJs erstmal mühsam ein Profil erarbeiten – und dass man als Frau eine Ausnahme sei und damit hervorsteche, könne am Anfang der Karriere durchaus Vorteile haben. Unterm Strich überwiegen für Kirchmayr jedoch die Nachteile: „Was mir mit Regelmäßigkeit auffällt, ist, dass Frauen mit größerer Skepsis begegnet wird. Männern traut man von vornherein mehr zu. Frauen brauchen eine stabilere Persönlichkeit, um sich durchzusetzen. Wer kein dickes Fell hat, hört schnell wieder auf.“

Als Electric Indigo prägt Kirchmayr die Musikszene bereits seit den späten 1980er-Jahren. 1998 gründete sie female:pressure, ein internationales Netzwerk für Künstlerinnen in der elektronischen Musik und digitalen Kunst. In der Mailingliste tauscht man sich zum Handwerk des Musikmachens aus, warnt vor sexistischen Veranstaltern oder organisiert gemeinsame Aktionen und Podcasts. Heute zählt female:pressure 2.370 Mitglieder aus 75 Ländern, darunter auch immer mehr Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau einordnen wollen oder transsexuell sind. „Bei uns wird auf Solidarität wert gelegt“, betont die Gründerin. Willkommen seien alle – vom Newby bis zum Profi.

Bessere Sichtbarkeit für weibliche Akteurinnen

Auch Gudrun Gut ist seit den 1980er-Jahren in der Musikszene äußerst aktiv, unter anderem als DJ, Moderatorin und Betreiberin des Musiklabels Monika Enterprise. Das Gründungsmitglied der Band Malaria! denkt nicht, dass es Frauen in der elektronischen Musik schwerer oder leichter haben als in anderen Musikrichtungen, die Situation sei überall ähnlich: „Die Musikszene an sich ist sehr männerdominiert – da reicht schon ein Blick in die Plattensammlung“, stellt sie fest. Und sie erinnert sich an die Anfangszeit von female:pressure: „Ein entscheidender Moment war, als wir angefangen haben zu zählen. Wie viele Männer werden gebucht und wie viele Frauen? Es gab teilweise zu 100 Prozent männliche Festivals. Das war für uns alle schockierend.“

Wie groß die „Vorherrschaft der Männer“ in der Musikszene sei, zeigte auch eine Aktion des britischen Guardian im Jahr 2015. Die Zeitung veröffentlichte auf ihrer Website die Flyer von Musikfestivals, blendete jedochalle männlichen Acts im Lineup aus– mit dem Resultat, dass häufig kaum noch jemand übrigblieb. 

Dass es weiblichen DJs heute etwas leichter fällt, gebucht zu werden, als um die Jahrtausendwende, darüber freuen sich die Künstlerinnen. „Es gibt mittlerweile einen höheren Frauenanteil in der elektronischen Musik. Hinzu kommt, dass sich in den letzten Jahren auch ein starker feministischer Diskurs entwickelt hat“, resümiert Kirchmayr die Fortschritte 20 Jahre nach der Entstehung des Netzwerks. Auch Gut bestätigt, dass die Sichtbarkeit weiblicher Künstlerinnen besser geworden sei. Es sei schön zu sehen, dass langsam das Bewusstsein dafür steige, dass man für Festivals nicht nur männliche Acts buchen könne. 

Top