Was steckt hinter dem Wunsch nach künstlich belebten menschlichen Abbildern? Ist es nur eine Folge des technischen und digitalen Fortschritts oder ein Symptom der gesellschaftlich-kulturellen Lage?
Fortschritte in den Gebieten der Hard- und der Software erlauben Maschinen eine immer glaubhaftere Nachahmung von beobachtbarem menschlichen Verhalten für verschiedenartige Anwendungen. Erste technische Systeme - gerade aus dem „Uncanny Valley“ entstiegen - sind akzeptierte Bestandteile unseres täglichen Lebens. Die Fähigkeiten solcher Systeme werden stets verbessert, was deren Akzeptanz zuträglich ist. Konkret übernehmen Haushalts-, Pflege-, Sexroboter und Digitale Begleiter Aufgaben in gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaften. Welche Auswirkungen hat die Entwicklung intelligenter Maschinen?
In einer ersten Bestandsaufnahme könnte argumentiert werden, dass dieser Trend ein Produkt moderner Gesellschaften ist. Derartige Gesellschaften sind oft nach Grundsätzen der Rationalität, Effizienz und Ökonomie ausgerichtet. Die Optimierung von Arbeitsabläufen und Problemlösungen sowie messbarer Erfolg stehen im Vordergrund. Individuelle Bedürfnisse werden oft ökonomischen Werten untergeordnet. Menschen sehnen sich aber auch in hoch-technologisierten Umgebungen nach menschlicher Nähe. Dies versuchen soziale Kommunikations-Plattformen und intelligente Maschinen zu simulieren.
Im Forschungsgebiet Affective Computing werden neben der Erkennung, der Simulation und dem Ausdruck von Gefühlen, die mit Gefühlen verbundenen sozialen und individuellen Werte erforscht. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass nicht alle Menschen ihre eigenen Gefühle und die anderer bewusst wahrnehmen. Deren Einfluss auf eigene Entscheidungen und Einschätzungen wird oft reduziert und vielleicht unterschätzt. Überraschenderweise ist die Trennung eigener Gefühle von denen anderer Menschen oft nicht einfach. Individuelle Überlegungen dazu brauchen Zeit. Zeit, die oft fehlt. In direktem Zusammenhang mit sozialen und individuellen Werten stehen zwischenmenschliche Beziehungen. Sie sind im Grunde dem Menschen das Wichtigste im Leben. Beziehungen geben Sicherheit und können helfen, den eigenen Standpunkt zu verstehen und sich weiterzuentwicklen.
Analysiert man den Einsatz intelligenter Maschinen im Hinblick auf das Thema Beziehungen und vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass materielle Objekte als Ersatz für Beziehungen die Menschheit schon lange begleiten, kommen weitere Faktoren hinzu, die bedacht werden sollten. Schon wie in der antiken Geschichte über Pygmalion beschrieben, sehnen sich Menschen nach Nähe und Beziehung und suchen diese auch in materiellen Substituten. Damals war die Ausgestaltung der Beziehung des Menschen zu einem Objekt alleine durch die Phantasie des jeweiligen Menschen bestimmt. Das Prinzip ist heutzutage nach wie vor gültig; insbesondere für eingeschränkt bewegliche Nachbildungen von Menschen. Je mehr Möglichkeiten der Interaktivität Nachbildungen bieten, umso mehr wird die phantasierte Beziehung durch die Erschaffer - also andere Menschen - beeinflusst. Es kann angenommen werden, dass in naher Zukunft der Fortschritt der Hard- und Software eine überzeugendere Bewegungsanimation intelligenter Maschinen mit höherwertigen emotionalen Interaktionsfähigkeiten erbringen wird. Was bedeutet das konkret für Gesellschaften und Individuen?
Gesellschaftlich betrachtet, kann man sich durchaus vorstellen, dass soziale intelligente Maschinen Teil unseres täglichen Lebens werden und uns als Begleiter in verschiedenen Situationen zur Seite stehen. Sie stellen eine Bereicherung dar, da sie eine Schnittstelle zur künstlichen Intelligenz bieten, die durch menschliche Kommunikationskanäle einfach zugänglich ist. Individuell betrachtet, könnten Unsicherheiten im Umgang mit Menschen dazu führen, dass Beziehungen zu intelligenten Maschinen bevorzugt werden. Die Vermischung von individueller Phantasie und plausibler Nachahmung menschlicher Fähigkeiten, die anpassbar und erweiterbar sind, sind eine notwendige Grundlage dazu.
Die Nachahmung der menschlichen Kommunikationsfähigkeit hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung erlebt. Durch die Weiterentwicklung der Sensorik und lernende Analysealgorithmen ist es nun besser denn je möglich, menschliche soziale Signale zu erkennen. Allerdings wird aktuell nur ein Bruchteil der gesamten Signalvielfältigkeit in Betracht gezogen. Im Allgemeinen darf nicht davon ausgegangen werden, dass die Erkennung sozialer Signale alleine schon ausreicht, ein Verständnis auf Seiten der Maschine zu simulieren, was in einem menschlichen Gegenüber vorgeht. Dieser Aspekt wird noch für lange Zeit ein limitierender Faktor sein. Eine andere Eigenschaft, die Maschinen von Menschen unterscheidet, ist die Fähigkeit der Replikation und das einem jedem Menschen innewohnende Autonomiebestreben. Gerade letzteres ist untrennbar mit dem Sicherheitsgefühl verbunden, dass Kinder in den ersten Jahren in der Beziehung zur ihrer primären Bezugsperson entwickeln.
Es wird Menschen immer mehr oder weniger bewusst sein, dass intelligente Maschinen keine Menschen sind und daher eigentlich keine menschliche Nähe geben können. Es mag sein, dass die Nachahmung der Nähe und Beziehungsfähigkeit dieser Maschinen für einige Menschen ausreicht und Sicherheit geben kann, zumindest für eine gewisse Zeit. Das Prinzip ist schon aus der Antike bekannt, jetzt eben durch Technologie erweitert: Galatea Version 2.0.