Das neue deutsch-französische Netzwerk Kultur Ensemble ist mit dem Aachener Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration entstanden, der 2019 von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron unterzeichnet wurde. Kultur Ensemble Palermo ist mit seiner Eröffnung am 14. Juni 2021 das weltweit erste dieser Kulturinstitute und wird vom Goethe-Institut Palermo und dem Institut français Palermo betrieben. Im Juni 2022 folgte Kultur Ensemble Ramallah und im Oktober 2022 wurde das deutsch-französische Kulturinstitut Atlanta eingeweiht. Die nächsten deutsch-französischen Institute werden in Erbil (Autonome Region Kurdistan im Irak), Bischkek (Kirgistan) und Cordoba (Argentinien) ihre Arbeit aufnehmen.
Kultur Ensemble Palermo bietet auch ein italienisch-französisch-deutsches Residenzprogramm an. Die Künstlerresidenz bietet Zeit und Raum für Forschen, Wirken sowie künstlerische Recherche im Rahmen von deutsch-französischen Projekten in der Hauptstadt Siziliens. Die Teilnehmer*innen am Residenzprogramm von Kultur Ensemble Palermo werden von einer Jury ausgewählt, die sich aus Vertreter*innen des Goethe-Instituts und des Institut français sowie aus Fachleuten aus der Welt der italienischen Kunst und Kultur zusammensetzt.
Die nächsten Ausschreibungen werden im Januar 2025 veröffentlicht.
Eine performative Reflexion über das kulturelle Erbe Palermos, im Dialog zwischen dem Museo RISO für moderne und zeitgenössische Kunst und dem Archeologisches Regionalmuseum A. Salinas .
Kultur Ensemble lädt die in Berlin lebende Kuratorin Carolin Brandl ein, ihr neuestes Projekt Dialoge in Bewegung in Palermo zu entwickeln, zu dem sie Choreograf*innen und eine Soundkünstlerin einlädt, gemeinsame Arbeiten zu schaffen. Das Format von Carolin Brandl wurde speziell konzipiert, um die Beziehungen zwischen zwei der bedeutendsten Museen der Stadt – dem Museo RISO für moderne und zeitgenössische Kunst und dem Archäologischen Regionalmuseum Antonino Salinas – zu erforschen und Konnotationen sichtbar zu machen. Durch Performance kommen in die Sammlungen neue Formen des Ausdrucks.
Was verraten Museen über die Gesellschaften, deren kollektives Gedächtnis sie bewahren?
Die kuratorische Arbeit von Carolin Brandl versteht die zwei Museen in Palermo nicht nur als Kulisse, sondern als Dialogpartner in der Auseinandersetzung mit vielschichtigen europäischen Identitäten. Die eingeladenen Künstler*innen leben alle in Frankreich und Italien, aber die unterschiedlichsten Hintergründe fließen in ihre Arbeiten. Lenio Kaklea, die in Griechenland geborene und in Frankreich lebende Künstlerin arbeitet mit einem feministischen Schwerpunkt und hinterfragt ein vereinfachtes Verständnis von Identität. Sie trifft auf Leila Bencharnia, italienische Musikerin mit marokkanischen Wurzeln, die in ihren zeitgenössischen Kompositionen versucht traditionelle Einflüsse aus dem Atlasgebirge miteinzuweben. Sie versucht, eine aktive Rolle bei der Entkolonialisierung des Zuhörens zu spielen. Der Choreograf Benjamin Kahn entwickelt mit dem Tänzer Théo Aucremanne eine Arbeit für das Museo Salinas. Sie beschäftigen sich damit, wie die Konstruktion und Dekonstruktion unserer individuellen und kollektiven Körperwahrnehmung entsteht. Alle beteiligten Künstler*innen sind junge zeitgenössische Stimmen, die bereits internationale Anerkennung gefunden haben und zum ersten Mal in Palermo in einer besonderen Kuration aufeinandertreffen.
Dialoge in Bewegung wird von Carolin Brandl kuratiert und ist ein gemeinsames Projekt des Kultur Ensembles (Goethe-Institut Palermo und Institut français Palermo), unterstützt vom Deutsch-Französischen Kulturfonds 2024. Carolin Brandl entwickelte bereits eine Vielzahl von Formaten mit unterschiedlichen Partnern und wichtigen deutschen Museen und Kunstorten. Ihre Projekte untersuchen die Verbindungen von Choreografie, Sound, Architektur, bildender Kunst und Forschung.
Zu den bisherigen Projekten von Carolin Brandl zählen:
-Unfinished Portrait of Roedelius Today, Haus der Kulturen der Welt, Berlin
-Minimal Studies, vorgestellt in den KW Institute for Contemporary Art,
Als Kuratorin und künstlerische Leiterin:
-SCULPTURE Festival, Georg-Kolbe-Museum, 2021/22
-Die Serie Choreographing Politics, Bode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin 2022/23
-(Re)Frame, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 2023
-Das Format Female Gaze, Schinkel Pavillon, Berlin, 2024
Carolin Brandl ist Kuratorin und konzipierte bereits eine Vielzahl von Formaten für einige der wichtigsten Museen und Kunstorte Deutschlands an der Schnittstelle von Choreografie, Performance und Bildender Kunst. Wie dem Bode-Museum, die Staatlichen Museen zu Berlin, dem Georg-Kolbe-Museum Berlin, dem Albertinum, die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, den Schinkel Pavillon Berlin und andere. Sie arbeitete sowohl mit international renommierten als auch mit jungen Künstler*innen zusammen, die zum großen Teil neue Arbeiten für den jeweiligen Kontext entwarfen.
Die von ihr entwickelten Formate sind speziell auf die jeweiligen Museen und Kunstorte zugeschnitten. Sie nehmen oftmals Bezug auf deren Geschichte, Architektur und Konnotationen oder stehen im direkten Dialog mit den Ausstellungen und Sammlungen und beschäftigen sich mit aktuellen Fragestellungen. Dabei untersucht sie das soziale Potenzial von Choreografie sowie reflektiert Verbindungen von kulturellem Erbe, Vergangenheit und Gegenwart durch zeitgenössische Positionen und Diskurse, oftmals unter Einbezug von Sound. Sie arbeitet oftmals im Überschneidungsfeld der Künste, auch der Theorien, mit feministischen Ansätzen, verhandelt Fragen nach Körperrepräsentation oder Blickdispositionen.
Die Formate sind Teil einer Untersuchung des Verhältnisses Choreografie bzw. Tanz und Bildender Kunst, Performance im Museumskontext, sowie von sich bewegenden Körpern, sowohl individuell als auch gesellschaftlich.
In der jüngsten Vergangenheit SCULPTURE Festival- Skulpturale Konzepte in Musik und Sound, Georg Kolbe Museum, Berlin, unter Beteiligung von Künstlerinnen wie Meg Stuart, Sasha Waltz mit Nicola Mascia, Claudia de Serpa Soares,Takako Suzuki, William Forsythe und jungen Künstlerinnen (2020/21). Die Serie CHOREOGRAPHING POLITICS, Bode-Museum (2022/23), Staatliche Museen zu Berlin, mit Jérôme Bel, Kat Válastur, Sofia Jernberg, Erna Ómarsdóttir, das Format (Re)Frame, Albertinum, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, sowie Female Gaze, Schinkel Pavillon (2023), mit Alexandra Bachzetsis; Ula Sickle, Oona Doherty u.a..
Leila Bencharnia, geboren in Marokko, ist Klangkünstler*in, deren Kompositionen im Hören von Materialien wie Textilien, Naturelementen und der Tamazight-Symbolik verankert sind. Derzeit in Berlin ansässig, Leilas Arbeit nimmt die Form von Klanginstallationen, akusmatischen Stücken, grafischen Partituren und Klangperformances. Als Kind eines traditionellen marokkanischen Musikers begann Leilas Dialog mit dem Klang in einem Dorf in der Nähe des Atlasgebirges, wo Leilas Kindheit verbracht wurde. Die Klangarbeit besteht aus Aufnahmen und analogem Material wie Magnetbändern, Schallplatten und Synthesizern. Leila erkennt radikale Formen des Hörens als eine Modalität der Wissensvermittlung an. Leilas Praxis versucht, eine aktive Rolle bei der Dekolonisierung des Hörens als Mittel zur Auseinandersetzung mit sozialer und politischer Komplexität zu spielen.
Lenio Kaklea ist eine Tänzerin, Choreografin, Regisseurin und Künstlerin, die in Athen, Griechenland, geboren ist. Sie lebt und arbeitet in Paris.
Sie studierte am Nationalen Konservatorium für Zeitgenössischen Tanz in Athen (SSCD), wo sie sowohl im klassischen Ballett als auch in modernen amerikanischen Techniken und Repertoires wie Martha Graham, Merce Cunningham und Jose Limon ausgebildet wurde. 2005 erhielt sie den Preis der Pratsika-Stiftung und zog nach Frankreich, wo sie am CNDC in Angers unter der Leitung von Emmanuelle Huynh studierte. Anschließend begann sie, mit Künstler*innen der europäischen Szene wie Alexandra Bachzetsis, Boris Charmatz, Claudia Triozzi, François Chaignaud und Cecilia Bengolea zusammenzuarbeiten. 2011 schloss sie das SPEAP-Programm ab, ein von Bruno Latour geleitetes Masterprogramm über Experimente in Kunst und Politik an Sciences Po in Paris.
Seit 2009 arbeitet Lenio Kaklea mit verschiedenen Medien: Choreografie, Text und Video. Ihre künstlerische Praxis ist vom Feminismus und postkolonialem Denken inspiriert. In ihre Arbeit erforscht sie die Herstellung von Subjektivität durch die organisierte Übertragung von Bewegungen und enthüllt intime Räume, in denen wir unsere Identität konstruieren.
Ihre Arbeit wurde von verschiedenen Institutionen und Festivals in ganz Europa gezeigt, darunter das Centre Pompidou, die Bourse de Commerce-Collection Pinault, Palazzo Grassi-Collection Pinault, ImPulsTanz Festival, Onassis Foundation, Athens and Epidaurus Festival, die Nationale Oper von Griechenland, CND Pantin, Lafayette Anticipations, Triennale von Mailand, documenta 14/Programmes publics, und Les presses du réel. Ihre Performances wurden in öffentliche und private Sammlungen aufgenommen, darunter das CNAP-Centre National des Arts Plastiques und die KADIST-Stiftung.
Parallel zu ihrer persönlichen choreografischen Arbeit engagiert sie sich in der Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen. 2013 setzt sie eine Solo-Kollaboration mit der amerikanischen Choreografin Lucinda Childs zur Musik von Ryoji Ikeda fort. 2022 arbeitet sie mit dem Haute-Couture-Haus Bottega Veneta zusammen und kreiert eine Performance an der Punta della Dogana mit den Kreationen von Matthieu Blazy.
2019 erhält sie den Tanzpreis der Stiftung Hermès Italia und der Triennale von Mailand und kreiert das autobiografische Solo Ballad. 2021 choreografiert sie Age of Crime, ein Stück für neun Tänzer*innen im Rahmen des 200-jährigen Jubiläums des griechischen Unabhängigkeitskriegs beim Festival von Athen und Epidauros. Im selben Jahr choreografierte sie John Cages ikonisches Werk für präpariertes Klavier, Sonates et Interludes, und wurde dabei auf der Bühne von dem Pianisten Orlando Bass begleitet. 2024 wird sie für den 25. Preis der Stiftung Pernod Ricard nominiert und kreiert den Film An Alphabet for the Camera. Im selben Jahr kreiert sie Chemical Joy, eine Aufführung für fünf Interpret*innen des Ensembles BODHI PROJECT.
BENJAMIN KAHN
Benjamin Kahn ist Tänzer und Choreograf. Er studierte Dramaturgie und Theater an der Universität von Aix en Provence und am Konservatorium von Rennes und ist Absolvent der ESAC (École Supérieure des Arts du Cirque) in Belgien.
Nach seinem Studium arbeitete er mit Choreograph*innen wie Philippe Saire, Benjamin Vandewalles, Nicole Beutler, Ben Riepe, Frédéric Flamand, Maud Le Pladec, Egle Budyytyte und Alessandro Sciaronni zusammen.
Er ist außerdem als Beobachter und Dramaturg tätig (Cuir / Cie Un loup pour l’homme, Darkmatter / Cherish Menzo unter anderem) und unterrichtet Tanz am CNAC, an der ESAC und am Konservatorium.
Seit 2019 kreiert er eigene Projekte.
Da er Tanz und Choreografie als mächtige politische Instrumente betrachtet, interessiert er sich besonders für die Konstruktion und die Dekonstruktion der Art und Weise, wie wir individuelle und kollektive Körper betrachten. Aus der Interdisziplinarität seines Werdegangs und dem Reichtum der Begegnungen im Studio mit einzigartigen Interpret*innen schöpfend, schlägt er Stücke vor, die Texte, präzise choreografische Schriften und kraftvolle Klang- und Lichtlandschaften miteinander verbinden, um gesellschaftliche Herausforderungen zu hinterfragen.
Zwischen 2019 und 2023 kreiert er eine Trilogie von Solostücken: « Sorry, But I Feel Slightly Disidentified… » (2019), « Bless the Sound that Saved a Witch like me » (März 2023) und The Blue Hour (Juni 2023), in denen er die Projektionen auf die Körper, Blick und die Verbindung zwischen dem Intimen und dem Kollektiven hinterfragt.
Théo begann als Kind mit Ballett, Jazz und dann zeitgenössischem Tanz. Schon früh interessierte er sich für verschiedene Tänze, so probierte er Stepptanz, Flamenco und Breakdance aus. Mit 18 Jahren trat er in das CNDC (Centre National de la Danse Contemporaine) in Angers ein, das er 2020 mit einem Diplom abschloss.
Während seiner Ausbildung konnte er Werke aus dem Repertoire wie die von Pina Bausch, Trisha Brown, Merce Cunningham, Odile Duboc, Bastheva Dance Company einstudieren. Im Rahmen seiner Ausbildung konnte er auch mit Choreografen wie Ambra Senatore, Alban Richard an Kreationen arbeiten. Er hatte auch die Gelegenheit, Praktika in Kompanien von Choreografen wie François Chaignaud zu absolvieren. Da er immer neugierig ist, neue Praktiken zu entdecken, studierte er einige Monate lang im Rahmen eines Erasmus-Programms Operngesang an der Haute École de Musique in Lausanne.
Im Anschluss an sein Studium wird Théo Interpret bei der Kompagnie La bazooka. Zur gleichen Zeit begegnet er Benjamin Kahn für eine Recherche rund um den Schrei. Darüber hinaus wird er dramaturgischer Assistent bei „Bless the sound that saved a witch like me“, und interpretiert den Solo „The Blue Hour“ von Benjamin Kahn.
Parallel zu seiner Tätigkeit als Interpret entwickelt Théo weiterhin seine Arbeit als Assistent und seinen Blick von außen, den er mit dem Solo „Bless the Sound that Saved a Witch like me“ von Benjamin Kahn begonnen hat. Er konnte mehrere Künstler*innen wie Nach, Flora Détraz begleiten. 2025 wird Théo die Künstler*innen Sylvain Huc und Mathilde Olivares bei ihrer neuen Kreation „la vie nouvelle“ unterstützen, die für Montpellier dance geplant ist.
New Folk - Rosa, la voix d'un peuple (Rosa, die Stimme eines Volkes) ist ein Klangporträt in Form eines inszeniertenHörspiels, eine Hommage an die Frau und Künstlerin Rosa Balistreri, die die harten Bedingungen ihres Landes (Sizilien) und ihres Lebens durch Gesang interpretierte. Ein klanglicher und visueller Faden folgt dem Leben und der Karriere der sizilianischen Sängerin, in einer akustischen Immersion durch den Klang der Orte, die Stimmen der Menschen, das Soundwriting und die Interpretation der Lieder.
New Folk schafft eine lebendige, zeitgenössische Musik auf der Grundlage traditioneller Wurzeln. Durch sizilianische Volkslieder und Melodien aus dem Repertoire von Rosa Balistreri identifiziert sich New Folk mit dieser vokalen Matrix als Identität und kulturellem Erbe.
Von und mit:
Nicolò Terrasi - Konzept und Komposition, Gitarren und Klangerzeugung
Serena Ganci - Stimme, Schauspiel und Synthesizer
Salvatore Meccio - Stimme, Schauspiel, Gitarre, Rahmentrommel
Laurent Charles - Saxophone
Bastien Boni - Kontrabass
Marie Lelardoux - Regisseurin, aufgenommene Stimme
Geno Lechner - Bildgestaltung, aufgenommene Stimme
Eine Produktion: Compagnia Risonanze, Marseille (Frankreich)
Mit der Unterstützung von:
Kultur Ensemble Palermo
Pic - Pôle Instrumental Contemporain, Marseille
Gmem - cncm, Marseille
Théatre l'R de la Mer, Marseille
Stadt Marseille
DRAC/PACA
Curva Minore
Carlotta Wachotsch wurde 1994 in Berlin geboren und ist aufgewachsen zwischen den Karibikstaaten und Berlin und Paris. Bevor sie Geschichte und evangelische Theologie studierte, war sie Praktikantin bei Mia Hansen-Løves Film "Eden. Lost in Music" in der Abteilung Scripte/Continuity. Seit 2017 studiert sie Filmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. 2020 gründete sie mit Sarah Ellersdorfer das Filmmagazin Revü- Flugblatt für Film. Seitdem ist sie Herausgeberin und Redakteurin und das Filmmagazin entwickelte sich zu einem Kollektiv. Revü erscheint zweimal im Jahr und widmet sich der subjektiven, essayistischen Auseinandersetzung mit dem Medium Film, der Konservierung und den Orten des Rezipierens. 2023/2024 studiert sie auch an der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film Wien und fokussiert sich mehr auf experimentelle Arbeiten. Derzeit arbeitet sie an ihrem ersten abendfüllenden Film.
Carlotta Wachotsch wird ihre Residenz nutzen um das Drehbuch zu ihrem ersten Langfilm zu schreiben und weiterzuentwickeln, in dem es um eine Freundschaft zweier Frauen geht, die zu unterschiedlichen Epochen leben. Sie lernen sich über einen fälschlich zugestellten Brief kennen und beginnen sich in handgeschriebenen Briefen einander mitzuteilen, wobei eine in Deutschland der Gegenwart und die andere zu Beginn des 20. Jahrhunderts autark auf dem sizilianischen Land zu leben versucht. Es geht ihr dabei um die Recherche vor Ort, in den Archiven und die Weiterentwicklung ihres filmischen Konzeptes. Goliarda Sapienzas Leben und Werk dient ihr als eine der feministischen Ausgangspunkte für diese Geschichte.
Autobiographie der Widersprüche ist die erste theatralische Zusammenarbeit zwischen Alma Palacios und Manon Parent. Sie nehmen verschiedene Fragmente aus dem Werk der sizilianischen Schriftstellerin Goliarda Sapienza (1924-1996), Autorin - neben vielen anderen faszinierenden Werken - des 1998 posthum veröffentlichten Romans L'arte della gioia (Die Kunst der Freude), und übersetzen es choreografisch, theatralisch, musikalisch und visuell. In einem live geschaffenen elektroakustischen Universum leihen sich die beiden Darsteller verschiedene Stimmen und Körper, um sich mit Komplizenschaft und Humor zu emanzipieren. Sie feiern die brüderliche Freundschaft, die sie seit 25 Jahren verbindet, und reagieren auf die Lebenskraft, die sie von Sapienzas Büchern erhalten haben. Sie erforschen die Art und Weise, wie diese Bücher in ihnen selbst und in den meisten Menschen, die sie gelesen haben, einen solchen Umbruch ausgelöst haben, und versuchen, tiefer zu verstehen, was mit der „Kunst der Freude“ gemeint ist, die eine echte Disziplin zu sein scheint, eine Suche, die Schmerz und Zwang mit sich bringt, und ihr auf der Bühne Gestalt zu geben. Das Stück wird im Herbst 2024 im Théâtre Le Colombier in Bagnolet uraufgeführt.
ALMA PALACIOS
Nach einem Studium in zeitgenössischem Tanz am CNSMDP setzte Alma Palacios ihr Studium an der P.A.R.T.S. (Brüssel) fort. Von 2008 bis 2011 erhielt sie den Migros-Studienpreis für zeitgenössischen Tanz. Im Mai 2012 kreierte sie mit Frank Vercruyssen (cie Tg STAN) Fräulein Else, einen Text von Arthur Schnitzler. Sie trifft Frank Vercruyssen im November 2013 wieder, als sie Interpretin in Nusch ist. Sie arbeitete für die Choreografen und Regisseure Mathilde Monnier, Guillaume Guilherme, Emmanuelle Pépin, Thomas Fourneau, Jacinto Lucas Pires und Hélène Rocheteau. Von 2016 bis 2018 spielte sie in Bovary ein Stück von Tiago Rodrigues und war Teil des Projekts Occupation Bastille am Théâtre de la Bastille. Zwischen 2018 und 2019 hat sie einen langen Wohnsitz im Château de Monthelon, um ihr Solo Comme une sauterelle zu kreieren. Sie ist Sängerin in der Gruppe Danger Dragon, die in Burgund ansässig ist. Derzeit arbeitet sie mit Manon Parent an der Uraufführung des Stücks Autobiographie des contradictions, Premiere im Oktober 2024. Sie ist Darstellerin in den Stücken Chœur des amants von Tiago Rodrigues, Lettres non-écrites von David Geselson und Des femmes qui nagent von Émilie Capliez, die derzeit auf Tournee sind.
MANON PARENT
Manon stammt aus Paris. Sie schloss 2009 ihr Studium des zeitgenössischen Tanzes am CNSMDP ab und erhielt 2010 auch ein Diplom in klassischer Violine. Im Jahr 2011 schloss sie sich dem Ballet Junior de Genève an und erhielt 2012 ein Stipendium der Fulbright-Kommission, um in New York Body Mind Centering zu studieren. Seit 2013 lebt sie in Berlin und arbeitet seit einigen Jahren hauptsächlich für szenische Arbeiten mit Ioannis Mandafounis (Sing the Positions, One One One, Scarbo, A la Carte... ), Margot Dorléans (Embody collective, Confier), Kareth Schaffer (Unheard of, Cassandra has turned 2, Question of belief), Roni Katz (A Matter of One's own, The End is not an Option), Sergiu Matis (Hopeless, Extinction Room, Unruhe) und Stephanie Thiersch (Hello to Emptiness ), als Tänzerin, Choreographin, Sängerin, Musikerin und Komponistin. Seit 2014 produziert Manon auch Musik für Theater, Film und Fernsehen. Mit Jean P'ark gründet sie das experimentelle Popmusik-Duo Machines for calm living, auf den Spuren von Red Monky, ihrem vorherigen Projekt einer hybriden, feministischen kollaborativen Performance, die auf Improvisationspraktiken basiert. Im Jahr 2020 ist Manon Gewinnerin des Tanzpraxis-Stipendiums des Berliner Senats. Seit September 2023 arbeitet sie als Gastkünstlerin und Solistin bei der Dresden Frankfurt Dance Company.
ÜBERSETZUNGSKOLLEKTIV
MARTINA BENGERT, DANIEL GRAZIADEI, CLIO NICASTRO
Das Übersetzungskollektiv besteht aus der Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Martina Bengert, der Philosophin und Dichterin Clio Nicastro sowie dem Literaturwissenschaftler und Dichter Daniel Graziadei. Unser Ziel ist es, ausgewählte Gedichte der italienischen Denkerin und Dichterin Carla Lonzi einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen und diese Gedichte innerhalb ihres Schaffens als Kunstkritikerin und feministische Aktivistin zu situieren. Neben der gemeinsamen Übersetzungsarbeit, die im Band Carla Lonzi: Durchdachtes Schach. Gedichte der Jahre 1958 bis 1963 (in Vorbereitung bei b_books 2024) ihren Ausdruck finden wird, ist das Kollektiv durch unterschiedliche wissenschaftliche und kulturelle Veranstaltungen und Vorträge in Erscheinung getreten. Wir organisierten im Juni 2022 den Workshop „Das unerwartete Subjekt. Authentizität, autocoscienza und Aktivismus bei Carla Lonzi“ in Berlin und Clio Nicastro organisierte zusammen mit Max Walther den Workshop „Form insistiert – Anordnungen der An- und Absprache bei Carla Lonzi“ im Februar 2023 in Leipzig.
Im April 2023 arbeiteten wir im Kontext der geplanten Publikation im Carla-Lonzi-Archiv in Rom und stellten im Mai 2023 das Projekt und unsere Überlegungen zum kollaborativen Übersetzen bei der Tagung „Politiken der Übersetzung: Aneignung, Kritik, Gastfreundschaft“ am Centre Marc Bloch in Berlin einem internationalen Kreis von Übersetzer*innen und Forscher*innen vor. Dieses Übersetzungs- und Herausgeberprojekt wurde u.a. durch die Humboldt-Universität zu Berlin und das Übersetzerstipendium „Residenza per Traduttori“ des „Centro per il libro e la lettura“ des italienischen Kulturministeriums gefördert.
Sven Keromnes
Sven Keromnes stammt aus Nancy und hat einen Master-Abschluss in Germanistik von der ENS in Lyon. Sein Forschungsgebiet liegt zwischen zeitgenössischer deutschsprachiger und mehrsprachiger Literatur und einer philosophischen Annäherung an den Text. Seine Arbeit konzentriert sich auf die intersubjektive Erfahrung der Stimme in den Werken von Yoko Tawada, deren poetisches Schreiben den westlichen Blick herausfordert und hinterfragt. Sven Keromnes spezialisiert sich in diesem Jahr auf Übersetzungen am Centre de Traduction Littéraire (CTL) in Lausanne. Gleichzeitig arbeitet er an einem PhD-Projekt. Neben seiner Forschungstätigkeit widmet er sich seit kurzem auch der literarischen Übersetzung. Im Rahmen des deutsch-französischen "Georges-Arthur Goldschmidt"-Programms für junge Übersetzer (Jahr 2023) arbeitete sie an Niemands Frau (2007) der Dichterin Barbara Köhler, einer polyphonen Neufassung der Odyssee von Homer. Seine musikalische Praxis (Jazz-Piano, Folk-Gitarre, Perkussion und Gesang) fließt auch in dieses Werk ein.
Während seiner Residenz wird sich Sven Keromnes seinem aktuellen Übersetzungsprojekt widmen. Dabei handelt es sich um eine Neufassung der Odyssee durch die deutsche Lyrikerin Barbara Köhler mit dem Titel Niemands Frau (Suhrkamp, 2007), in der der Platz von Frauenfiguren im Epos im Modus eines zweideutigen Texttumults hinterfragt wird. Es handelt sich um ein Zwischenwerk, da es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von einer CD begleitet wird, auf der man Barbara Köhlers stimmliche Interpretation einiger Passagen hören kann. Schon der Untertitel des Werks weist in diese Richtung: Es handelt sich um "Gesänge", was diese hypermoderne Odyssee unter anderem auch in den Sog von Dantes Commedia stellt.
Ab September 2022 werden die Künstler*innen des Atelier Panormos - La Bottega von einer Jury ausgewählt, die sich aus Vertreter*innen des Goethe-Instituts Italien und des Institut français Italia sowie aus Fachleuten aus der Welt der italienischen Kunst und Kultur zusammensetzt. Der Jury gehörten in diesem Jahr an:
Antonella Perin, Leiterin der Kulturprogramme des Goethe-Instituts Italien Hélène Kelmachter, Kulturattaché der französischen Botschaft in Italien Beatrice Merz, Präsidentin und Direktorin der Merz-Stiftung Costanza Quatriglio, Direktorin und Künstlerische Leiterin des Centro Sperimentale di Cinematografia Sizilien Oscar Pizzo, Direktor von EUR Culture per Roma, Künstlerischer Leiter des Teatro Massimo di Palermo von 2014 bis 2018 Giorgio Vasta, Schriftsteller
Für die Aufenthalte, die zwischen September 2022 und Juli 2023 stattfinden sollen, hat die Jury sechs Projekte ausgewählt, die von den folgenden Künstler*innen vorgeschlagen wurden: Charlotte Koch/Ségolène Bulot/Daria Di Bello, Yolenn Farges, Tobias Purfürst & Noam Brusilovsky, Victor Missud und Lea Letzel.
Über unsere regulären Residenzen hinaus haben wir im Jahr 2023 ein Projekt zur Mandoline entwickelt: Mandolino Variabile.
Mandolino Variabile
Workshop, Konzert und Masterclass anlässlich einer neuen Komposition von Vincent Trollet, aufgeführt von Florentino Calvo, Caterina Lichtenberg und den Studierenden des Konservatoriums "A. Scarlatti" in Palermo unter der Leitung von Emanuele Buzi.
Im Rahmen seiner Programmplanung für das Jahr 2023, das die deutsche Musikwelt der Mandoline widmet, realisierte Kultur Ensemble Palermo ein Residenzprogramm zur Mandoline in italienisch-französisch-deutscher Zusammenarbeit in zwei Teilen. Anlass dafür war eine neue Komposition für Plektrum-Orchester mit dem Namen "Notturno", die der französische Komponist Vincent Trollet speziell für Palermo geschrieben hat.
Vom 13. bis 15. Februar fand der erste Teil der Residenz in Form eines dreitägigen Workshops statt, den Vincent Trollet und Florentino Calvo für die Studierenden des Konservatoriums "A. Scarlatti" in Palermo unter der Leitung von Professor Emanuele Buzi, Inhaber des Lehrstuhls für Mandoline, veranstalteten.
Vom 2. bis 4. Mai wurde der zweite Teil des Projekts unter Beteiligung der deutschen Mandolinistin Caterina Lichtenberg durchgeführt. Am 2. und 3. Mai fanden die Proben für das Abschlusskonzert statt, das am Mittwoch, den 3. Mai aufgeführt wurde. Bei diesem Konzert wurden abwechselnd Stücke für Plektrum-Orchester, Solostücke und Stücke für das italienisch-französisch-deutsche Trio von international renommierten Mandolinenspieler*innen gespielt. Auf diese Weise sollte zunächst den traditionellen Ursprüngen der Mandoline nachgegangen werden, bevor anschließend einem weniger bekannten zeitgenössischen Repertoire Raum gegeben wurde.
Den Abschluss der Residenz bildete eine Masterclass von Caterina Lichtenberg für die Studierenden der Mandolinenklasse des Konservatoriums von Palermo am Donnerstag, den 4. Mai.
Biografien der Dozent*innen und Mandolinist*innen
Caterina Lichtenberg ist eine der führenden klassischen Mandolinenspielerinnen der Welt. Aufgewachsen in Deutschland, absolvierte sie ihr Studium an der Musikhochschule in Köln. Derzeit ist sie Professorin für klassische Mandoline/Sopranlaute an dieser renommierten Hochschule. Seit über 20 Jahren macht Caterina Lichtenberg Aufnahmen, unterrichtet und tourt durch Europa, Japan, Taiwan, Südamerika, Kanada und die USA. Bisher hat Caterina Lichtenberg 13 Alben veröffentlicht.
Emanuele Buzi, Enkel des Virtuosen Giuseppe Anedda, ist Absolvent des Konservatoriums von L'Aquila. Er arbeitet mit den wichtigsten italienischen Opernhäusern zusammen (Mailänder Scala, Teatro La Fenice in Venedig, Teatro Massimo in Palermo). Seit 2008 hat er den Lehrstuhl für Mandoline am Conservatorio di Musica A. Scarlatti in Palermo inne.
Florentino Calvo studierte am Konservatorium von Argenteuil, dem wichtigsten Zentrum für Mandolinenunterricht in Frankreich. Er lernte bei den Meistern Mario Monti und Ugo Orlandi. Als Konzertkünstler tritt er regelmäßig als Solist in Kammermusikensembles und mit Orchestern auf (TrioPolycordes, Orchestre National du Théâtre de Paris, Orchestre Philharmonique de Radio France). Indem er zahlreiche führende Konzertinterpret*innen und Pädagog*innen ausbildet, trägt er zur Weiterentwicklung und zu einer größeren Bedeutung seines Instruments in Frankreich und im Ausland bei.
Vincent Trollet begann ein Klavier- und später ein Kompositionsstudium, das er am Pariser Konservatorium fortführte. Im Jahr 2010 wurde er für den Studiengang Musikinformatik am IRCAM in Paris zugelassen. Diese Ausbildung gab seiner Arbeit eine neue Richtung, die ihn dazu brachte, sich dem Experimentieren zu nähern. Aus seinen zahlreichen Begegnungen mit Komponist*innen seiner Generation entstand das Ensemble Regards, ein Ensemble, das sich der zeitgenössischen Musik widmet.
Annika Katja Boll und Renaud Mundabi Muyanunu
Das Residenzprogramm von Kultur Ensemble Palermo nimmt im Herbst 2023 ein deutsch-französisches künstlerisches Duo auf: Annika Katja Boll und Renaud Mundabi Muyanunu. Die Beiden schließen sich für dieses Projekt zum ersten Mal seit ihrem gemeinsamen Studium an der Villa Arson (Nizza) zusammen.
Während der Residenz werden sie an einem interaktiven Videospiel arbeiten. Die Rahmenhandlung des Spiels wird durch die Inselerfahrung Siziliens inspiriert. Akustisch sammeln sie für das Videospiel Klänge und O-Töne, visuell Landschaftsfotografien, die gescannt und in 3D umgewandelt werden.
Im Projekt verbindet sich die Ästhetik einer durch Digitalisierung abstrahierten Realität mit der metaphorischen Sprache des Märchens. Es soll die Erfahrung ständiger Bewegung, Desorientierung und Nichtzugehörigkeit entstehen.
Das künstlerische Duo wurde bei der Ausschreibung vom Frühjahr 2023 durch eine Jury ausgewählt. Diese setzte sich zusammen aus: Jérémy Rossignol, stellvertretender Referatsleiter - Berufliche Bildung, Hochschulaustausch und Freiwilligendienste - DFJW (Deutsch-Französisches Jugendwerk), Hélène Kelmachter, Kulturattaché der Französischen Botschaft in Italien und Rosina Franzé, Kulturabteilung Goethe-Institut Mailand). Die Residenz wird vom Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) unterstützt.
Renaud Mundabi MuyanunU
Muyanunu arbeitet multidisziplinär mit Installationen, Musik und performativen Lesungen. Er studierte an der Kunsthochschule Marseille und machte 2023 seinen Masterabschluss an der Villa Arson (Nizza). In seinen Klangarbeiten mischt er Field Recordings, Erzählungen, Gesang und Debatten. Diese poetische Vorstellungswelt ist von Fragen multipler Identitäten durchzogen. Renaud schreibt und rezitiert Märchen. Ihre scheinbare Leichtigkeit ermöglicht es ihm, ihm wichtige soziale und politische Fragen anzusprechen. Seine Praxis kann aus dem "white cube" ausbrechen und an öffentliche Orte wie Bibliotheken treten.
Annika Katja Boll
Annika Boll ist eine visuelle Künstlerin aus dem Westerwald. Sie studierte zunächst Anthropologie und Psychologie in Göttingen und Ahmedabad, dann an der Kunsthochschule Kassel. Dieses Studium schloss sie an der Villa Arson in Nizza ab. Ihre Arbeit bewegt sich zwischen der virtuellen Welt und der visuellen Realität die uns umgibt. Annika Katja Boll verschmilzt beide Welten, indem sie das Digitale in den realen Raum rekontextualisiert. Sie interessiert sich für die wechselhafte Bedeutungen eines Objekts, durch das Verändern von Kontext und Materialien. Sie stellt digitale Gärten zusammen, in denen Fragmente von 3D-Scans von teilweise verschwundenen Pflanzen zu neuem Leben erwachen. Diese digitalen Spaziergänge, eine Art "Cyber-Flanieren" in künstlicher Natur, konfrontieren die ästhetische Freude mit der Realität einer sterbenden Natur.
Altrove / Anderswo / AilleurS
Was passiert beim Schreiben, wenn man seine Muttersprache und das eigene Land verlässt? Welche sind die Worte, die man wählt, um die Erfahrung zu beschreiben, das eigene Land verlassen zu müssen? Welche sind die Einrichtungen, die Künstler*innen in dieser Situation unterstütze können?
Kultur Ensemble Palermo startet Altrove/Anderswo/Ailleurs, einen Residenzaufenthalt für das geschriebene Wort und Künstler*innen, die im Exil in Deutschland und Frankreich leben. Das Programm ist in Zusammenarbeit mit der Martin Roth-Initiative (Berlin) und Atelier des artistes en exil (Paris, Marseille) entstanden, zwei Organisationen, die Exil-Künstler*innen bei ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen.
Diesen Herbst empfängt die Residenz einen Monat lang die belarussische Schriftstellerin, Aktivistin und DJ Ludmila Pogodina und den palästinensischen Fotografen und Regisseur Samer Salameh, der in Syrien geboren wurde.
Das Projekt soll diejenigen in ihrem Schaffen unterstützen, die ihre kulturelle, sprachliche, geografische und emotionale Heimat verloren haben, und ihnen dabei auch Zeit und Raum geben, um diesen Verlust reflektieren zu können.
Während der Residenz sind auch drei Veranstaltungen im Rahmen des Festival delle Letterature Migranti Freitag, 13. und Samstag, 14. Oktober geplant. Altrove/Anderswo/Ailleurs wird vom Deutsch-Französischen Kulturfonds unterstützt.
Ludmila Pogodina
Die Weißrussin Ludmila Pogodina ist Journalistin und multidisziplinäre Künstlerin, unter anderem DJ, Fotografin, Autorin, Podcasterin und Veranstaltungsorganisatorin.
Sie wurde 1984 in dem heute russischen Dorf Znamensk geboren und zog mit ihrer Familie nach Minsk, als sie fünf Jahre alt war. Als Teenager entdeckte Pogodina die Rockmusik, die in Weißrussland als politisch oppositionell verstanden wird, was sie später dazu veranlasste, sich auf Interviews mit provokanten Künstlern aus aller Welt zu konzentrieren, darunter Genesis Breyer P-Orridge, Denis Lavant, Bruce LaBruce, Joshua Oppenheimer, Isabella Rossellini, Charlotte Rampling, Cillian Murphy, Pablo Larrain und viele andere, deren Werke oft soziale Normen und Politik thematisieren.
Sie studierte Musik, Jura und Journalismus und begann in den 2000er Jahren als Musik- und Filmjournalistin zu arbeiten, hauptsächlich für ukrainische und weißrussische Medien.
2011 begann sie auf Anfrage eines Minsker Clubs mit dem Auflegen und veranstaltete kurz darauf ihre eigenen Partys.2015 gründete sie zusammen mit Freunden das Kunstkollektiv #keepminskweird, das einen sicheren Raum für die lokale Gemeinschaft und eine Plattform schuf, um über Feminismus, Geschlechterrollen, Inklusion und Vielfalt zu sprechen, indem es eine fließende Form der Unterhaltung (Partys, Kunstlabore, Festivals) nutzte und sich mit lokalen Basisinitiativen vernetzte.
Nach der gescheiterten belarussischen Revolution und der starken Repression ist das Kollektiv heute über Polen, Litauen und Deutschland verstreut und nicht mehr in Belarus aktiv.
Ludmila Pogodina will mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement auf die politische Situation in Belarus aufmerksam machen. Derzeit arbeitet sie an einem autobiografischen Roman über "Diktatur, Patriarchat und Rock'n'Roll". Im November 2022 kuratierte sie ein Sonderprogramm "Spotlight: Belarus" und war Jurymitglied des Wettbewerbs für Menschenrechtsfilme beim Internationalen Kurzfilmfestival Interfilm Berlin. Pogodina lebt seit April 2022 in Berlin.
Samer Salameh
Samer Salameh wurde in Syrien geboren und ist im Yarmouk-Lager in Damaskus aufgewachsen. Seit seiner Jugend ist er im Bereich der dramatischen und visuellen Künste aktiv. Nachdem er mehrere unabhängige Kurzfilme gedreht hatte, drehte Samer seinen ersten langen Dokumentarfilm 194. Nous, enfants du camp über die Ereignisse in seinem Heimatort Yarmouk. Salameh, der durch den Krieg aus Syrien vertrieben wurde, setzt seitdem seine filmische Recherche rund um seine intime Erfahrung des Exils fort. Als Mitglied des Ateliers der Künstler im Exil lebt er seit 2014 in Frankreich. Er schloss 2020 seinen Master in Filmregie an der ENSAV in Toulouse ab.
Kultur Ensemble Palermo und Harun Farocki Institut starten Residenz für junge Regisseur*innen aus der sizilianischen Szene in Berlin.
Kultur Ensemble Palermo beginnt eine neue Partnerschaft mit dem Harun Farocki Institut in Berlin. Diese Zusammenarbeit entspringt dem Wunsch, ab diesem Jahr jungen Regisseurinnen und Regisseuren, die in Sizilien arbeiten, einen Forschungsaufenthalt in den Förderländern des Kultur Ensembles, Frankreich und Deutschland, zu ermöglichen.
Die Initiative richtet sich an Regisseur*innen in Sizilien und ist Teil des Residenzprogramms Atelier Panormos von Kultur Ensemble Palermo. Nachdem sich das Residenzprogramm anfangs auf die Unterstützung von Künstler*innen konzentriert hat, die in Deutschland und Frankreich arbeiten, wird es nun erweitert, um Filmschaffende aus Sizilien zu fördern: Dank der engen Verbindung zwischen dem Goethe-Institut und dem Harun Farocki Institut wird die Berliner Institution ihre Türen jungen italienischen Regisseur*innen für jeweils dreimonatige Residenzen öffnen, um in ein anregendes internationales Umfeld einzutauchen, neue kreative Perspektiven einzunehmen und Kontakte zur Kunstszene und zu Fachleuten ihres Bereichs zu knüpfen.
Das Harun Farocki Institut wurde im September 2015 gegründet und hat sich als Plattform für die Erforschung der visuellen und diskursiven Praxis des deutschen Filmemachers und Autors Harun Farocki (1944-2014) etabliert. Das Institut widmet sich auch der Unterstützung neuer Projekte, die die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Bildkulturen erforschen.
Für diese erste Zusammenarbeit hat das Goethe-Institut Palermo den 1990 geborenen Filippo Foscarini ausgewählt, Absolventen des Centro Sperimentale di Cinematografia. Diese Wahl beruht auf der Qualität der Arbeit des jungen Regisseurs, seiner Affinität zu Archivrecherchen und dem Gegenstand seines nächsten Projekts, den von starken geopolitischen Spannungen geprägten Grenzgebieten zwischen Bosnien-Herzegowina, Serbien und Kroatien. Der Zugang zum Archiv des Harun Farocki Instituts wird eine wichtige Ressource für die Entwicklung seiner Forschungen und Überlegungen über die politische Rolle von Bildern im Nachkriegskontext sein. Filippo Foscarini wird ab September 2023 für einen Zeitraum von drei Monaten in Berlin sein.
Filippo Foscarini
Filippo Foscarini ist ein Regisseur für Dokumentationen. Seit seinem Abschluss in vergleichender Literaturwissenschaft an der Universität Ca‘ Foscari in Venedig lebt er in Palermo, wo er am Centro Sperimentale di Cinematografia - Sede Sicilia unter der künstlerischen Leitung von Costanza Quatriglio ein Diplom in Dokumentarfilmregie erwarb. Seine Interessensgebiete reichen von der Ethnografie über Erinnerungslücken in Konfliktsituationen bis hin zur Akusmatik, wobei er einen experimentellen Ansatz verfolgt, der von der Phänomenologie im Bereich des Klangs ausgeht. Mit Marta Violante drehte er den Archiv-Kurzfilm Africa Bianca (2020, Projekt im zweiten Studienjahr) und in Zusammenarbeit mit Federico Cammarata Tardo Agosto (2021, Diplomarbeit, bester internationaler Film bei der 15. Ausgabe der Beldocs und Gewinner des CG Entertainment Distribution Award beim Cinema dei Popoli) und A Soft Hiss of this World (2022). Seine Werke wurden auf mehreren nationalen und internationalen Festivals präsentiert (DocLisboa, Festival dei Popoli, Torino Film Festival, Beldocs, Yamagata International Documentary).
TOBIAS PURFÜRST UND NOAM BRUSILOVSKY
Noam Brusilovsky und Tobias Purfürst arbeiten bereits seit einigen Jahren zusammen. Ihr aktuelles Projekt ist die Entwicklung einer Techno-Oper, in der die dramaturgischen Mittel der historischen Oper wie Gesang und Erzählung mit Techno-Musik und Techno-Kultur verbunden werden. Ihren Residenzaufenthalt wollen sie vor allem zum Schreiben (Noam) und Komponieren (Tobias) des narrativen Techno-Sets nutzen.
Theater- und Hörspielmacher Noam Brusilovsky wurde 1989 in Israel geboren. Nachdem er die Thelma Yellin High School of the Arts besuchte, zog er 2012 nach Berlin. Dort studierte er Theaterregie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Schon während seines Studiums inszenierte er seine ersten Hörspiele für den Deutschlandfunk und den SWR und erhielt 2017 den Deutschen Hörspielpreis der ARD für seine Produktion "Broken German". Im selben Jahr schloss er sein Studium mit der autobiografischen Solo-Performance "Orchiektomie rechts", ab. Im folgenden Jahr wurde diese Inszenierung zu den Festivals "Radikal Jung" und "Fast Forward" eingeladen und führte zu einer Nominierung als "Nachwuchsautor des Jahres" in der Kritiker*innenumfrage von Theater heute. Seit dem arbeitet Brusilovsky als freier Autor und Regisseur für diverse deutsche Rundfunksender (Deutschlandfunk, SWR, WDR und rbb). Seine Hörspiele wurden in allen ARD-Sendern ausgestrahlt, mehrfach ausgezeichnet und für mehrere Preise nominiert. Neben seiner radiofonischen Tätigkeit inszeniert Noam Brusilovsky am Theater. Seine dokumentarischen Theaterprojekte, die zu zahlreichen Festivals eingeladen wurden, wurden am Münchner Volkstheater, am Konzerttheater Bern, in den Berliner Sophiensaelen und am Stadttheater Klagenfurt realisiert.
Tobias Purfürst ist Musikproduzent und Klangkünstler aus Berlin. Klassisch ausgebildet am Klavier, gilt sein Interesse einer Vielzahl kreativer Prozesse. Er begann zunächst ein Architekturstudium an der UdK in Berlin. Nach einem Austauschjahr in Island, einschließlich eines Praktikums in den Greenhouse Music Studios (Valgeir Siruðsson), fokussierte er seine Arbeit auf Sounddesign, experimentelle und Filmmusikkomposition. 2011 studierte er an der Fakultät Kunst und Medien (UdK) in der Klasse für Computational Arts (Prof. Alberto de Campo), wo er hauptsächlich an generativen Klanginstallationen und Performances arbeitete. Während seiner Zeit an der UdK wurden seine Arbeiten in mehreren Gruppenausstellungen und auf Festivals ausgestellt, darunter: Ars Electronica (2012); EMAF (2013); Transmediale (2013); Addicted to Random Festival, Halle (2013), u.a. 2015 schloss Tobias sein Studium als Meisterschüler ab und arbeitet seit dem, neben dem Ausbau seiner eigenen künstlerischen Expertise und Karriere, als Freelancer für Agenturen, Lehrbeauftragter und in Kooperation mit verschiedenen Künstler*innen in den Bereichen experimentelle elektronische Musik, Multimedia-Installationen sowie Kompositionen und Sounddesign für Film, Videokunst und Performance.
Victor Missud
Victor Missud ist Filmregisseur, stammt aus Toulouse und lebt zurzeit zwischen Frankreich und Palermo. Seine Arbeiten befassen sich auf poetische Weise mit geographisch und gesellschaftlich ausgegrenzten Menschen, die in seinen Filmen zu Schauspieler*innen werden. Der Vorschlag, das eigene Leben für die Dauer einer Fiktion zu spielen, soll ihnen helfen, ihre Erfahrungen und Wirklichkeiten klarer auszudrücken als im gelebten Alltag.
Für seinen ersten Film, die Dokufiktion "La forêt de l'espace" (2019, Sonderpreis der internationalen Jury beim Festival Visions du Réel, IFF Rotterdam, Hors Pistes Centre Pompidou), lud Victor Missud Menschen ein, vor allem Obdachlose, die tagtäglich auf den Straßen von Paris von Ausgrenzung betroffen sind. Sie stellten sich ein Leben auf dem Mond vor und erzählten davon. Sein jüngster Film "À qui le monde" (2023, gemeinsame Regie mit Marina Russo Villani) ist eine dokumentarische Fabel, die in Benin spielt. Darin werden die Körper von Fabrikarbeiter*innen nach und nach von Wasserhyazinthen überwuchert, der invasiven Pflanze, die ihnen Arbeit verschafft. Die Pflanze wurde ursprünglich für ihre Blumen zur Dekoration von Touristenhotels in Benin eingeführt und angebaut.
In Palermo arbeitet Victor Missud an einem Spielfilm in italienischer Gebärdensprache, angesiedelt zwischen Dokumentarfilm und Fiktion. "Die Insel verlassen" (Arbeitstitel) setzt zwei taubstumme Laienschauspieler in Szene, die ihre eigenen Rollen innerhalb eines fiktionalen Rahmens interpretieren. Palermo wird als dritter Hauptdarsteller des Films betrachtet. In dieser Stadt, in der barocke Paläste von Gebäudeblöcken aus der Nachkriegszeit umzingelt sind, erkundet Victor Missud architektonische Kontraste im Bild. Die Recherche zum Sounddesign geht in Richtung tiefer Töne, insbesondere Schlagzeug und Sound-Vibrationen.
Lea Letzel
Lea Letzel schafft Räume, Konzertsituationen, Konzert-Installationen, Performances und Videoarbeiten, die sowohl in der „Black Box“ des Theaters, als auch im „White Cube“ der bildenden Kunst gezeigt werden. Ihr Studium am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen hat sie mit einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Internationalen Ensemble Modern Akademie abgeschlossen. Das Studium der Medienkunst an der Kunsthochschule für Medien in Köln beendete Letzel mit dem „Konzert für Orgel und Pyrotechnik“ in Zusammenarbeit mit dem Organisten Dominik Susteck in der Kölner Kunst-Station St. Peter. Seit 2015 ist sie zur staatlich geprüften Pyrotechnikerin ausgebildet und seit 2020 zur Großfeuerwerkerin. Den Herbst 2019 verbrachte sie als Stipendiatin des Goethe–Instituts der Villa Kamogawa in Kyoto, Japan, um sich mit japanischer Pyrotechnik auseinandersetzen. Ihre Zeit als Stipendiatin in Palermo will sie maßgeblich der Recherche und Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen, politischen, historischen und künstlerischen Perspektive der italienischen Feuerwerkerei widmen. Lea Letzel lebt und arbeitet heute in Köln.
Yolenn farges
Yolenn Farges ist eine vielseitige Künstlerin aus Frankreich. Im Jahr 2020 absolvierte sie ihren Abschluss an der Beaux-Arts de Nantes und lebt und arbeitet nun zwischen Marsiglia und Belle-île-en-mer. Auf langen Wanderungen und Tauchgängen macht sie sich auf die Suche nach Materialien sowie Geheimnissen und Geschichten, die sie sammelt und durch ihre Kreationen wiedergibt. Ihre künstlerischen Ansätze sind sowohl mit der Metamorphose von Ökosystemen als auch der mündlichen Verbreitung von Wissensgut verbunden. Mit der Hilfe von Installationen, Performance und Video hinterfragt Yolenn die Porosität der Beziehungen zwischen den Lebewesen. Weiterhin leitet sie künstlerische und pädagogische Workshops und betrachtet diese Momente des kollektiven Schaffens als wirksame Mittel, um sich die Zukunft vorzustellen. In Palermo konzentriert sich ihre Untersuchung auf Lebensmittel und auf sizilianische Rezepte, die aus der Perspektive der Mikrobiologie und Fermentation betrachtet werden.
CHARLOTTE KOCH, SÉGOLÈNE BULOT UND DARIA DI BELLO MIT DEM PROJEKT WOMEN’S VOICES IN PALERMO
Die Anthropologin Charlotte Koch aus Deutschland, die französische Soziologin Ségolène Bulot sowie die italienische Soziologin Daria di Bello lernten sich an der Universität in Leipzig kennen. Bei dem Zusammenkommen der drei Wissenschaftlerinnen vereinten sich zudem ihre Kenntnisse hinsichtlich des Orients, Lateinamerikas, Südasiens und Afrikas.
Mit ihrem gemeinsamen Projekt Women’s voices in Palermo konzentrieren sie sich auf die kulturellen Praktiken Nordafrikanischer Frauen in der sizilianischen Hauptstadt und ihre Zugänglichkeit zu lokalen Kultureinrichtungen.
Palermo spielt dabei als historischer Treffpunkt vieler Nationalitäten und Religionen eine entscheidende kulturelle Die Durchführung von Interviews ermöglicht den Wissenschaftlerinnen, die Erfahrungen der Nordafrikanischen Frauen bezüglich ihres Lebens und Schaffens in Palermo zu analysieren, um das Bild der multikulturellen und offenen Stadt differenziert zu reflektieren. Weiterhin ermöglichen ihre Ergebnisse die Eröffnung neuer Perspektiven, welche als Impulse für zukünftige kulturelle Projekte und inklusive Praktiken dienen sollen.
Ziel ihrer Arbeit ist es, einen Raum für diese Frauen zu schaffen, in welchem sie ihre Stimmen erheben können. Dementsprechend streben sie danach, bisherige Machtstrukturen mit einem intersektionalen Ansatz zu hinterfragen.
Aufbauend auf den bereits vorhandenen Erfahrungen der Wissenschaftlerinnen in der Vertonung von Untersuchungsergebnissen, gewonnen bei der Leipziger Podcast-Ethnografie der Universität, werden ihre jüngsten Resultate gleichermaßen als Podcast veröffentlicht – somit verleihen sie den Frauen nicht nur im übertragenden Sinne eine Stimme.
Das Trio aus Geisteswissenschaftlerninnen traf sich an der Universität Leipzig, wo sie den Podcast als partizipatives Mittel zur Verbreitung ihrer Arbeit entdeckten.
CHARLOTTE KOCH
Die gebürtige Deutsche Charlotte Koch lebt in Leipzig. Dort absolvierte sie ihr Master-Studium in Kulturwissenschaften mit einem Bachelor in den Regionalstudien von Lateinamerika. Neben dem Feminismus beschäftigt sie sich auch mit der Soziologie des Islams. Die Kulturwissenschaftlerin zeigt zusätzlich freiwilliges Engagement bei der Unterstützung von Immigranten in Deutschland und sammelte im Rahmen von Praktika und einem Freiwilligendienst viele Erfahrungen im Ausland. Sie arbeitete zudem an einem Podcast an der Universität Leipzig, wo sie auch auf ihre derzeitigen Partnerinnen des Projektes „Women’s voices in Palermo“ traf.
SÉGOLÈNE BULOT
Ségolène Bulot ist eine gebürtige Französin, welche jedoch in Leipzig lebt. Dort erreichte sie auch ihren Masterabschluss in Kulturwissenschaften. Die Soziologin engagiert sich für Migranten in Deutschland und hat durch ihre Arbeit und Planung von Festivals und Theater auch Bezugspunkte zur Kunst-Szene. Aufgrund ihrer Tätigkeit am Goethe-Institut und Institut français ist ihr der Kulturaustausch über die Grenzen hinweg nicht fremd. Sie hatte bereits Erfahrungen mit dem Podcast-Format an der Universität Leipzig, wo sie auch ihre derzeitigen Partnerinnen des Projektes „Women’s voices in Palermo“ kennenlernte.
DARIA DI BELLO
Die in Tarent geborene Italienerin Daria di Bello lebt in Leipzig. Dort bestand sie mit ihrer Arbeit zur Immigration im Mittelmeerraum auch ihren Master in Kulturwissenschaften. Neben ihrer Tätigkeit als Aktivistin ist die Soziologin zusätzlich eine Sprach- und Kulturvermittlerin sowie Italienischlehrerin. Sie befasst mit Migration und der Soziologie des Islams. An der Universität Leipzig, wo sie auch schon an einem Podcast arbeitete, traf sie auf ihre derzeitigen Forschungspartnerinnen. Gemeinsam nutzen sie die Residenz für ihre Recherche im Rahmen des Projektes „Women’s voices in Palermo“.
Das erste Jahr wurde das Projekt von zwei führenden Persönlichkeiten im Bereich der internationalen zeitgenössischen Kunst begleitet: Chiara Parisi, Direktorin des Centre Pompidou-Metz, und Andrea Lissoni, künstlerischer Leiter des Hauses der Kunst in München.
fLAKA HALITI
Flaka Haliti wurde in Prishtina, Kosovo geboren und lebt in München. Sie hat an der Städelschule, der Hochschule für Bildende Künste in Frankfurt am Main studiert.
Die künstlerische Praxis von Flaka Haliti umfasst Mischtechniken, Skulpturen und Rauminstallationen mit einem dezidiert ortsspezifischen Ansatz. Aneignung und Neuanordnung sind durchgehende Linien in ihren Arbeiten, wodurch neue ästhetische Muster geschaffen werden.
2015 vertrat Flaka Haliti ihr Heimatland Kosovo auf der Biennale in Venedig. Darüber hinaus war die Künstlerin 2017 Stipendiatin der Villa Romana in Florenz und erhielt den Ars Viva Prize und den Henkel Award. Ihre Werke präsentierte sie bereits in Einzelausstellungen im mumok – Museum Moderne Kunst in Wien, im S.A.L.T.S. Kunstverein Birsfelden, in der Kunsthalle Lingen und im Kunsthaus Hamburg. In Form von Gruppenausstellungen wurden ihre Arbeiten im Museum Ludwig Köln, in der Kunsthalle Wien, im Museum Lenbachhaus München und dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin gezeigt.
Die Künstlerin schafft einen Dialog zwischen den Begriffen der Neuanordnung und der Aneignung. Auf der einen Seite wird der Standard der systematischen Ordnung abgelehnt - und auf der anderen, eine Anpassung vorgenommen. Infolgedessen eröffnet Flaka Haliti ein poetisches Feld für ein fortwährendes Dazwischen in einem dialektischen, hybriden, performativen Raum.
SÉBASTIEN THIÉRY UND DAS KOLLEKTIV PEROU MIT DEM PROJEKT NAVIRE AVENIR
Das vor zehn Jahren von dem Politikwissenschaftler Sébastien Thiéry und dem Landschaftsarchitekten Gilles Clément gegründete PEROU-Kollektiv (Pôle d'Exploration des Ressources Urbaines, Zentrum zur Erforschung der städtischen Ressourcen) befasst sich mit Fragen der Geflüchteten-Aufnahme, reflektiert und reagiert auf die ausgrenzenden Maßnahmen der öffentlichen Politik und schafft Projekte, die den Dialog und die Gemeinschaft fördern.
NAVIRE AVENIR ("Schiff der Zukunft") ist das bisher weitreichendste Projekt des Kollektivs. Ziel ist der Bau eines europäischen Flaggschiffs zur Rettung von Menschenleben im Mittelmeer, das als erstes aus einer europäischen Flotte von zehn Schiffen konzipiert ist. An dem Projekt sind mehr als tausend Menschen aus verschiedenen Ländern und Disziplinen beteiligt, und es bringt 57 Partner*innen zusammen, darunter Wissenschaftler*innen, Schulen, Universitäten, Künstlerkollektive, Designer*innen, Grafiker*innen, Performer*innen, Architekten, Politiker*innen, Soziologen, Anthropologen und Ingenieur*innen. Das Projekt wird hauptsächlich in Marseille entwickelt und vom MUCEM (Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeerraums, Marseille) und dem Centre Pompidou Metz unterstützt. Der Stapellauf des AVENIR-Schiffs ist für das Jahr 2024 geplant. Parallel dazu arbeitet das PEROU-Kollektiv an der Bewerbung für die Aufnahme in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes.
Während des Aufenthalts in Palermo wird sich das Kollektiv auf einige spezifische Aspekte im Zusammenhang mit der Realisierung des Schiffes konzentrieren. Darunter fallen die rechtlichen Aspekte (Begriff des Empfangs und die Schaffung eines europäischen maritimen Pavillons für das Schiff), die mit der Architektur und dem Design des Schiffes zusammenhängenden Aspekte (Innenausstattung und Typografie), das Design der Flagge und das, was die PEROU-Mitglieder als "therapeutische Aspekte" bezeichnen, die mit der Vermittlung von Erste-Hilfe-Gesten und persönlicher Pflege zusammenhängen. Sébastien Thiéry macht Platz für die anderen Mitglieder des Kollektivs: Nina Chalot & Gabriel di Battisti (Textildesigner*innen), Charlotte Cauwer (Architektin und Designerin), Sina Fakour (Typografin), Marie-José Ordener (Köchin), Elsa Ricq-Amour (Therapeutin). Die Treffen des Kollektivs mit den verschiedenen Realitäten in Palermo werden eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Palermo und Marseille rund um NAVIRE AVENIR in Gang setzen.
"Die Avenir ist ein bahnbrechendes Instrument der Seenotrettung, das erste Schiff, das speziell für die Massenrettung konzipiert wurde; sie ist ein Zufluchtsort auf hoher See, ein Gebäude, das mit allen notwendigen Einrichtungen für die Aufnahme und Betreuung von Überlebenden ausgestattet ist; sie ist ein öffentlicher Platz im Mittelmeer, ein Raum des kollektiven Lebens, in dem die Brüderlichkeit bekräftigt wird; sie ist ein Laboratorium für die Suche nach wünschenswerten Zukünften, ein Ort, von dem aus die Schiffe und die Zukunft geschaffen werden, die weiter bestehen werden."
Melika Ngombe Kolongo wurde in Kinshasa, in der Demokratischen Republik Kongo geboren und ist in Belgien aufgewachsen. Nach ihrem Bachelor in Audiovisuellen Techniken am Narafi in Brüssel machte sie an der Birkbeck, University of London ihren Master in Psychosocial Studies mit einem Fokus auf Kultur, Diaspora und Ethnologie.
Als Musikerin, Produzentin und visuelle Künstlerin bezieht sich NKISI in ihrer Arbeit auf ihre persönliche Biographie, indem sie pan-afrikanische Rhythmen mit hartem Techno und einer gewissen Punk-Sensibilität mischt sowie einer politischen Widerstandshaltung gegen Konformität.
Auch NKISIs Künstlername stellt eine Verbindung zu ihrem kulturellen Hintergrund her, meint das Wort "NKISI" doch einen Geist oder ein von einem Geist bewohntes Objekt, das in den Religionen im zentralafrikanischen Kongobecken als Mittel zur Kommunikation mit den Ahnen dient. Inspiriert von der Kosmologie des Volkes der Bakongo versteht NKISIs Werk Musik als eine Art der Kommunikation jenseits von Sprache und ergründet dabei die Vorstellung von "hören ist sehen und sehen ist reagieren/fühlen" (K. Kia Bunseki Fu-Kiau, African Cosmology of the Bantu-Kongo, 1980).
2015 gründete sie als eine von dreien das Musikkollektiv NON Worldwide, ein unabhängiges Musiklabel und Kunstprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, afrikanische Musiker*innen in der Diaspora zu vernetzen, diesen oftmals marginalisierten Künstler*innen eine Stimme zu geben und letztlich Macht umzuverteilen.
NKISI ist in verschiedenen Locations aufgetreten wie der Tate Modern in London, Berlin Atonal, HAU2 in Berlin, Palais de Tokyo in Paris und dem Haus der Kunst in München.
MORGANE TSCHIEMBER
Morgane Tschiember wurde in Brest, Frankreich geboren. Sie studierte Kunst an den Beaux-Arts in Quimper und anschließend an den Beaux-Arts in Paris. Sie lebt in Paris und arbeitet in einer "factory", die sie 2011 gegründet hat.
Morgane Tschiembers Arbeit zeichnet sich durch einen sowohl physischen als auch metaphysischen Ansatz aus. Mit Überlegungen, die von der Philosophie von Jacques Derrida beeinflusst werden, entsteht eine Synthese, die als "romantischer Minimalismus" bezeichnet werden kann.
Ihre Werke sind vom körperlichen Einsatz geprägt, der für ihre Umsetzung notwendig ist. Von Morgane selbst als Rituale bezeichnet, machen sie sowohl die Produktionsprozesse, als auch die Spuren des Tuns, der Geste und des Atems sichtbar. Morganes Serien durchlaufen mit dem Feuer verbundene Transformationsstadien und werden so zur "Opfergabe".
Morgane modelliert Räume, um deren intrinsische Charakteristiken (Licht, Bewegung) zu enthüllen. In einem Spiel mit visueller und physischer Wahrnehmung, öffnet sie Räume in Form von monumentalen Installationen, als Einladungen zum Umherwandern.
Jede Residenz ist für Morgane Tschiember eine Gelegenheit, sich mit einem bestimmten Material zu beschäftigen (Glas in Marseille im Cirva, Keramik im Veneto, Nuove/ Residency). Sizilien, Palermo und seine Bucht, die Conca d'Oro, knüpfen stark an Morgane Tschiembers vorherige Werke an. Die Künstlerin wird während ihres Aufenthalts an Wachs- und Keramikskulpturen weiter arbeiten.
caner teker
caner teker wurde 1994 in Duisburg-Marxloh, Deutschland, geboren. Absolvent* der Kunstakademie Düsseldorf 2019 und ab 2019 Postgraduiertenstudent* an der SNDO – School for New Dance Development in Amsterdam. Es folgten das Debüt bei den Tanztagen Berlin mit der Performance Kirkpinar (Koproduktion Sophiensaele), die Einladung zur Teilnahme am Programm Disappearing Berlin am Schinkel Pavillon in Berlin und dem Festival Radikal Jung am Volkstheater in München. Darüber hinaus die Einladung als Künstler* im Rahmen des Favoriten Festivals 2020 in der Stadt Dortmund und am Neumarkt Theater in Zürich. caner hat Performances im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Museum Abteiberg Mönchengladbach, tanzhaus NRW realisiert und erfreut sich eines Stipendiums der Norbert Janssen Stiftung in München. Im Jahr 2020 kamen dann der Preis für Bildende Kunst der Stadt Düsseldorf und die Einladung zum Studium am Choreografischen Zentrum PACT Zollverein in Essen.
Juliette Minchin
Juliette Minchin, Jahrgang 1992, lebt in Paris, wo sie sich den Gebieten Skulptur, Installation, Video und Design widmet. Sie hat einen Abschluss als Bühnenbildnerin an der Ecole Supérieure des Arts Décoratifs und der Akademie der Schönen Künste in Paris. Sie schafft ihre Werke im Zusammenspiel von Materie, Licht, olfaktorischer Dimension und Klang.
In ihrer Arbeit erforscht sie Konzepte im Zusammenhang mit dem Thema Transformation. Als Zeugen des Vergehens der Zeit dekliniert sie ihre Werke in Serien und präsentiert sie unter unterschiedlichen Bedingungen und in verschiedenen Zuständen, wobei sie mit einer grundlegenden Zweideutigkeit spielt: Geburt der Materie oder Tod der Form, Anfang und Ende geraten durcheinander. Die Verwendung natürlicher Materialien (wie Erde oder Wachs) verleiht ihren Skulpturen eine unbestreitbar lebendige Dimension, bei der die Oberfläche an das Aussehen von Haut erinnert.
Was passiert beim Schreiben, wenn man seine Muttersprache und das eigene Land verlässt? Welche sind die Worte, die man wählt, um die Erfahrung zu beschreiben, das eigene Land verlassen zu müssen? Welche Strukturen können Künstler*innen in dieser Situation unterstützen?
Kultur Ensemble Palermo startet Altrove/Anderswo/Ailleurs, einen Residenzaufenthalt für das geschriebene Wort und Künstler*innen, die im Exil in Deutschland und Frankreich leben. Das Programm ist in Zusammenarbeit mit der Martin Roth-Initiative (Berlin) und Atelier des artistes en exil (Paris, Marseille) entstanden, zwei Organisationen, die Exil-Künstler*innen bei ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen. Das Projekt soll diejenigen in ihrem Schaffen unterstützen, die ihre kulturelle, sprachliche, geografische und emotionale Heimat verloren haben, und ihnen dabei auch Zeit und Raum geben, um diesen Verlust reflektieren zu können.
Atefe Asadi ist eine iranische Schriftstellerin, Dichterin, Redakteurin und Übersetzerin aus Teheran. Im Iran hat sie für verschiedene Publikationen gearbeitet, darunter auch Untergrund-Zeitschriften. Ihr literarisches Werk befasst sich mit sozialen, politischen und religiösen Themen in der iranischen Gesellschaft, darunter Geschlechterfragen, Sexualität und Frauenrechte. Die Autorin hinterfragt Konservatismus, Religion, Krieg und ihre Folgen. Sie versucht, ein realistisches Bild vom Leben im heutigen Iran im Schatten der Diktatur zu zeichnen. Dabei verschränkt sie eine Vielzahl von Blickwinkeln und Perspektiven, verschiedene Stimmen und Erzähl-Standpunkte. Ihre drei Kurzgeschichten-Sammlungen wurden vom iranischen "Ministerium für Kultur und islamische Führung" abgelehnt und als nicht zu veröffentlichen erklärt. Im Iran geriet Asadi wegen ihres heimlichen Schreibens und ihres bürgerlichen Engagements unter Druck. Sie wurde mehrfach verhört und von Sicherheitskräften verhaftet. Nach ihrer Freilassung konnte sie ihre Aktivitäten im Iran nicht fortsetzen und war gezwungen, ihre Konten in den sozialen Medien monatelang zu schließen. Im Dezember 2022 gewann Asadi das „Hannah Arendt“-Stipendium, das ihr die Teilnahme am ICORN-Aufenthalt in Hannover ermöglichte. Seitdem setzt sie ihre Arbeit in sicherem Umfeld fort.
Gerade arbeitet Atefe Asadi an ihre Gedichtsammlung, die in einer zweisprachigen iranisch-deutsche Ausgabe erscheinen soll. In Palermo wird sie sich dem Schreiben ihres ersten Romans „Cinderella's Wounds“ widmen, der den Geschichten iranischer Frauen gewidmet ist, die während der laufenden Aufstände im Iran verletzt wurden.
Nastya Rodionova ist Schriftstellerin, Dichterin, politische Journalistin und bildende Künstlerin. Sie wurde 1986 in Moskau geboren und studierte am Gorki-Literaturinstitut. Nach dem Ausbruch des Krieges mit der Ukraine im Jahr 2022 musste sie, mit ihrer Familie nach Frankreich fliehen und erhielt den Status eines politischen Flüchtlings. In diesem neuen Land, beraubt von ihr Hauptinstrument – die russische Sprache – begann sie, das Konzept der performativen Literatur, eine Literatur ohne Sprache, zu entwickeln. Im Rahmen des Konzepts der performativen Literatur schafft Nastya Rodionova Roman-Installationen, Roman-Performances, Roman-Ausstellungen usw. – und arbeitet mit dem Bild als Schriftstellerin, jedoch vor dem verbalen Ausdruck. 2023 unterrichtet sie einen Kurs über performative Literatur an der Hochschule der Künste in Bern, Schweiz. Ihre Gedichte wurden ins Französische, Englische und Italienische übersetzt. Nastya Rodionova ist Preisträgerin der Porosus-Stiftung.
Das Projekt:
„Untranslatability“ [Unübersetzbarkeit] ist ein multidisziplinäres Projekt der Schriftstellerin und Künstlerin Nastya Rodionova. Sie beschäftigt sich mit dem Problem der Übersetzung und der Unmöglichkeit, Wörter und Bedeutungen von einer Sprache in eine andere zu übertragen. So erweist sich beispielsweise eine Reihe von Wörtern, die im Russischen existieren und den kulturellen Code der Autorin bilden, als unübersetzbar ins Französische.
Das Projekt umfasst sowohl eine künstlerische Beschreibung spezifischer Wörter und Alliterationen als auch eine Beschreibung des performativen Teils, der mit jedem Konzept verbunden ist und die Frage nach der Möglichkeit der Existenz von Literatur vor/jenseits der Sprache aufwirft. Der performative Teil besteht aus einer Reihe von verbalen Beschreibungen imaginärer, aber realisierbarer Performances und Installationen. Die Autorin arbeitet außerdem an einem Roman, einer vertieften künstlerischen Reflexion, in der sich einige Kapitel ebenfalls mit der „Unübersetzbarkeit“ beschäftigen werden.
2023: Ludmila Pogodina und Samer Salameh
Für ihre erste Ausgabe empfängt im Herbst 2023 die Residenz einen Monat lang die belarussische Schriftstellerin, Aktivistin und DJ Ludmila Pogodina und den palästinensischen Fotografen und Regisseur Samer Salameh, der in Syrien geboren wurde. Während der Residenz sind auch drei Veranstaltungen im Rahmen des Festival delle Letterature Migranti Freitag, 13. und Samstag, 14. Oktober geplant. Die erste Ausgabe von Altrove/Anderswo/Ailleurs wird vom Deutsch-Französischen Kulturfonds unterstützt.
Sie wurde 1984 in dem heute russischen Dorf Znamensk geboren und zog mit ihrer Familie nach Minsk, als sie fünf Jahre alt war. Als Teenager entdeckte Pogodina die Rockmusik, die in Weißrussland als politisch oppositionell verstanden wird, was sie später dazu veranlasste, sich auf Interviews mit provokanten Künstlern aus aller Welt zu konzentrieren, darunter Genesis Breyer P-Orridge, Denis Lavant, Bruce LaBruce, Joshua Oppenheimer, Isabella Rossellini, Charlotte Rampling, Cillian Murphy, Pablo Larrain und viele andere, deren Werke oft soziale Normen und Politik thematisieren.
Sie studierte Musik, Jura und Journalismus und begann in den 2000er Jahren als Musik- und Filmjournalistin zu arbeiten, hauptsächlich für ukrainische und weißrussische Medien.
2011 begann sie auf Anfrage eines Minsker Clubs mit dem Auflegen und veranstaltete kurz darauf ihre eigenen Partys.2015 gründete sie zusammen mit Freunden das Kunstkollektiv #keepminskweird, das einen sicheren Raum für die lokale Gemeinschaft und eine Plattform schuf, um über Feminismus, Geschlechterrollen, Inklusion und Vielfalt zu sprechen, indem es eine fließende Form der Unterhaltung (Partys, Kunstlabore, Festivals) nutzte und sich mit lokalen Basisinitiativen vernetzte.
Nach der gescheiterten belarussischen Revolution und der starken Repression ist das Kollektiv heute über Polen, Litauen und Deutschland verstreut und nicht mehr in Belarus aktiv.
Ludmila Pogodina will mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement auf die politische Situation in Belarus aufmerksam machen. Derzeit arbeitet sie an einem autobiografischen Roman über "Diktatur, Patriarchat und Rock'n'Roll". Im November 2022 kuratierte sie ein Sonderprogramm "Spotlight: Belarus" und war Jurymitglied des Wettbewerbs für Menschenrechtsfilme beim Internationalen Kurzfilmfestival Interfilm Berlin. Pogodina lebt seit April 2022 in Berlin.
Armin Dierolf
In ihren Filmen verwebt Anna Marziano dokumentarische, nicht-fiktionale und fiktionale Elemente miteinander. Nach ihrem Abschluss in Politikwissenschaften absolvierte Anna Marziano eine Ausbildung zur Kamerafrau am Centro Sperimentale di Cinematografia (Rom) und setzte ihr Regiestudium an den Ateliers Varan in Paris und dem Fresnoy Studio National fort. Seit 2009 hat sie zahlreiche Filme gedreht, die auf Festivals und in Kunsträumen auf der ganzen Welt gezeigt wurden (TIFF Wavelenghts, IFFR Rotterdam, Palais de Tokyo, FRAC Dunkerque, MAXXI Rom, National Gallery of Arts Washington, Wexner Center for the Arts, Museum of the Moving Image NYC, FIC Valdivia, BIM Argentina usw.). Ihre Arbeit wurde vom Berliner Senat und dem CNC in Paris gefördert und wurde von der deutschen Produktion joon film und der französischen Produktion Spectre Productions koproduziert. 2018 wurde „Beyond One“ beim Cinema du Réel und Experimenta Film Festival Bangalore ausgezeichnet. Im Jahr 2020 wurde „Offshore“ beim TFF/Italiana Doc ausgezeichnet. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Schwerpunkten und Retrospektiven präsentiert (Pesaro Film Festival, Volksbühne / VariaVision, Wolf Kino Berlin). Seine Filme befinden sich in der französischen Nationalbibliothek, in der Cineteca Nazionale in Rom und in der Cineteca di Bologna. Anna Marziano unterrichtete Regie an der LABA Rimini, der Brera Academy of Fine Arts und der Etnofilmschool in Padua; sie hielt Vorträge an der Universität Göttingen und der Ca' Foscari Universität in Venedig; sie nahm an den künstlerischen Residenzen bangaloREsidency (Goethe-Institut), BnF (Fondation Cino Del Duca), Utopiana (Stadt Genf) teil. Sie lebt in Catania.
Das Projekt "FOAM OF WORLDS" von Anna Marziano wurde von einer Jury ausgewählt, die aus folgenden Mitglieder*innen bestand: Carlo Chatrian (künstlerischer Leiter der Internationalen Filmfestspiele Berlin - Berlinale, 2019-2024), Cyril Neyrat (künstlerischer Leiter des Festivals FID Marseille), Clio Nicastro (Mitglied des Vorstands des Harun Farocki Instituts in Berlin) und Heidi Sciacchitano (Leiterin des Goethe-Instituts Palermo).
Sandra Makhlouf stammt aus einer slowakisch-syrischen Familie in der Slowakei. Sie lebt seit 2012 in Hamburg und studiert dort an der Hochschule für Bildenden Künste. Der Umgang mit Sprache ist ein Schwerpunkt ihrer Arbeit. Sandra Makhlouf ist Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes.
Ihr Spielfilm „Kometa” handelt von einer jungen Frau mit schlechten Zähnen, der eine Reihe von glücklichen Zufällen widerfährt. Sandra Makhlouf wird während ihrer Residenz in Sète weiter am Drehbuch arbeiten und bleibt dabei offen für weitere Ideen.
Mario Estrada ist Filmemacher, in Mexiko geboren und lebt seit 2020 in Italien. In seinen Arbeiten versucht er, Fiktion und Dokumentarfilm zu verbinden und Geschichten mit sozialer Tragweite zu erzählen. Auf dem 39. Filmfest von Turin präsentierte er mit einem Autor:innenkollektiv den Dokumentarfilm „Sotto lo Stesso Tempo“ (2022). Der Film erhielt eine besondere Auszeichnung bei den Nastri D'Argento 2022 in Taormina. 2023 schloss Mario Estrada sein Studium der Dokumentarfilmregie am Centro Sperimentale di Cinematografia - Sede Sicilia mit dem Film „Fragile“ (2023) ab. Beim Filmfestival in Rom erhielt er im selben Jahr den Gianandrea-Mutti-Preis für das Drehbuch des Kurzfilms „Manifesta Infondatezza“. Im Rahmen des Projektes “Looking China” der Beijing Normal University und der Huilin Foundation drehte er den Dokumentarkurzfilm „A Hundred Rolls of Film“ (2024) in den Städten Wuxi und Nanjing in China.
Mario Estrada widmet die Residenzzeit in Sète dem Schreiben seines zweiten Spielfilms. Darin geht es um Einwanderung, Identität und kulturelle Hybridität zwischen Italien und Lateinamerika. Zum Leitfaden wird dabei einer der berühmtesten musikalischen Rhythmen der Welt: die Cumbia.
Historisch gesehen entstand die Cumbia aus dem Aufeinandertreffen dreier Kulturen: der Musik der indigenen Völker Amerikas, der Rhythmen der afrikanischen Sklaven, die auf den amerikanischen Kontinent gebracht wurden, und der Sprache der kolonisierenden Europäer. Die Cumbia ist eines der beliebtesten Musikgenres Lateinamerikas.
"Die Künste der Gegenwart leben an den geographischen, kulturellen, sozialen und disziplinären Rändern. Sie existieren und halten sich mit Freude, Energie, Radikalität und sind in dem Wert verwurzelt, den das letzte Jahr auf dramatische Weise als den wichtigsten deutlich gemacht hat: die Gemeinschaft. Europa erlebt gerade einen außergewöhnlichen kulturellen, sozialen und künstlerischen Wandel, der zu disruptiv ist, um ignoriert zu werden. Ich bin begeistert, einen Beitrag zu Bottega Atelier Panormos zu leisten, einem Projekt an einem Ort, in einer Zeit, einer Art und Weise und in einer einzigartigen Stadt, in der die Aufnahme der Kunst der Gegenwart wie selbstverständlich die Grundlagen für die zukünftige Kunst schaffen kann. Und unweigerlich auch die Grundlagen der Zukunft im Allgemeinen."
Andrea Lissoni, PhD, ist seit April 2020 künstlerischer Leiter des Hauses der Kunst in München. Zuvor war er als Senior-Kurator in der Abteilung für internationale Kunst und Film an der Tate Modern in London und davor (2009-2013) als Kurator beim Hangar Bicocca in Mailand tätig. Er ist Mitbegründer des unabhängigen Kunstkollektivs Xing und Co-Direktor des internationalen Festivals Netmage in Bologna. 2012 hat er Vdrome mitbegründet, ein Online-Kino-Programm für Künstler*innen und Filmemacher*innen, zu dessen Kurator*innen er bis heute gehört.
Er hat das Cinema Programme in der Tate Modern eingeweiht, eine Ausstellung, die sich über das ganze Jahr hinzieht. Er co-kuratierte das Programm zur Eröffnung des Museumsneubaus (2016), die Live-Exhibition (2017 und 2018), die Turbine Hall Commission von Philippe Parrenos (2016) und die Einzelausstellung von Joan Jonas (2018). Er war Co-Kurator der Biennale de l’Image en Mouvement The Sound of Screens imploding, die 2018 vom Geneva Contemporary Art Centre/OGR Turin organisiert wurde. Im Jahr 2019 trug er zur internationalen Eröffnung des CCA in Taschkent bei, dem ersten Zentrum für zeitgenössische Kunst in Usbekistan, wo er die Einzelausstellung von Saodat Ismailova Qo’rg’on Chiroq kuratierte. Zuletzt kuratierte er die Bruce Nauman-Ausstellung in der Tate Modern in London (2020-2021), eine Wanderausstellung, die anschließend im Stedelijk Museum in Amsterdam und im Hangar Bicocca in Mailand zu sehen sein wird).
"Atelier Panormos ist ein bisschen ein Ort, der zum Werk wird, ein Fragezeichen in der Stadt Palermo, um zeitgenössische Trends durch das Herausfordern der 'deputierten Orte' abzufangen. Ein Ort, der für jedes Publikum offen ist und die Künstler in den Mittelpunkt stellt: eine immerwährende Baustelle, eine Bucht, die der Errichtung jener unendlichen und undefinierbaren Architektur, nämlich der Kunst gewidmet ist."
Chiara Parisi leitet seit Dezember 2019 das Centre Pompidou-Metz. Die Kunsthistorikerin promovierte an der Universität La Sapienza in Rom, wo sie moderne und zeitgenössische Kunstgeschichte, Geschichte der Architektur und des Industriedesigns lehrte. Von 2004 bis 2011 leitete sie das Internationale Zentrum für Kunst und Landschaft auf der Insel Vassivière, wo sie eine Reihe von neuen Projekten ins Leben rief und die ersten monografischen Ausstellungen einer Reihe von Künstler*innen realisierte, die zuvor niemals in Frankreich ausgestellt wurden. Im Jahr 2011 wurde sie zur Direktorin für Kulturprogramme an der Monnaie in Paris ernannt, wo sie 2014 die Eröffnungsausstellung "Chocolate Factory" von Paul McCarthy kuratierte, die in Verbindung mit der monumentalen SkulpturTreeauf dem Place Vendôme präsentiert wurde. 2015 folgten die Ausstellungen von Marcel Broodthears,Take Me (I'm yours)von Christian Boltanski und Hans Ulrich Obrist. Im Jahr 2016 wurden in den Räumen der Monnaie aus dem achtzehnten Jahrhundert die Werke von Jannis Kounellis, dann die von Bertrand Lavier und Raymond Hains präsentiert. Ihre künstlerische Leitung endet mit der Einzelausstellung "Not Afraid of Love", der größten Maurizio Cattelan-Ausstellung, die jemals in Europa gezeigt wurde und die die Wiederaufnahme der Produktion des Künstlers markiert.
Im Jahr 2017 wurde sie zur Kuratorin der Villa Medici ernannt, wo sie eine Reihe von Einzelausstellungen eröffnete, die Annette Messager, Claire Tabouret et Yoko Ono, Elizabeth Peyton et Camille Claudel, Tatiana Trouvé, Katharina Grosse und Anne Patrick Poirier gewidmet waren. Sie ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien, unter anderem des Kulturministeriums, des Nationalmuseums von Monte Carlo und des FRAC (Regionaler Fonds für zeitgenössische Kunst) Franche-Comté.
Kontakt
Bianca Bozzeda
Referentin
Kultur Ensemble Palermo
Cantieri Culturali alla Zisa
Via Paolo Gili, 4
90138 Palermo, Italien
Tel.: +39 091 5556815 bianca.bozzeda@goethe.de