Shida Bazyar auf Lesereise in Italien
Nachts ist es leise in Teheran
Shida Bazyars Debütroman „Nachts ist es leise in Teheran“ ist in Italien für den Premio Strega Europeo 2024 nominiert. Wie bei vielen Erstlingswerken strahlt auch von diesem eine besondere Faszination aus. Oft behandeln Debütromane das erste Thema, das eine*n Schriftsteller*in im Leben bewegt. Das war auch bei Shida Bazyar der Fall, deren Roman mit der Revolution von 1979 im Iran beginnt, über die Flucht berichtet und von Ankunft sowie einem Leben in Deutschland erzählt.
Von Sarah Wollberg
Die Themen, die die junge Schriftstellerin besonders bewegten, waren vor allem zwei: die Iranische Revolution, die ihre Familie nach Deutschland führte, und die postmigrantische Perspektive, die daraus resultierte. Ein Master in „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ an der Universität Hildesheim bot ihr schließlich den angemessenen Rahmen, diese umfangreiche Recherche in ihr literarisches Debüt zu verwandeln. In den Kapitel 1979, 1989, 1999 und 2009 erleben wir vier Jahrzehnte Familiengeschichte und vier verschiedene Perspektiven. Die Stimmen von Behsad, Nahid, Laleh und Mo gewähren beeindruckende Einblicke in die verschiedenen Lebenssituationen und die Entwicklungen der Familie zwischen dem Iran und Deutschland.
Mutige Stimmen
In Italien ist Shida bereits durch Drei Kameradinnen bekannt, der in Deutschland ihr zweiter Roman und in Italien ebenfalls bei Fandango unter dem Namen Fuoco (Feuer) 2022 erschienen ist. Er spielt im heutigen Deutschland zur Zeit des NSU-Prozesses, ein Land, das kein sicherer Ort für migrantisierte Personen ist, die Aggressionen, Bedrohungen und systematischem Rassismus ausgesetzt sind. Die drei Freundinnen Saya, Hani und Kasih sind zusammen aufgewachsen und stark miteinander verbunden, denn zwischen ihnen gibt es keinen urteilenden Blick von außen und keine Erklärungsnot. Sie halten zusammen, egal was passiert, auch als eine von ihnen mit Verdacht auf Brandstiftung ins Gefängnis kommt.Es ist notwendig, dass diese Perspektiven in die Literatur einfließen, damit die Sicht auf die Dinge nicht länger einseitig bleibt. Shida berichtet, dass sich die Literaturlandschaft glücklicherweise seit Nachts ist es leise in Teheran ein wenig verändert habe. Moderator*innen, Rezensent*innen und das Publikum seien heute vielfältiger, jünger und weiblicher. Endlich fänden auch Frauenthemen ihren Platz in der Literaturlandschaft und würden als ein fester Bestandteil akzeptiert.
Neue Denkweisen
Und was liest die junge Autorin selbst gerade? Mut und Offenheit zählen ganz klar auch bei der Auswahl ihrer Lektüre. Diese finden wir nicht nur in der Belletristik, sondern auch im Bereich Sachbuch. Ein Buch, das sie uns ausdrücklich empfiehlt, ist Über Israel reden von Meron Mendel, das für den Deutschen Sachbuchpreis 2023 nominiert war. Mendel, in Israel geboren und seit 20 Jahren in Deutschland, setzt sich mit dem Verhältnis Deutschlands zu Israel und dem Nahostkonflikt auseinander und damit, wie dieser in der Politik und den Medien unter Linken, Migranten und Juden verhandelt wird. Deutschland steht vor einer großen Herausforderung und Meron Mendel weist einen Weg, ähnlich wie Shidas Roman, der uns verschiedene neue Denkweisen vor Augen führt.Auch wenn Shida Bazyar noch nicht verrät, worum es in ihrem dritten Roman gehen wird, sind wir sicher, dass uns wieder eine besondere Stimme erwartet, die wir so noch nie zuvor gehört haben. In der Zwischenzeit freuen wir uns darauf, sie am 10. Mai, um 17:15 Uhr, auf der Turiner Buchmesse begrüßen zu dürfen.
Nachts ist es leise in Teheran erschien 2023 bei Fandango unter dem Titel Di notte tutto è silenzio a Teheran mit Unterstützung der Übersetzungsförderung des Goethe-Instituts. Der Buchtitel Drei Kameradinnen erschien in Italien bereits 2022 unter dem Titel Fuoco mit Unterstützung des Programms für Übersetzungsförderung Litrix.de: Fokus Italienisch 2022 bis 2024.
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