Mittwoch, 10. Mai 2017, 21 Uhr
Mobile doppio
Konzert|Wanderkonzert mit zeitgenössischer Kammermusik für Flöte mit beweglichem Kopfstück und Videoprojektion
-
Palermo, Sala Perriera, Palermo
- Preis Eintritt € 8 - Studierende, "unter 30", Inhaber*innen der Goethe-Card € 5
Im Rahmen von "20 Jahre Curva minore" (28. April – 27. Mai 2017)
Erik Drescher
| Foto: Ragnar Schmuck
Erik Drescher, Flöten
Programm
Giacinto Scelsi Quays (1954), für Soloflöte
Salvatore Sciarrino Il pomeriggio di un allarme al parcheggio (2015), für Flöte mit beweglichem Kopfstück
Nicolaus A. Huber Sister Sounds (2012), für Soloflöte mit beweglichem Kopfstück, vier Metallzimbeln und Triangel
Videoprojektion mit Szenen aus Jean-Luc Godards Film Armide (Lully)
Nicolaus A. Huber First play Mozart (1993), für Soloflöte
Michael Maierhof Splitting 39 (2012), für Flöte mit beweglichem Kopf- und verlängertem, verstärkbarem Mundstück
Videoprojektion mit Szenen aus Jean-Luc Godards Film Le Weekend
Michael Maierhof Splitting 29.1 (2006), für Flöte, Vocoder und Videoprojektion
Videoprojektion mit Szenen aus Federico Fellinis Film Roma
Michael Maierhof Splitting 17 (2003), für Piccoloflöte und Video
Flötist Erik Drescher ist nicht nur ein brillanter Interpret, sondern auch ein kühner Pionier innerhalb seiner Zunft: Im kanonischen Repertoire der zeitgenössischen Musik ohnehin bestens bewandert, interessiert er sich vor allem für innovative und experimentelle Weiterentwicklungen seines Instruments. Die jüngst entwickelte Flöte mit beweglichem Kopfstück ermöglicht es dem Spieler etwa, das Klangrohr über die üblichen Maße hinaus zu verlängern und so verblüffende Glissandi zu erzeugen. Mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten hat Drescher in den letzten Jahren zahlreiche Komponisten zu ihm gewidmeten Arbeiten inspiriert.
In seinem Konzertprogramm stellt Drescher einige dieser Arbeiten vor, wobei er sein Publikum teilweise aus dem Saal hinausführt oder parallel Ausschnitte aus Filmen Godards und Fellinis projiziert.
Der Abend umfasst zwei Teile. Im ersten Teil des Konzerts erklingen frühe Werke des sizilianischen Komponisten Giacinto Scelsi sowie Arbeiten des gebürtigen Palermitaners Salvatore Sciarrino, in denen die Flöte am Ursprung einer ganz eigenen Klangwelt steht.
Der zweite Teil des Konzerts besteht aus Werken der beiden deutschen Komponisten Nikolaus A. Huber und Michael Maierhof. In Hubers Sister Sounds produziert der Flötist mit der rechten Hand auch perkussive Elemente. Die Kompositionsserie Splitting des Hamburger Klangkünstlers Maierhof hingegen basiert auf dem Effekt der Dämpfung: Durch einfache Materialien werden die Töne gedämpft und bringen so überraschende Soundschleifen hervor, die nur bis zu einem gewissen Grad berechnet und kontrolliert werden können.
Im letzten Stück des Programms werden dem Klang durch die Videoprojektion visuelle Schlaglichter hinzugefügt, die das Hörerlebnis gewissermaßen rhythmisieren.
Salvatore Sciarrino – Il pomeriggio di un allarme al parcheggio (2014) für Flöte mit beweglichem Kopfstück:
"Juni 2014, ein Nachmittag in Berlin. Das Wetter war so unverschämt einladend, dass ich mich zu Fuß auf den Weg zur Staatsoper machte, obwohl die Gefahr bestand, zu spät zur Generalprobe zu kommen. Als ich gerade an der Philharmonie vorbeiging, wurde das ruhige Atmen des Windes plötzlich vom schneidenden Ton einer Alarmanlage zerrissen. Die Eigentümer des Autos – ein älteres Paar, dem diese Störung der allgemeinen Frühlingsgefühle äußerst unangenehm war - versuchten vergeblich, das System zum Schweigen zu bringen. Der Alarm platzte gewaltsam in das ruhige Treiben der Stadt hinein und verletzte ihr Klanggeflecht: in der Ferne das stetige Rauschen des Verkehrs, darüber die verhaltenen Stimmen aus den Parks, vermischt mit den Balzgesängen der Vögel. Auch meinen Geist nahm der schneidende Sirenenton sofort in Besitz: Ich hatte den Eindruck, dass innerhalb dieses streng symmetrischen Tons verschiedene Klänge um die Titel des Liebens- und des Hassenswertesten fochten. Dieses Ringen faszinierte mich so sehr, dass ich stehenblieb und die unregelmäßigen Umrisse des Tons in meinem Notizbuch festhielt.
Diese obertonarmen Glissandi erinnerten mich an jene, die mir Erik Drescher einige Tage zuvor auf seiner umgearbeiteten Flöte vorgespielt hatte. Ihre gepresste Klangfarbe, die wohl durch die Verkürzung des Klangrohres zustande kommt, hatte mich nachhaltig beeindruckt. In der darauffolgenden Woche nahm ich also meine Notizen jenes Nachmittags wieder zur Hand und versuchte, sie in einen neuen musikalischen Zusammenhang zu stellen, der so facettenreich sein sollte, wie die Geräuschkulisse der schläfrigen Stadt unterhalb der brutalen Alarmtöne auf mich gewirkt hatte. Endlich hatte ich einen Anlass gefunden, auf Dreschers Anfrage zu antworten.
Das Alarmsignal war leicht aus stereotypen Klangfiguren herzustellen. Die Landschaft hingegen, die innerhalb meiner Komposition jäh unterbrochen wird, imitiert die Realität nicht einfach, sondern setzt an ihre Stelle ein organisches Bild, das wenn überhaupt nur eine schattenhafte Erinnerung des Stadtklangs evoziert. Meine Vorbilder sind weder klassisch noch zeitgenössisch – vielmehr berufe ich mich auf unsere Umwelt oder bestehende Werke der Musikgeschichte, beides ganz unvermittelt. Ich stütze mich in meinen Kompositionen weder nur auf klassische, noch lediglich auf zeitgenössische Vorbilder. Beide Kompositionsschulen sind für mich wichtig: die der Handbücher (Harmonielehre und Kontrapunkt) ebenso wie die der neuen Sachlichkeit.
Unter Umwelt verstehe ich die Auseinandersetzung mit menschlichen und tierischen Verhaltensweisen. Wir sollten uns der Natur heute ganz frei und unvoreingenommen nähern, fernab von romantisierenden Vorstellungen ebenso wie von den konfusen Abstraktionen, die im Bereich der Musik immer noch dominant sind. Viele meiner Kompositionen funktionieren wie eine metaphorische Sprache. Sie schenken dem Zuhörer eine klangliche Illusion der Realität (in der sogar das Unberechenbare darstellbar wird). Heutzutage erklingt Natur immer gleichzeitig mit Technik. Deshalb habe ich Radiosendungen, die Klänge der Nacht, das Innere des menschlichen Körpers, Glocken, Steine, Wind, Meere, alte und neue Telefone und das Geräusch von Zügen aufgenommen. Efebo con radio (1981), ), Lohengrin (1981), Perseo e Andromeda (1990), Archeologia del telefono (2005), Senza sale d’aspetto (2011). Und nun kam noch mein Nachmittag hinzu – nicht etwa der eines Fauns, wie bei Débussy, sondern der Pomeriggio di un allarme al parcheggio (2014). Man vergisst oder verdrängt immer, dass die kreativen Impulse und die logischen Regeln der Musik aus allen möglichen Bereichen der menschlichen Existenz kommen können. Immer wenn ich versuche, den Kompositionsprozess in seinen einzelnen psychologischen Phasen nachzuvollziehen, werde ich schräg beäugt. Von Öffnung und Alternative will man in unserer musikalischen Kultur einfach nichts wissen - seit geraumer Zeit beharrt man auf verstaubten Positionen, die jeglichen theoretischen Fundaments entbehren, und bevorzugt eine völlig emotions- und bedeutungslose Sprache.
Die Musiker verstecken sich oft hinter pseudo-wissenschaftlichen Motivationen, hinter Zitaten, die ihnen eine vermeintliche Autorität verleihen. Von einer aufrichtigen Begegnung mit anderen Disziplinen kann nicht im Traum die Rede sein. Ich meckere nur ungern, aber die schwerwiegenden Konsequenzen dieser festgefahrenen Situation darf man einfach nicht ignorieren. Weder für die jetzige, noch für die zukünftige Gesellschaft.
Diese Verarmung verstetigt sich nicht zuletzt aufgrund des mangelnden Engagements derer, die Komposition unterrichten sollten, sich dabei aber mehr wie Angestellte als wie Künstler verhalten. Wie sollte man all das nennen? Ästhetische Bürokratie? Persönlich empfehle ich (wie immer) eine gesunde Häresie gegenüber der nichts als Stagnation bringenden Doktrin."
Salvatore Sciarrino
Erik Drescher wurde 1972 in Bremen geboren und lebt in Berlin. Er studierte Flöte bei Carin Levine und Hans-Jörg Wegner an der Hochschule für Musik in Detmold und besuchte die Meisterkurse von Robert Aitken, Roberto Fabbriciani und Aurèle Nicolet. Drescher nahm mehrmals an der Internationalen Sommerschule für Neue Musik in Darmstadt teil. Er hat zahlreiche Konzerte im In- und Ausland gespielt, zum Beispiel bei der artGenda und dem Rikskonserter in Stockholm, beim Festival de Mùsica electroacustica Primavera en LaHabana auf Kuba, beim musikprotokoll des Festivals Steirischer Herbst in Graz, bei HerbstZeitTon Wien, bei den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik, bei sons nous Barcelona, den Randspielen Zepernick, den Intersonanzen Potsdam, der Projektgruppe Neue Musik Bremen, dem SPOR-Festival Arhaus, der KunstArbeiders Gezelschap Gent, dem New Media Art Festival Daegu / Südkorea, dem Nam-young Festival for Contemporary Music Daegu/Südkorea, den Weltmusiktagen Stuttgard, dem tina b – Prage Festival for Contemporary Art, dem Norberg Festival Schweden, dem Querétage Mexikoo oder den Jornadas de creación musical in Mexiko.
Als Solist oder Ensemblemitglied hat er mit der Bayerischen Kammerphilharmonie, dem Thürmchen Ensemble Köln, Die Reihe Wien, dem Ensemble Chronophonie Freiburg, dem Ensemble Mosaik Berlin, dem Kammerensemble Neue Musik Berlin, Klangform Wien, dem Ensemble Modern Frankfurt, dem Elektronikstudio der TU Berlin, dem Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR sowie der EMS Stockholm zusammengearbeitet. Seit 2004 ist er Mitglied des Trios Nexus.
Künstlerische befasst er sich hauptsächlich mit zeitgenössischer Musik, in der er Inspiration für neue eigene Werke oder Erstaufführungen neuer Kompositionen von Komponisten wie Peter Ablinger, Maryanne Amacher, Antoine Beuger, Dror Feiler, Beat Furrer, Friedrich Goldmann, Adriana Hölszky, Nicolaus A. Huber, Jamilja Jazylbekova, Sven-Ake Johansson, Bernhard Lang, Klaus Lang, Alvin Lucier, Michael Maierhof, André O. Möller , Chris Newman, Phill Niblock, Ivo Nilsson, Helmut Oehring, Christoph Ogiermann, Younghi Pagh-Paan, Marianthi Papalexandri-Alexandri, Cornelius Schwehr, Martin Schüttler, Salvatore Sciarrino und Jennifer Walshe findet.
Drescher hat zahlreiche Aufnahmen für den Deutschlandfunk, den HR, den ORF, den SWR, den WDR und Radio Bremen eingespielt und CDs bei Wandelweiser Recors und Mode Records New York produziert.
In Zusammenarbeit mit Curva minore im Rahmen der Reihe "20 Jahre Curva minore" (28. April – 27. Mai 2017)
Erik Drescher
| Foto: Ragnar Schmuck
Erik Drescher, FlötenProgramm
Giacinto Scelsi Quays (1954), für Soloflöte
Salvatore Sciarrino Il pomeriggio di un allarme al parcheggio (2015), für Flöte mit beweglichem Kopfstück
Nicolaus A. Huber Sister Sounds (2012), für Soloflöte mit beweglichem Kopfstück, vier Metallzimbeln und Triangel
Videoprojektion mit Szenen aus Jean-Luc Godards Film Armide (Lully)
Nicolaus A. Huber First play Mozart (1993), für Soloflöte
Michael Maierhof Splitting 39 (2012), für Flöte mit beweglichem Kopf- und verlängertem, verstärkbarem Mundstück
Videoprojektion mit Szenen aus Jean-Luc Godards Film Le Weekend
Michael Maierhof Splitting 29.1 (2006), für Flöte, Vocoder und Videoprojektion
Videoprojektion mit Szenen aus Federico Fellinis Film Roma
Michael Maierhof Splitting 17 (2003), für Piccoloflöte und Video
Flötist Erik Drescher ist nicht nur ein brillanter Interpret, sondern auch ein kühner Pionier innerhalb seiner Zunft: Im kanonischen Repertoire der zeitgenössischen Musik ohnehin bestens bewandert, interessiert er sich vor allem für innovative und experimentelle Weiterentwicklungen seines Instruments. Die jüngst entwickelte Flöte mit beweglichem Kopfstück ermöglicht es dem Spieler etwa, das Klangrohr über die üblichen Maße hinaus zu verlängern und so verblüffende Glissandi zu erzeugen. Mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten hat Drescher in den letzten Jahren zahlreiche Komponisten zu ihm gewidmeten Arbeiten inspiriert.
In seinem Konzertprogramm stellt Drescher einige dieser Arbeiten vor, wobei er sein Publikum teilweise aus dem Saal hinausführt oder parallel Ausschnitte aus Filmen Godards und Fellinis projiziert.
Der Abend umfasst zwei Teile. Im ersten Teil des Konzerts erklingen frühe Werke des sizilianischen Komponisten Giacinto Scelsi sowie Arbeiten des gebürtigen Palermitaners Salvatore Sciarrino, in denen die Flöte am Ursprung einer ganz eigenen Klangwelt steht.
Der zweite Teil des Konzerts besteht aus Werken der beiden deutschen Komponisten Nikolaus A. Huber und Michael Maierhof. In Hubers Sister Sounds produziert der Flötist mit der rechten Hand auch perkussive Elemente. Die Kompositionsserie Splitting des Hamburger Klangkünstlers Maierhof hingegen basiert auf dem Effekt der Dämpfung: Durch einfache Materialien werden die Töne gedämpft und bringen so überraschende Soundschleifen hervor, die nur bis zu einem gewissen Grad berechnet und kontrolliert werden können.
Im letzten Stück des Programms werden dem Klang durch die Videoprojektion visuelle Schlaglichter hinzugefügt, die das Hörerlebnis gewissermaßen rhythmisieren.
Salvatore Sciarrino – Il pomeriggio di un allarme al parcheggio (2014) für Flöte mit beweglichem Kopfstück:
"Juni 2014, ein Nachmittag in Berlin. Das Wetter war so unverschämt einladend, dass ich mich zu Fuß auf den Weg zur Staatsoper machte, obwohl die Gefahr bestand, zu spät zur Generalprobe zu kommen. Als ich gerade an der Philharmonie vorbeiging, wurde das ruhige Atmen des Windes plötzlich vom schneidenden Ton einer Alarmanlage zerrissen. Die Eigentümer des Autos – ein älteres Paar, dem diese Störung der allgemeinen Frühlingsgefühle äußerst unangenehm war - versuchten vergeblich, das System zum Schweigen zu bringen. Der Alarm platzte gewaltsam in das ruhige Treiben der Stadt hinein und verletzte ihr Klanggeflecht: in der Ferne das stetige Rauschen des Verkehrs, darüber die verhaltenen Stimmen aus den Parks, vermischt mit den Balzgesängen der Vögel. Auch meinen Geist nahm der schneidende Sirenenton sofort in Besitz: Ich hatte den Eindruck, dass innerhalb dieses streng symmetrischen Tons verschiedene Klänge um die Titel des Liebens- und des Hassenswertesten fochten. Dieses Ringen faszinierte mich so sehr, dass ich stehenblieb und die unregelmäßigen Umrisse des Tons in meinem Notizbuch festhielt.
Diese obertonarmen Glissandi erinnerten mich an jene, die mir Erik Drescher einige Tage zuvor auf seiner umgearbeiteten Flöte vorgespielt hatte. Ihre gepresste Klangfarbe, die wohl durch die Verkürzung des Klangrohres zustande kommt, hatte mich nachhaltig beeindruckt. In der darauffolgenden Woche nahm ich also meine Notizen jenes Nachmittags wieder zur Hand und versuchte, sie in einen neuen musikalischen Zusammenhang zu stellen, der so facettenreich sein sollte, wie die Geräuschkulisse der schläfrigen Stadt unterhalb der brutalen Alarmtöne auf mich gewirkt hatte. Endlich hatte ich einen Anlass gefunden, auf Dreschers Anfrage zu antworten.
Das Alarmsignal war leicht aus stereotypen Klangfiguren herzustellen. Die Landschaft hingegen, die innerhalb meiner Komposition jäh unterbrochen wird, imitiert die Realität nicht einfach, sondern setzt an ihre Stelle ein organisches Bild, das wenn überhaupt nur eine schattenhafte Erinnerung des Stadtklangs evoziert. Meine Vorbilder sind weder klassisch noch zeitgenössisch – vielmehr berufe ich mich auf unsere Umwelt oder bestehende Werke der Musikgeschichte, beides ganz unvermittelt. Ich stütze mich in meinen Kompositionen weder nur auf klassische, noch lediglich auf zeitgenössische Vorbilder. Beide Kompositionsschulen sind für mich wichtig: die der Handbücher (Harmonielehre und Kontrapunkt) ebenso wie die der neuen Sachlichkeit.
Unter Umwelt verstehe ich die Auseinandersetzung mit menschlichen und tierischen Verhaltensweisen. Wir sollten uns der Natur heute ganz frei und unvoreingenommen nähern, fernab von romantisierenden Vorstellungen ebenso wie von den konfusen Abstraktionen, die im Bereich der Musik immer noch dominant sind. Viele meiner Kompositionen funktionieren wie eine metaphorische Sprache. Sie schenken dem Zuhörer eine klangliche Illusion der Realität (in der sogar das Unberechenbare darstellbar wird). Heutzutage erklingt Natur immer gleichzeitig mit Technik. Deshalb habe ich Radiosendungen, die Klänge der Nacht, das Innere des menschlichen Körpers, Glocken, Steine, Wind, Meere, alte und neue Telefone und das Geräusch von Zügen aufgenommen. Efebo con radio (1981), ), Lohengrin (1981), Perseo e Andromeda (1990), Archeologia del telefono (2005), Senza sale d’aspetto (2011). Und nun kam noch mein Nachmittag hinzu – nicht etwa der eines Fauns, wie bei Débussy, sondern der Pomeriggio di un allarme al parcheggio (2014). Man vergisst oder verdrängt immer, dass die kreativen Impulse und die logischen Regeln der Musik aus allen möglichen Bereichen der menschlichen Existenz kommen können. Immer wenn ich versuche, den Kompositionsprozess in seinen einzelnen psychologischen Phasen nachzuvollziehen, werde ich schräg beäugt. Von Öffnung und Alternative will man in unserer musikalischen Kultur einfach nichts wissen - seit geraumer Zeit beharrt man auf verstaubten Positionen, die jeglichen theoretischen Fundaments entbehren, und bevorzugt eine völlig emotions- und bedeutungslose Sprache.
Die Musiker verstecken sich oft hinter pseudo-wissenschaftlichen Motivationen, hinter Zitaten, die ihnen eine vermeintliche Autorität verleihen. Von einer aufrichtigen Begegnung mit anderen Disziplinen kann nicht im Traum die Rede sein. Ich meckere nur ungern, aber die schwerwiegenden Konsequenzen dieser festgefahrenen Situation darf man einfach nicht ignorieren. Weder für die jetzige, noch für die zukünftige Gesellschaft.
Diese Verarmung verstetigt sich nicht zuletzt aufgrund des mangelnden Engagements derer, die Komposition unterrichten sollten, sich dabei aber mehr wie Angestellte als wie Künstler verhalten. Wie sollte man all das nennen? Ästhetische Bürokratie? Persönlich empfehle ich (wie immer) eine gesunde Häresie gegenüber der nichts als Stagnation bringenden Doktrin."
Salvatore Sciarrino
Erik Drescher wurde 1972 in Bremen geboren und lebt in Berlin. Er studierte Flöte bei Carin Levine und Hans-Jörg Wegner an der Hochschule für Musik in Detmold und besuchte die Meisterkurse von Robert Aitken, Roberto Fabbriciani und Aurèle Nicolet. Drescher nahm mehrmals an der Internationalen Sommerschule für Neue Musik in Darmstadt teil. Er hat zahlreiche Konzerte im In- und Ausland gespielt, zum Beispiel bei der artGenda und dem Rikskonserter in Stockholm, beim Festival de Mùsica electroacustica Primavera en LaHabana auf Kuba, beim musikprotokoll des Festivals Steirischer Herbst in Graz, bei HerbstZeitTon Wien, bei den Bludenzer Tagen zeitgemäßer Musik, bei sons nous Barcelona, den Randspielen Zepernick, den Intersonanzen Potsdam, der Projektgruppe Neue Musik Bremen, dem SPOR-Festival Arhaus, der KunstArbeiders Gezelschap Gent, dem New Media Art Festival Daegu / Südkorea, dem Nam-young Festival for Contemporary Music Daegu/Südkorea, den Weltmusiktagen Stuttgard, dem tina b – Prage Festival for Contemporary Art, dem Norberg Festival Schweden, dem Querétage Mexikoo oder den Jornadas de creación musical in Mexiko.
Als Solist oder Ensemblemitglied hat er mit der Bayerischen Kammerphilharmonie, dem Thürmchen Ensemble Köln, Die Reihe Wien, dem Ensemble Chronophonie Freiburg, dem Ensemble Mosaik Berlin, dem Kammerensemble Neue Musik Berlin, Klangform Wien, dem Ensemble Modern Frankfurt, dem Elektronikstudio der TU Berlin, dem Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWR sowie der EMS Stockholm zusammengearbeitet. Seit 2004 ist er Mitglied des Trios Nexus.
Künstlerische befasst er sich hauptsächlich mit zeitgenössischer Musik, in der er Inspiration für neue eigene Werke oder Erstaufführungen neuer Kompositionen von Komponisten wie Peter Ablinger, Maryanne Amacher, Antoine Beuger, Dror Feiler, Beat Furrer, Friedrich Goldmann, Adriana Hölszky, Nicolaus A. Huber, Jamilja Jazylbekova, Sven-Ake Johansson, Bernhard Lang, Klaus Lang, Alvin Lucier, Michael Maierhof, André O. Möller , Chris Newman, Phill Niblock, Ivo Nilsson, Helmut Oehring, Christoph Ogiermann, Younghi Pagh-Paan, Marianthi Papalexandri-Alexandri, Cornelius Schwehr, Martin Schüttler, Salvatore Sciarrino und Jennifer Walshe findet.
Drescher hat zahlreiche Aufnahmen für den Deutschlandfunk, den HR, den ORF, den SWR, den WDR und Radio Bremen eingespielt und CDs bei Wandelweiser Recors und Mode Records New York produziert.
In Zusammenarbeit mit Curva minore im Rahmen der Reihe "20 Jahre Curva minore" (28. April – 27. Mai 2017)
Links zum Thema
Ort
Palermo, Sala Perriera
Cantieri culturali alla Zisa
Via Paolo Gili, 4
90138 Palermo
Italien
Cantieri culturali alla Zisa
Via Paolo Gili, 4
90138 Palermo
Italien