Das japanische Nō-Theater, das als eine der ältesten lebenden Aufführungskünste gilt, ist für die Entwicklung des europäischen Theaters im 20. Jahrhundert immer wieder ein wichtiger Impulsgeber gewesen, so auch für die Bühnenexperimente am
Bauhaus. Denn in der dort 1921 gegründeten Bühnenwerkstatt wurde nach Formen und Möglichkeiten einer Re-Ritualisierung der Bühnenkunst und der theatralischen Gestaltung einer neuen gemeinschaftsstiftenden Sinnes- und Sinn-Kultur gesucht.
Während die Bauhäusler und andere Vertreter der deutschen Tanz- und Theateravantgarde versuchten, ein neues, re-theatralisiertes Theater zu entwickeln und dazu Elemente des traditionellen Nō-Theaters – das sie allerdings zumeist nur aus Reiseberichten und Büchern kannten - als Anregung nutzten, interessierten sich gleichzeitig viele japanische Theatermacher, die sich um eine Erneuerung bemühten, für die Bühnenkunst in Deutschland. Nach 1945, insbesondere in den 1950er Jahren kam es dabei in der japanischen Nachkriegsavantgarde auch zu Projekten, in denen moderne europäische Theaterformen, die einst durch das japanische Traditionen inspiriert worden sind, aufgegriffen wurden und damit die Anregungen gewissermaßen noch einmal zurückgespiegelt worden sind.
Inwieweit die historischen Wechselbeziehungen zwischen Bauhausbühne und Nō-Theater auch heute noch, oder in neuer Form für bühnenkünstlerische Experimente und Entwicklungen anregend sein können – wie zum Beispiel in den Theaterprojekten von Okada Toshiki - ist Gegenstand eines
Podiumsgesprächs über die Bauhausbühne, das Nō-Theater und die abstrakte Bühne. Teilnehmende des Gesprächs sind: Torsten Blume (Hochschule Anhalt / Stiftung Bauhaus Dessau), Barbara Geilhorn (Universität Tokyo) und Misato Shimazu (Senshu Universität). Das Gespräch wird von Makoto Shindo (Paul Klee Society Japan / Bauhaus Nippon Society) moderiert.
Als Input und Anregung für dieses Gespräch gibt es zuvor eine von Torsten Blume und Isumi Yamada mit Studierenden der Kuwasawa Design School entwickelte
Lecture Performance „Stahlstuhlgeister“, in der versuchsweise Elemente der Bauhausbühnenästhetik mit solchen aus dem Nō-Theater verbunden werden.
Eine kleine Präsentation mit Reproduktionen historischer Bauhaus-Masken und Infomaterialien zu historischen Wechselwirkungen zwischen Nō-Theater und Bauhausbühne sowie der
Poster-Serie “Masqerader” der Künstlergruppe GOO CHOKI PAR (Rei Ishii, Kent Iitaka and Q Asaba) kann während der Veranstaltung im Foyer des Goethe-Instituts besichtigt werden.
<<Programm>>
14:00 - 14:45 Lecture Performance
unter der Leitung von Isumi Yamada (Nō-Meister, Kyoto) und Torsten Blume (Hochschule Anhalt, Stiftung Bauhaus Dessau)
Teilnehmende: Studierenden der Kuwasawa Design School Tokyo
14:45 - 15:15 Pause
15:15 - 17:00 Podiumsgespräch
„Die historische Bauhausbühne, das Nō-Theater und die abstrakte Bühnenkunst heute“
Podiumsteilnehmende: Barbara Geilhorn (Universität Tokyo), Misato Shimazu (Senshu Universität)
Moderation: Makoto Shindo (Paul Klee Society Japan / Bauhaus Nippon Society)
*Die Ausstellung ist von 13:30 bis 17:30 Uhr im Foyer zu besichtigen.
<<Teilnehmende>>
Torsten Blume ist Forscher, Künstler und Kurator sowie wissenschaftlicher und künstlerischer Mitarbeiter an der Stiftung Bauhaus in Dessau. Seine künstlerischen Medien sind Performance, Bühnenbild, Kostüm und Zeichnung Das Zentrum seiner wissenschaftlichen und kuratorischen Arbeit bildet die Reflexion und Aktualisierung von Bühnenexperimenten der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts. Dazu entwickelt er Publikationen und Ausstellungen sowie experimentelle und pädagogische Projekte, insbesondere zur Methodik eines darstellenden Gestaltens und der damit verbundenen Pädagogik der historischen Bauhaus-Bühnenwerkstatt. Seit 2013 unterrichtet er „Performative Architektonik“ an der Hochschule Anhalt in Dessau und gibt regelmäßig Workshops an der Kuwasawa Design School in Tokyo.
Barbara Geilhorn ist Professorin für Cultural Resource Studies an der Universität Tokyo. Zuvor war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Japanstudien Tokyo und JSPS Postdoctoral Researcher an der Waseda Universität tätig. Barbara Geilhorn lehrte unter anderem an der Universität Manchester, der Universität Düsseldorf und der Freien Universität Berlin. Ihr Forschungsinteresse gilt Verhandlungen von Geschlecht und Macht in der klassischen japanischen Kultur, kulturellen Repräsentationen der Dreifachkatastrophe von Fukushima, der Umsetzung gesellschaftspolitischer Themen im japanischen Gegenwartstheater sowie Theater- und Kulturfestivals im ländlichen Raum Japans.
Misato Shimazu ist außerordentliche Professorin an der Senshu-Universität, Fakultät für Literatur, Fachbereich Philosophie. Ihre Forschung konzentriert sich auf die japanische und europäische Avantgarde-Kunst des 20. Jahrhunderts sowie die damit verbundenen Philosophien. In ihrer vorherigen Position am Universität Kunstmuseum der Tokyo University of the Arts war sie verantwortlich für die Ausstellungsprojekte „Bauhaus Experience, Dessau“, „Chagall: Begegnungen mit der russischen Avantgarde“ und „Kazo Saito: Ein Experiment in integrierter Kunst in der Taisho- und Showa-Ära“ und weitere. In letzter Zeit interessiert sie sich für den wechselseitigen Einfluss von Kunst, Architektur, Tanz und Denken.
Makoto Shindo wurde 1950 in Tokio geboren. Nach dem Studium der Schauspielkunst am Shiki Theatre Company von 1968 bis 1969 wurde er 1973 freiberuflicher Produzent von Kunstausstellungen und realisierte die erste Ausstellung in Japan von M.C. Escher, Egon Schiele, Gustav Klimt und anderen. Seit 1980 pflegt er enge Beziehungen zur Familie von Paul Klee und fungiert als deren Vertreter in asiatischen Ländern. Die Paul Klee Gesellschaft Japan wurde 1997 gegründet. Makoto Shindo ist Autor verschiedener Bücher über Klee und andere.
Veranstalter: Kuwasawa Design School Tokyo, Hochschule Anhalt - Dessau, Goethe-Institut Tokyo
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