Die Verbindung von Poesie und Musik

Dana Muhedin spielt Tar
© Goethe-Institut Irak

Poesie und Musik sind Kunstformen, die sich seit jeher gegenseitig inspirieren und beeinflussen und bis heute von Bedeutung sind. Wo Musik auf Poesie trifft, zum Beispiel bei der Vertonung von Gedichten, werden die Worte in einen neuen Kontext gebracht und bekommen damit auch eine neue Bedeutung und neuen Wert.

Von Hevy Omer und Susanne Polek

Der kurdische Musiker Dana Muhedin spielt Tar und Setar und hat das Talent, durch seine musikalischen Reinterpretationen zu zeigen, welche Wirkmacht die Verbindung von Dichtung und Musik entfalten kann – zum Beispiel, wenn er Ahmedi Khanis († 1707) Poesie vertont. Bei einem vom Goethe-Institut organisierten Konzert in Sulaimaniyya im Mai 2023 hat er diese, gemeinsam mit dem Sänger Riyad Osman, zum Besten gegeben. In eine Künstler*innenfamilie hineingeboren, begleitet die Musik Muhedin bereits seit seiner Kindheit und ist wichtiger Bestandteil seines Lebens. Muhedin beschreibt, dass Musik, ob in Momenten der Freude oder der Trauer, immer Teil seines Wesens, eine Quelle der Ruhe und des inneren Friedens war. Mit der Zeit wuchs seine Verbindung zur und seine Bewunderung für Musik, und so begann er selbst Tar und Setar zu spielen und wurde Musiker.

Tar-Spieler und Komponist Dana Muhedin während eines Konzerts in Sulaymaniah
Tar-Spieler und Komponist Dana Muhedin während eines Konzerts in Sulaymaniah | © Goethe-Institut Irak / Semyan Shaboy
Die Tar ist ein Saiteninstrument, das im persischen Sprachraum entstanden ist und spätestens ab dem frühen 20. Jahrhundert in Gebieten wie Sine, Kermanschah und Urmia, im heutigen Iran, gespielt wurde. Laut Dana Muhedin eignet sich die Tar gut, um klassische kurdische Poesie zu begleiten, da viele bedeutende kurdische Sänger*innen des 20. Jahrhunderts mit dem Instrument vertraut waren. Darunter Sayed Ali Asghar Kurdistani, Ali Merdan, Hesen Zirek, Mohammad Mamle, Nasser Razazi. Viele der klassischen Dichter*innen der kurdischen Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wiederum waren vom Sufismus beeinflusst. Diese Dichter*innen beschäftigten sich mit der Seele auf ihrem Weg zur Vereinigung mit dem Göttlichen und behandelten in ihren Gedichten das Streben der Suchenden, die Grenzen der materiellen Welt zu überwinden. In ähnlicher Weise glaubt auch Muhedin, dass er die Grenzen der physischen Welt beim Spielen der Tar überwindet. Die Verbindung zwischen mystischer Literatur und der Tar möchte der Musiker weiter erkunden.  

Auch Ahmedi Khanis Gedichte haben sufische Elemente, was Dana Muhedin inspiriert, Khanis Arbeiten für seine musikalischen Kompositionen zu nutzen. Dazu kommt Khanis starkes Bewusstsein für die kurdische Sache, insbesondere sein Einsatz für die kurdische Sprache. Khani verfasste seine Gedichte zu einer Zeit auf Kurdisch, zu der die Sprache nicht viele Leser*innen hatte, weshalb er als Aktivist bezeichnet werden kann. Er setzte sich für Frieden ein und feierte mit seiner Musik das reiche musikalische Erbe der Kurd*innen – und würde sich wohl auch selbst als Aktivist verstehen. 
Tar-Spieler und Komponist Dana Muhedin und Vokalist Ryad Osman während eines Konzerts in Sulaymaniah
© Goethe-Institut Irak / Semyan Shaboy

Wenn Muhedin Musik komponiert, schreibt er zuerst die Rhythmen und Noten. Dann experimentiert und improvisiert er. Beim Improvisieren lässt Muhedin sich von poetischen Versen inspirieren, die dann die Grundlage seiner musikalischen Stücke bilden. So entstehen Stücke, die auf dem kreativen und experimentellen Arbeiten mit den Rhythmen basieren.

Muhedin betont außerdem, dass Poesie und Musik untrennbar miteinander verbunden sind. Er glaubt, dass beide dasselbe Ziel haben: Sie berühren das Herz und die Seele der Menschen. Laut Muhedin bleibt aufrichtige und ehrliche Musik, die sowohl bei Künstler*innen als auch Zuhörer*innen Emotionen auslöst, über Jahrhunderte in den Köpfen und Herzen der Menschen. Für ihn ist die Dichtung eines der am besten geeigneten literarischen Genres, um ein Gefühl von Aufrichtigkeit zu vermitteln. Er sieht die Kombination von Musik und Poesie als Weg, beide Kunstformen zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Tar-Spieler und Komponist Dana Muhedin während eines Konzerts in Sulaymaniah
© Goethe-Institut Irak / Semyan Shaboy
Das Potenzial der Musik, Poesie neu zu interpretieren, zeigt sich besonders bei alten und klassischen Gedichten, denen durch die Vertonung neues Leben eingehaucht werden kann. So bleibt ihr kulturelles Erbe erhalten. Musik kann auch eine Verbindung zwischen unterschiedlichen kulturellen Kontexten schaffen. Sie bringt Menschen die Erfahrungen anderer näher und fördert somit Offenheit und Empathie. Muhedins Bemühungen, Khanis klassische Gedichte in seiner Musik, die er gemeinsam mit dem Sänger Riyad Osman aufführt, wiederzubeleben, schaffen auch einen neuen Zugang für das Publikum zu Poesie und stärken die Wertschätzung kultureller Vielfalt.

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