Johannes Ebert
Generalsekretär des Goethe-Instituts
Grußwort
Die Villa Kamogawa und ihr Residenzprogramm werden 10 Jahre alt! Für das Goethe-Institut sind Residenzprogramme von besonderer Bedeutung. Heute verfügt das Goethe-Institut über drei feste Residenzhäuser: Neben der Villa Kamogawa sind dies die Vila Sul in Salvador da Bahia und die Kulturakademie Tarabya in Istanbul, die gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt betrieben wird. Darüber hinaus arbeitet das Goethe-Institut an vielen Orten mit eigenen Residenzprogrammen. Auch am Thomas Mann House in Los Angeles und bei 1014 Inc. in New York ist das Goethe-Institut mit inhaltlicher Gestaltung beteiligt. Zusammen mit dem Auswärtigen Amt wurde zudem der Arbeitskreis deutscher internationaler Residenzprogramme (ADIR) ins Leben gerufen, um Residenzangebote für Kulturschaffende aus unterschiedlichen Sparten zu bündeln.
Eine Künstlerresidenz bietet Entfaltungsmöglichkeiten, die andere Formen der kulturellen Zusammenarbeit nicht vorsehen. Im Fall der Villa Kamogawa besteht das Stipendium in einem dreimonatigen Aufenthalt an der Villa am namensgebenden Fluss Kamogawa (»Entenfluss«) in Kyoto, der alten Hauptstadt von Japan, einem monatlichen Zuschuss zu den Lebenshaltungskosten und einer sprachlichen, interkulturellen und fachspezifischen Begleitung und Beratung durch das Team der Villa. Entscheidend sei, so sagen uns die früheren Stipendiatinnen und Stipendiaten in den Evaluationen immer wieder, das per definitionem freie, ohne Auflagen vergebene Stipendium. Es schafft einen spezifischen Freiraum, der sich anregend, wohltuend, als Atempause, als Gelegenheit für neue Impulse und Kontakte auf die Biografie der Künstlerinnen und Künstler und damit auch auf ihre künstlerische Produktion auswirkt: So hat zum Beispiel 2014 die Autorin Lucy Fricke ihren Roman Takeshis Haut im Rowohlt Verlag veröffentlicht, an dem sie während ihrer Stipendienzeit in der Villa Kamogawa zu arbeiten begann. Der Musiker Stefan Goldmann nahm sein Album Live At Honen-In Temple während seines Stipendienaufenthalts in der Villa Kamogawa auf – hier ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele des künstlerischen Schaffens und für gelungene Vernetzung der Stipendiatinnen und Stipendiaten mit lokalen Partnern nennen.
Die Villa Kamogawa feiert ihr 10-jähriges Jubiläum, aber dieses Jubiläum fällt in die Zeit der Pandemie. Das Goethe-Institut reagiert weltweit darauf, indem die Kulturveranstaltungen analog und digital oder auch nur digital realisiert werden, indem die Vorbereitungen, die Absprachen und Konzeptentwicklungen vor allem online vonstatten gehen – aber kann man »digital« in Kyoto sein? Wie soll sich dieses spezielle Gefühl einstellen können, ganz im Hier und Jetzt zu sein, in einer ganz anderen Umgebung? Wie begründen wir Aufenthalte in weit entfernten Ländern angesichts der berechtigten Kritik an Interkontinentalflügen, angesichts der Auflagen der Grenzbehörden? Warum und unter welchen Voraussetzungen »lohnt« sich eine Residenz? Die Villa Kamogawa beschreitet hier neue Wege, die Partner als Nachbarn ins Haus zu holen, die Nachbarn in Ostasien wie in Europa, aber auch die Nachbarn der Villa Kamogawa in Kyoto: Künstlerinnen und Künstler, Handwerkerinnen und Handwerker sowie Kulturveranstalterinnen und -veranstalter, die sich wie alle Kulturschaffenden weltweit auf einen Neustart vorbereiten.
Ich wünsche der Villa Kamogawa alles Gute und viel Erfolg für die nächsten zehn Jahre!