Intro
FRANZ KAFKA
wurde 1883 in Prag geboren und starb 1924 in Kierling, Österreich. Er arbeitete für Versicherungsgesellschaften, schrieb in deutscher Sprache und hätte den Großteil seines Werkes lieber vernichtet gesehen. Heute gehören seine Texte zu den Klassikern der Weltliteratur
NICOLAS MAHLER
geboren 1969 in Wien, führt eine Doppelexistenz als Witzzeichner und Literaturbearbeiter. Seine Cartoons erscheinen in zahlreichen Zeitungen und Magazinen, seine gezeichneten Adaptionen klassischer Literatur (u.a. nach Thomas Bernhard, Robert Musil, Marcel Proust, James Joyce und Elfriede Jelinek) großteils im Verlag Suhrkamp, Berlin.
© Nicolas Mahler
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Mit einem solchen Körper lässt sich nichts erreichen. Ich werde mich an sein fortwährendes Scheitern gewöhnen müssen. --- ANGST Von klein auf leidet Franz Kafka unter zahllosen Ängsten, so fürchtet er sich unter anderem schrecklich vor Spiegeln. In sein Tagebuch schreibt er, warum: Weil sie mich in einer meiner Meinung nach unvermeidlichen Hässlichkeit zeigten, die überdies nicht ganz wahrheitsgemäß abgespiegelt sein konnte, denn hätte ich wirklich so ausgesehn, hätte ich auch größeres Aufsehen erregen müssen. (Tagebuch, 22. November 1911)
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Es gibt Möglichkeiten für mich, gewiss, aber unter welchem Stein liegen sie? --- ERDENSCHWERE Sinnlosigkeit der Jugend. Furcht vor der Jugend, Furcht vor der Sinnlosigkeit, vor dem sinnlosen Heraufkommen des unmenschlichen Lebens, so wächst Kafka heran. Er leidet an der Erdenschwere. Doch ab und zu blitzt Hoffnung auf.
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KLEIDUNGSFRAGE Ich merkte natürlich, was sehr leicht war, dass ich besonders schlecht angezogen ging, und hatte auch ein Auge dafür, wenn andere gut angezogen waren, nur brachte es mein Denken durch Jahre hin nicht fertig, die Ursache meines jämmerlichen Aussehens in meinen Kleidern zu finden. (Tagebuch, 31. Dezember 1911)
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ALLES GIBT MIR ZU DENKEN Unbeschwert ist Kafka nie. Egal wo er sich befindet, überall gibt es Grund zu grübeln. Ich stehe auf der Plattform des elektrischen Wagens und bin vollständig unsicher in Rücksicht meiner Stellung in dieser Welt, in dieser Stadt, in meiner Familie. (Der Fahrgast, 1913)
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IM BODENSATZ DES JAMMERS Ab Mitte zwanzig arbeitet Kafka – er ist jetzt promovierter Jurist – für Versicherungsgesellschaften. Hier widmet er sich unter anderem der Unfallverhütungsmaßregel bei Holzhobelmaschinen. Ich kenne beiläufig nur das, was obenauf liegt, unten ahne ich bloß Fürchterliches. (Brief an Felice Bauer, 3. Dezember 1912)
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IM HAUPTQUARTIER DES LÄRMS Nach der Büroarbeit wechselt er den Schreibtisch, zu Hause in seinem Zimmer stürzt er sich in eigene Texte. Doch Ruhe findet er, eingekesselt zwischen dem elterlichen Schlafzimmer und dem Salon, keine. Ich will schreiben, mit einem ständigen Zittern auf der Stirn. Ich sitze in meinem Zimmer im Hauptquartier des Lärms der ganzen Wohnung. (Tagebuch, 5. November 1911)
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Raus,raus, raus Es ist da irgendwo ein Wurm, der selbst das Volle der Geschichte hohl macht. --- DA IST IRGENDWO EIN WURM Alles, was sich nicht auf Literatur bezieht, hasse ich, es langweilt mich, Gespräche zu führen (selbst wenn sie sich auf Literatur beziehen), es langweilt mich, Besuche zu machen, Leiden und Freuden meiner Verwandten langweilen mich in die Seele hinein. (Tagebuch, 21. Juli 1913) Mit seinen Werken ist Kafka aber auch nicht zufrieden. Vieles bleibt zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht.
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Ich verurteile dich jetzt zum Tode des Ertrinkens DAS URTEIL Karl, oh du mein Karl! DER HEIZER Ehre deinen Vorgesetzten IN DER STRAFKOLONIE Versuche jemandem die Hungerkunst zu erklären. Wer es nicht fühlt, dem kann man es nicht begreiflich machen. EIN HUNGERKÜNSTLER --- VON ALLEM, WAS ICH GESCHRIEBEN HABE Von allem, was ich geschrieben habe, gelten nur die Bücher: Urteil, Heizer, Verwandlung, Strafkolonie, Landarzt und die Erzählung: Hungerkünstler. (Testamentarische Verfügung, 29. November 1922) Alles andere wird gegen seinen Willen und auf Initiative seines Freundes, des Schriftstellers Max Brod, posthum veröffentlicht.
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Das nicht, bitte das nicht! --- DIE VERWANDLUNG Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. Kafka, der selbst gern zeichnet, hat arge Befürchtungen, was die Umschlaggestaltung der Buchausgabe seiner Erzählung Die Verwandlung betrifft. Zu Recht argwöhnt er, dass der beauftragte Illustrator vorhaben könnte, den Käfer zeichnen zu wollen. Das Insekt selbst kann nicht gezeichnet werden. Es kann aber nicht einmal von der Ferne aus gezeigt werden, schreibt Kafka an seinen Verleger Kurt Wolff.
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Wie kann ich denn verhaftet sein? Solche Fragen beantworten wir Nicht. --- DER PROZESS Kafkas Romane bleiben allesamt Fragment, auch sein vielleicht bekanntestes Buch Der Prozess. Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet. Der Prozess Auch was ihm vorgeworfen wird, wird K. nie erfahren. Die Romane Das Schloss und Der Verschollene (Amerika) bleiben ebenfalls unvollendet.
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Ich kann auch lachen, Felice, zweifle nicht daran Ich bin sogar als großer Lacher bekannt. --- DER GROSSE LACHER Werke wie Der Prozess oder Die Verwandlung gelten, wie vieles von Kafka, als schwierig und düster. Er selbst fand seine Texte aber so humorvoll, dass er, als er Max Brod das erste Kapitel von Der Prozess vortragen wollte, so sehr lachte, „dass er weilchenweise nicht weiterlesen konnte“, wie Brod schildert.
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KEINE ZUSAMMENKUNFT Es wäre schön zusammenzukommen, wir sollen es aber doch nicht machen … schließlich bist Du doch ein Mädchen und willst einen Mann und nicht einen weichen Wurm auf der Erde. (Brief an Felice Bauer, 5. Dezember 1915) Fünf Jahre dauert die Verlobung mit Felice, bis sie letztendlich durch Kafkas Tuberkulose endgültig gelöst wird.
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Mit wenig verschluckt man sich vielleicht leichter --- GANZ KLEIN Mit 40 Jahren stirbt Franz Kafka an Tuberkulose. Das dauert so lange, ehe man ganz klein zusammengedrückt und durch dieses letzte enge Loch durchgestopft wird. Am Ende kann er keine Nahrung mehr zu sich nehmen und nicht mehr sprechen. Er kommuniziert nur noch mittels handgeschriebener Gesprächsblätter, die er seinem Gegenüber reicht. Auf einen dieser letzten Zettel schreibt er den Titel seiner allerletzten Erzählung: Die Geschichte bekommt einen neuen Titel: Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse.
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Dieses frühzeitige Aufstehen macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muss seinen Schlaf haben. Eben steige ich aus dem Bett! Nur einen Augenblick Geduld. Komm mal herüber alter Mistkäfer! --- KAFKA ZEICHNEN? Ob Kafka mit dieser Darstellung des in einen Käfer verwandelten Gregor einverstanden gewesen wäre?
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Grand Kinematograf Orient heute Die Weisse Sklavin --- MASSLOSE UNTERHALTUNG Trotz allem hat Kafka ein ausgeprägtes Vergnügungsbedürfnis, er geht gern ins Kino. Seine Filmerlebnisse hält Kafka minutiös in seinem Tagebuch fest: Im Kino gewesen. Geweint. „Lolotte“. Der gute Pfarrer. Das kleine Fahrrad. Die Versöhnung der Eltern. Maßlose Unterhaltung. Vorher trauriger Film „Das Unglück im Dock“, nachher lustiger „Endlich allein“. Sein Fazit: Das Genießen menschlicher Beziehungen ist mir gegeben, ihr Erleben nicht
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Vergessen Sie rasch das Gespenst, das ich bin, und leben Sie fröhlich und ruhig wie früher. BRIEF AN FELICE, 9. NOVEMBER 1912 Alles, was ich schreibe, sieht so hart aus, ich kann es nicht so weggehn lassen, denn ich meine es nicht hart, aber ich bin so bis auf den Grund zerkratzt und wankend, dass ich nicht genau verantwortlich gemacht werden darf. BRIEF AN FELICE, VERMUTLICH MÄRZ 1916 Alles Unglück meines Lebens kommt von Briefen oder der Möglichkeit des Briefeschreibens her. BRIEF AN MILENA, MÄRZ 1922
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Ohne Vorfahren, ohne Ehe, ohne Nachkommen, mit wilder Vorfahrens-, Ehe- und Nachkommenslust. Alle reichen mir die Hand: Vorfahren, Ehe und Nachkommen, aber zu fern für mich. TAGEBÜCHER, 21. JANUAR 1922 Ich verkrieche mich vor Menschen nicht deshalb, weil ich ruhig leben, sondern weil ich ruhig zugrunde gehen will. TAGEBÜCHER, 28. JULI 1914 Noch nicht geboren und schon gezwungen zu sein, auf den Gassen herumzugehn und mit Menschen zu sprechen. TAGEBÜCHER, 15. MÄRZ 1922
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TAGEBUCH 1912 25. Mai. Schwaches Tempo, wenig Blut. 1. Juni. Nichts geschrieben. 2. Juni. Fast nichts geschrieben. 7. Juni. Arg. Heute nichts geschrieben. Morgen keine Zeit. 9. Juli. So lange nichts geschrieben. Morgen anfangen. 10. August. Nichts geschrieben. 15. August. Nutzloser Tag. Verschlafen, verlegen. 16. August. Nichts, weder im Bureau noch zu Hause. Abends das Wimmern meiner armen Mutter wegen meines Nichtessens.
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