Prof. Haruhito Sano
Rektor, Kyoto Architectural College
Zum zehnjährigen Jubiläum der Villa Kamogawa
Hiermit möchte ich meine Glückwünsche zum zehnjährigen Bestehen der Villa Kamogawa aussprechen. Lassen Sie mich mit meinen Ausführungen in das Jahr 1973 zurückgehen, in dem ich mein Studium an der Universität Kyoto begonnen habe, und zu den Erinnerungen an das damalige linear gebaute Goethe-Institut (1935, Architekt Tôgo Murano), das an der Kreuzung Higashi-Ichijô stand. In deutlichem Kontrast dazu befand sich etwas nördlich davon das auch jetzt noch existierende und durch seine weißen Kurven beeindruckende Gebäude des Institut français du Japon (1936, Architekten Raymond Mestrallet und Shichirô Kigo). Das Deutsche Kulturzentrum wurde wenig später abgerissen, was sehr bedauerlich ist. Als ich mich im Doktorkurs mit Martin Heidegger beschäftigte und mich dazu entschloss, zum besseren Verständnis einen Deutschkurs zu belegen, besuchte ich das damals von uns als DDR-Plattenbau bezeichnete schlichte Gebäude des Goethe-Instituts. 1983 zog es an den jetzigen Standort am Fluss Kamogawa um. Ein älterer Seminarkollege von mir wurde mit der Ausführungsplanung betraut, und durch diese Verbindung kam es dazu, dass ich den für den Bau zuständigen Beamten der Bundesbaudirektion der BRD, Herrn Sadewasser, betreute. Gerade zu der Zeit hatte ich mich für ein Stipendium beim DAAD beworben. Als ich Herrn Sadewasser erzählte, dass der zuständige Professor der deutschen Universität mir nicht das dafür notwendige Empfehlungsschreiben ausstellen würde, schrieb er für mich lachend auf dem Briefpapier des Hotels eine Empfehlung. Ob dies ausschlaggebend war, weiß ich nicht, aber meine Bewerbung wurde angenommen. Somit konnte ich in Westdeutschland studieren, und die Begegnung mit der deutschen und westeuropäischen Kultur sollte für mich danach immer ein wertvolles Gut darstellen. Ich bin von Herzen dankbar dafür. Übrigens fungierte Professor Kunio Katô, dessen Seminar mit unserem an der Universität eng zusammenarbeitete, 1992 als Architekt für den Bau des Centre franco-japonais pour les échanges et la création (heute Villa Kujôyama), und ich erinnere mich mit einer gewissen Sehnsucht daran, wie ich damals die Bauarbeiten auf diesem komplizierten Grundstück verfolgte. Es bestand also schon früh eine Verbindung zwischen mir und diesen beiden Institutionen des kulturellen Austauschs.
2016 erhielt ich von der Villa Kamogawa die Nachricht, dass der Berliner Architekt Ludwig Heimbach Japan besuchen werde und großes Interesse an traditionellen japanischen Häusern habe. Ich wurde gebeten, ihm solche Häuser zu zeigen. Daraufhin führte ich Herrn Heimbach zum Yoshiyamachi-Haus, das dem College gehört, an dem ich unterrichte, und zu einem weiteren in der Nähe liegenden, dem Yoshiwara-Anwesen. Frau Kazue Yoshiwara, die einen regen Austausch mit Künstler*innen pflegt, sah sich mit großem Interesse auch die Arbeiten von Herrn Heimbach im Kyoto Art Center an.
2018 kamen Klara Bindl und Michael Beutler aus Aachen, die mit dem Reetdachdecker-Meister Ikuya Sagara befreundet sind, in die Villa Kamogawa. Ich organisierte die Teilnahme an einer Teezeremonie von Studenten in dem oben erwähnten traditionellen Haus und schnitt mit ihnen Schilfgras am Flussbett des Kizugawa. Bei diesen beiden heiteren und erfrischenden Menschen konnte ich ein Gemüt erspüren, das mit der japanischen Kultur (der großen japanischen Empfindsamkeit) einfühlend mitschwingt. Im gleichen Jahr hatten wir noch einen weiteren Besucher in der Person von Herrn Ansgar Staudt. Mir ist noch in guter Erinnerung, wie erfreut er war, in den schlichten Räumen eines traditionellen Stadthauses, in denen nichts herumsteht, die Erfahrung des japanischen Geistes des Danshari machen zu können.
2019 begegnete ich wieder Kay Fingerle, der Gattin von Herrn Heimbach. Ich zeigte ihr zu Guest Houses umgebaute traditionelle Häuser. Solche Renovierungsarbeiten waren damals in Mode. Sie äußerte sich dezidiert kritisch über das Gewinnstreben, auf das dies ausgerichtet war, und die damit verbundene Unnatürlichkeit, indem man traditionsreiche Häuser mit modernen Mitteln zu einem schicken Wohnraum herausputzt. In Bezug auf ihre äußerst interessante Präsentation und auch auf ihre kritischen Äußerungen zur Renovierung traditioneller Häuser hätte ich ihr gerne weitere Fragen gestellt, doch reichten meine Sprachkenntnisse dafür leider nicht aus.
Im Nachhinein besehen haben sicher die Partys des ehemaligen Institutsleiters Herrn Wernhard bei sich zuhause viel zum Entstehen solcher menschlichen Bindungen beigetragen. Leider kann aufgrund der sich ausbreitenden Infektionen durch Covid-19 derzeit kein derartiger Ort für den künstlerischen Austausch geschaffen werden. Es wäre zu begrüßen, wenn diese Tradition fortgesetzt würde, sobald die Umstände es wieder erlauben.