Der Status quo von Jugendlichen in Jordanien ist geprägt von Frustration und fehlenden Zukunftsvisionen – in mancher Hinsicht droht diese zu einer verlorenen Generation zu werden. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei 18,5 Prozent, und auch das politische Klima ist durch die angrenzenden Länder wie Syrien, dem Irak oder Israel sehr angespannt. Dies macht die Stabilität des Landes zu einer echten politischen Herausforderung. Die Jugend wächst im Spannungsfeld globaler wirtschaftlicher und politischer Divergenzen auf. Einzigartig dabei ist auch die schiere Anzahl junger Menschen in Jordanien: Mehr als ein Drittel der Bevölkerung sind Kinder- und Jugendliche unter 15 Jahren alt. Viel zu selten allerdings erfahren wir in Deutschland etwas über die gesellschaftliche Situation und Veränderungsprozesse des Landes, speziell im Bildungsbereich.
Unternehmerische Kompetenzen bereits im Schulalter
Um der zunehmenden Gleichgültigkeit jordanischer Jugendlicher bezüglich ihrer eigenen Zukunft entgegenzuwirken, haben deutsche und jordanische Vertreter der oben genannten Institutionen das Projekt „Entrepreneurship im schulischen Alltag Jordaniens“ (EISAJ) initiiert. Unternehmerische Kompetenzen bereits im Schulalter auszubilden, soll nicht nur zu einer positiveren beruflichen Perspektive führen, sondern vor allem auch die Entwicklung strategischem und kritischem Denken fördern. Durch die neu gewonnene Eigeninitiative und Selbstmotivation entwickeln die Jugendlichen wie von selbst innovative Ideen zur gesellschaftlichen Einflussnahme und Mitgestaltung.
Ein Großteil der jordanischen Jugendlichen erlangt zwar einen relevanten Ausbildungsabschluss, dennoch scheitert ein überdurchschnittlicher Anteil häufig daran eine qualifizierte Vollzeitbeschäftigung zu bekommen. Verantwortlich dafür ist neben der Ausbildungsqualität auch die fehlende Möglichkeit zur gesellschaftlichen Partizipation. Die OECD empfiehlt der jordanischen Regierung daher, sich auf eine Stärkung der Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und eine Förderung des Unternehmertums zu konzentrieren. Auf diese Weise lernen die Schülerinnen und Schüler schon früh die Bedeutung von Selbstständigkeit kennen. Dieses Skillset schützt sie später vor einer zu frühen Resignation und verhilft ihnen kreative Lösungsansätze zu finden.
Der Ansatz des EISAJ-Projektes ist dabei ein Neuartiger: Im Gegensatz zu anderen zahlreichen Projekten in Jordanien sollen hierbei nicht junge Erwachsene, die kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben stehen, gefördert werden, sondern Jugendliche die noch zur Schule gehen. Dabei geht es keineswegs darum den Schülerinnen und Schülern beizubringen, wie sie ein eigenes Unternehmen gründen. Vielmehr geht es darum, Grundlagen ökonomischen Denkens und Handelns zu vermitteln, welche essenzielle Fähigkeiten zur Herausbildung von Zielstrebigkeit und Problemlösungskompetenzen offerieren.
Gegenseitiger Besuch ermöglicht Austausch
Mittels EISAJ sollen außerdem jordanische Lehrkräfte in unternehmerischen Kompetenzen fortgebildet und die Curricula angepasst werden. Um möglichst viele Ideen für die schulische Bildung zu generieren, am Projekt zu arbeiten und sich mit Vertretern des Instituts für Ökonomische Bildung (IÖB) zu treffen, besucht eine jordanische Delegation bestehend aus acht hochrangigen Schulvertreterinnen und Schulvertretern sowie einer Mitarbeiterin des Goethe-Instituts der jordanischen Hauptstadt Amman das niedersächsische Oldenburg.
Der Besuch soll unter anderem dazu dienen, die Delegation mit dem deutschen Bildungssystem und den unterschiedlichen Schularten vertraut zu machen. So steht für die Gäste unter anderem Besuche einiger Berufsbildender Schulen, Gymnasien und innovativer Unternehmen aus Oldenburg auf dem Programm. Hierbei werden auch ökonomische Versuche und wissenschaftliche Errungenschaften vorgestellt, um das Innovationspotential aufzuzeigen, das ein durchdachtes Bildungssystem hervorbringen kann.
Die neu gewonnenen Eindrücken und den vielseitigen Erfahrungen sollen Nährböden für vielseitige Diskussionen bieten. Vor allem geht es jedoch darum, Möglichkeiten zu finden Aspekte des deutschen Schulsystems in Jordanien einfließen zu lassen. Mit den Herausforderungen, vor denen Jugendliche aus Jordanien stehen im Hinterkopf, möchten die Vertreterinnen und Vertreter Veränderungsprozesse anregen und Innovationen fördern.
Auch die langfristige Kooperation auf sowohl jordanischer als auch auf deutscher Seite soll mittels des Besuchs bestärkt werden. Denn einig sind sich letztlich alle: Das Fach Entrepreneurship in den Alltag jordanischer Schulen zu integrieren, ist immens wichtig. Auch wenn das jordanische Bildungssystem anders als das deutsche System funktioniert, vereint die Wichtigkeit des Innovationspotentials des Entrepreneurship im schulischen Alltag beide Länder miteinander.
Nach gegenseitigen Besuchen - Vertreter des IÖB waren zuvor nach Jordanien gereist -, bei denen beide Parteien sich ein Bild über die Lage verschaffen konnten, soll nun eine langanhaltende Zusammenarbeit in Angriff genommen werden. Dazu nehmen alle am Projekt beteiligten Schulen künftig an Lehrerfortbildungen teil, während verschiedene Schulstufen mit unterschiedlichen Angeboten ausgestattet werden. Einige Klassen sollen ein neues Curriculum sowie Unterrichtsmaterialien bekommen, anderen werden Förderungen für Schülerprojekte zugesprochen. Eines ist jedoch jetzt schon klar: Die Zusammenarbeit soll von Dauer sein und eine nachhaltige Perspektive geschaffen werden. Für Jordanien ist ein positiver Blick in die Zukunft unerlässlich, die Einführung des Schulfachs reicht den Kindern wertvolle Fähigkeiten an die Hand und ebnet den Weg in eine Zukunft mit Zuversicht.