Geschichte der Künstlervillen
Was ist eigentlich eine Künstlerresidenz?
Rom, Los Angeles, Kyoto – warum schickten Könige, weshalb schicken Regierungen Künstler ihres Landes ins Ausland, um sie nach einigen Monaten wieder zurückzuholen? Ein Überblick über die Geschichte der Künstlervillen.
Die Villa Kamogawa steht in Jahrhunderte alter Tradition. Die Geschichte der Künstlerresidenzen nämlich reicht zurück bis ins Jahr 1666. Damals waren es die Franzosen, die erstmals Künstlerstipendien für einen Aufenthalt im Ausland vergaben. Die Verleihung des „Prix de Rome“ ermöglichte französischen Malern, Radierern, Bildhauern und später auch Architekten und Komponisten einen mehrjährigen Aufenthalt in Rom. Träger war die 1648 gegründete Académie royale de peinture et de sculpture, die 1803 in der Académie des Beaux-Arts aufging.
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Der Finanzminister Jean-Baptiste Colbert, auf dessen Initiative hin der Preis ins Leben gerufen wurde, schickte die Künstler im 17. Jahrhundert allerdings nicht uneigennützig in die Stadt jahrtausendealter Kunstschätze. Durch minutiöse Studien antiker Gebäude und Skulpturen geschult, sollten die nach Frankreich Zurückgekehrten ihre Erfahrungen darauf verwenden, Ludwig XIV. in ihren Kunstwerken zu verherrlichen, seine Macht zu illustrierten und zu rechtfertigten.
Die mit dem „Prix de Rome“ Ausgezeichneten konnten allerdings bis 1804 nicht mit einer Unterkunft in Rom rechnen. Erst der Ankauf der Villa Medici durch die Académie des Beaux-Arts entband die Künstler von der lästigen Atelier- und Wohnungssuche. Die Villa Medici, erbaut im 16. Jahrhundert auf dem Pincio-Hügel, beherbergt französische Künstler bis heute.
KÜNSTLER-METROPOLE ROM

Die Preußische Akademie der Künste mietete 1883 für ihre Stipendiaten die Villa Strohl-Fern in Rom an. Doch gab es viel zu wenig Ateliers, um die nach Rom strebenden Künstler aufzunehmen. Erst der Bau der Villa Massimo (1910–1914) schaffte die optimalen Bedingungen für die deutschen Stipendiaten in Rom.

ATELIERS AUF FÜRSTLICHEM GELÄNDE
Die Villa Massimo, benannt nach den ehemaligen Besitzern, der italienischen Fürstenfamilie Massimo, liegt in einem Park von 36.000 Quadratmetern vor den Mauern Roms. Hier ließ Eduard Arnhold, Großhändler für Steinkohle und passionierter Kunstsammler, bis 1913 von dem Architekten Maximilian Zürcher ein Haupthaus und zehn Ateliers errichten. Den gesamten Komplex sowie die stattliche Summe von 680.000 Reichsmark schenkte er dem preußischen Staat. Fortan verbrachten Bildende Künstler, Literaten, Architekten und Komponisten, die mit dem Villa-Massimo-Stipendium nach Rom kamen, in der Villa einen einjährigen Aufenthalt.Auf den Spuren Goethes, dem Italien-Reisenden, trafen die Stipendiaten in Rom auf einheimische und internationale Künstler-Kollegen. Sie kamen mit internationalen Kunstrichtungen in Kontakt und schnupperten die mediterrane Luft der italienischen Metropole – Bedingungen, die sie in den vergleichsweise kleinen Städten in Deutschland vergeblich suchten.
In jüngerer Zeit befanden sich unter den Stipendiaten der Villa Massimo etwa die Künstler Anselm Kiefer (1976), Olaf Metzel (1987) und Thomas Demand (2003) sowie die Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger (1959), Navid Kermani (2008) und Durs Grünbein (2009).
LOS ANGELES – KYOTO
Allerdings richtet sich das Interesse junger Künstler längst nicht mehr nur auf Rom. Das Netzwerk der Künstlervillen erstreckt sich mittlerweile von Rom über die USA bis nach Kyoto. Eine Reise über den Atlantik ermöglicht seit 1995 die Villa Aurora in Los Angeles. Einst gehörte die Villa dem Schriftsteller Lion Feuchtwanger und seiner Frau. In den Vierziger- und Fünfzigerjahren empfing das Ehepaar hier Künstler, die wie die Feuchtwangers im US-amerikanischen Exil lebten, darunter Thomas Mann, Bertolt Brecht, Arnold Schönberg und Fritz Lang. Seit die Villa mit Blick auf den Ozean Künstlerresidenz ist, wohnten hier als Stipendiaten etwa die Schriftsteller Durs Grünbein (1997) und Illja Trojanow (2006) und die Künstler Christian Jankowski (2004) und Michael Sailstorfer (2005).