KyuJin und Saeyeon Kim:
Eine Familie mit zwei Müttern

Das lesbische Ehepaar brachte mithilfe einer Spermaspende aus Belgien eine Tochter zur Welt. In Korea, wo das Wort für Eltern aus den Schriftzeichen für „Vater“ und „Mutter“ besteht, war es nicht einfach, eine Familie mit zwei Müttern zu gründen. Beide Frauen arbeiten und zahlen Steuern wie alle anderen – doch wo ist ihr Platz in der koreanischen Gesellschaft?

Kyujin Kim © privat

Der Titel des ersten lesbischen Paares in Korea, das ein Kind bekommen hat, hat Ihnen beiden eine gewisse Berühmtheit eingebracht. Ihre Geschichte wurde schon in vielen Medien berichtet, aber manche kennen sie vielleicht noch nicht. Könnten Sie noch einmal erzählen, wie Sie sich kennengelernt und Ihre Tochter bekommen haben.

Wir sind sicher nicht das erste lesbische Paar in Korea mit Kind. Wir sind nur die Ersten, über die mit ihren wirklichen Namen und unter Veröffentlichung ihrer Gesichter in den Medien berichtet wurde. Deswegen denken das wohl viele.

Wie für so viele Angehörige sexueller Minderheiten war es auch für uns schwer, uns auf natürlichem Wege kennenzulernen. Nicht alle outen sich im Alltag, sodass man nicht wissen kann, ob jemand lesbisch ist oder nicht. Wir haben daher auf einer Plattform zum Online-Dating gepostet, wer wir sind und was für eine Frau wir kennenlernen wollen, und uns so zum ersten Mal getroffen.
 
Als gleichgeschlechtliches Paar zu heiraten und ein Kind zu bekommen, haben wir nur geschafft, weil wir in unserem Umfeld Vorbilder hatten. Als wir zum Beispiel sahen, wie ein amerikanisch-koreanisches lesbisches Paar ihre Hochzeit vorbereitete, dachten wir: „Ah! Auch in Korea ist eine gleichgeschlechtliche Ehe möglich! Sie wird zwar rechtlich nicht anerkannt, aber lass uns trotzdem nach einer Möglichkeit suchen, zu heiraten.“

Und was das Kinderkriegen angeht, so wollte ich ursprünglich gar keine Kinder, unabhängig von dem Problem, dass wir ein gleichgeschlechtliches Paar sind. Ich traute mir nicht zu, eine gute Mutter zu werden. Doch als ich 2021 von meinem Arbeitgeber nach Frankreich entsandt wurde, fragte mich einmal eine Vorgesetzte, die wusste, dass ich lesbisch bin, ganz selbstverständlich: „Du willst doch Kinder, oder?“ Da dachte ich: „Sie weiß, dass ich lesbisch bin, und fragt mich dennoch, ob ich Kinder haben will … Dann kommt das in Europa wohl öfter vor?“ In Frankreich sind gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern tatsächlich nicht so selten. Ich glaube, das zu sehen, hat mir die Entscheidung etwas leichter gemacht.
 
Dass das Eheleben mit Saeyeon so glücklich war, und dass sie ein wesentlich optimistischerer Mensch ist als ich, hat meine Entscheidung dann allmählich reifen lassen. Saeyeon meinte, sie könne sich zwar vorstellen, ein Kind großzuziehen, aber nicht, eines zu gebären. Als ich dann meinte, dass ich das Kind austragen würde, gab es für sie keinen Grund mehr, nein zu sagen. So kam es, dass wir unsere Tochter zur Welt brachten.

Die Erfahrungen in Frankreich fungierten also wie ein Trigger?

Genau, richtig. Es ist doch ein großer Unterschied, ob man etwas mit eigenen Augen sieht oder nicht. Nachdem auch in Korea über die Hochzeit eines lesbischen Paares berichtet wurde, ist die Zahl von lesbischen Paaren, die heiraten, stark gestiegen. Ich denke, dass jetzt vielleicht die Zahl von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern ebenso zunehmen könnte.

Ich habe in einem Artikel gelesen, dass Sie 2020 im Bezirksamt des Seouler Bezirks Jongno-gu Ihre Ehe anzeigen wollten, wie das in Korea nach der Hochzeitsfeier notwendig ist. Die Anzeige wurde aber abgelehnt. Sie hatten sicher schon vor dem Gang zum Amt erwartet, dass Sie nicht erfolgreich sein würden. Warum sind Sie trotzdem hingegangen?

Das Wort „Eheanzeige“ hatte ich seit unserer Hochzeit immer im Hinterkopf. Denn die meisten heterosexuellen Paare in meinem Umfeld hatten nach der Hochzeit ihre Ehe angezeigt, außer es gab einen besonderen Grund, der dagegen sprach. Deswegen dachte ich, dass auch wir das tun sollten.
 
Wir hatten gehört, dass der Regisseur Kim-Jho Gwangsoo und sein Mann 2013 erfolglos versucht hatten, als gleichgeschlechtliches Paar ihre Ehe anzuzeigen. Als wir dazu recherchierten, hieß es, dass sie das Anmeldeformular per Post eingereicht hatten. Es war also bis dato kein Fall verzeichnet, in dem ein gleichgeschlechtliches Paar persönlich im Bezirksamt eine Ehe anzeigen wollte. Vielleicht gab es Paare, die es versucht haben, doch dann wurden sie schon bei der Einreichung abgewiesen, sodass es keine Aufzeichnungen darüber gab.
 
Wir empfanden es als etwas unlogisch, dass wir geheiratet hatten, aber unsere Ehe nicht anzeigen konnten. Zugleich empfanden wir einen solchen Versuch auch als Gelegenheit, um Veränderung zu bewirken. Also gingen wir zu unserem ersten Hochzeitstag zum Bezirksamt von Jongno-gu. Natürlich hatte auch ich große Angst davor, persönlich abgewiesen zu werden, aber ich hielt es für wichtig, einen Präzedenzfall zu schaffen.

Als ich zum Schalter ging und die Unterlagen einreichte, hieß es: „Das können wir nicht annehmen.“ Eigentlich müssten sie die Unterlagen doch entgegennehmen, prüfen und dann erst sagen, dass es nicht geht, oder? Also rief ich bei der Verwaltung des Obersten Gerichtshofes in Korea an, und nach vier Stunden Warten erhielt ich die Antwort, dass die Anzeige auf jeden Fall zunächst einmal angenommen werden müsse. So konnten wir unsere Anzeige dann einreichen. Letztlich wurde sie zwar abgelehnt, aber aus diesem Anlass ist es für gleichgeschlechtliche Paare nun möglich geworden, eine Eheanzeige zumindest einzureichen. Damit hatten wir unser Ziel erreicht.

Das Wichtigste daran ist: Wenn die Anzeige eingereicht wird, taucht sie in der Statistik zu Eheanzeigen auf. Soweit ich weiß, haben nach uns noch ungefähr 13 Paare eine Eheanzeige eingereicht. Das mag wie eine kleine Zahl wirken, aber das sind 13 Paare, die alle Ängste und Vorurteile überwanden und es versuchten. Allein das hat aus meiner Sicht schon eine große Bedeutung. Tatsächlich hat sich eine Abgeordnete in der Nationalversammlung einmal auf diese Statistik bezogen, was mich sehr stolz macht. Ich bin fest entschlossen, auch weiter solche Aktionen zu machen.

Kyujin Kim I © privat

Was für einen Unterschied macht es, ob man die Ehe anzeigt oder nicht? Ging es bei Ihrer Eheanzeige eher um den gesellschaftlichen Wandel als darum, Ihre persönliche Angelegenheit amtlich festzuhalten?

Es war schon auch ein persönliches Anliegen. Wir hatten ja nun mal geheiratet, da wollten wir unsere Ehe auch anzeigen. Unter lesbischen und schwulen Paaren ist es inzwischen auch eine Art Mode, den Ablehnungsbescheid einzurahmen und sich an die Wand zu hängen. Er ist zwar ein Nachweis dafür, abgelehnt worden zu sein, aber auch dafür, Mut und Entschlossenheit gezeigt zu haben.

Aufgrund der niedrigen Geburtenrate bekommt man in Korea schon für nur ein Kind viel Unterstützung vom Staat. Welche staatliche Unterstützung bekommen Sie und Ihre Frau? Erzählen Sie uns mehr von der Geburt Ihrer Tochter.

Viele denken, dass wir keinerlei staatliche Unterstützung bezüglich der Geburt unseres Kindes bekommen. Aber da ja ich nun mal ein Kind zur Welt gebracht habe, bin ich zwar als „Alleinerziehende“ registriert, kann aber alle vorhandenen Leistungen in Anspruch nehmen. Dabei habe ich jedoch gemerkt, dass es speziell für Alleinerziehende wirklich wenig Unterstützung gibt. Nur, wenn man nahezu kein Einkommen hat, kann man als Alleinerziehende Unterstützung bekommen. Wer arbeitet, ist davon ausgenommen. Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass ich mehr über die Erfahrungen anderer gesellschaftlicher Minderheiten nachdenke, nicht nur die gleichgeschlechtlicher Paare.

Gesellschaftlich waren die Reaktionen auf die Geburt unseres Kindes dagegen positiver als erwartet. Wir hatten das Gefühl, dass wir die Menschen in unserem Umfeld unterschätzt hatten. Meine Frau arbeitet als Ärztin, und Ärzte sind tendenziell recht konservativ. Doch ältere Professor*innen, mit denen sie arbeitet, gratulierten ihr. Das hat uns etwas überrascht.

Diese Erfahrungen lassen mich denken: „Die Gesellschaft ist bereit für gleichgeschlechtliche Paare, nur der Staat ist hinterher.“ Strukturell werden uns immer noch viele Steine in den Weg gelegt. Unsere Kolleg*innen haben beispielsweise von Herzen zur Geburt des Kindes eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares gratuliert. Da meine Frau jedoch rechtlich gesehen nicht meine Ehepartnerin ist, konnte sie den Sonderurlaub, den es für Ehepartner bei Geburt eines Kindes gibt, nicht nehmen.

Kyujin Kim II © privat

Wie haben die Eltern von Ihnen beiden reagiert?

Saeyeons Eltern haben den Kontakt abgebrochen, als wir geheiratet haben. Bei mir haben mein Vater und meine Mutter sehr unterschiedlich reagiert. Meine Mutter hat seit meinem Coming-out immer wieder etwas lauwarm dagegen argumentiert. Als ich sagte, dass wir ein Kind wollen, fragte sie: „Wie bitte? Hat dein Vater dir das erlaubt?“ Ich dachte nur: „Warum benötige ich da die Erlaubnis meines Vaters dafür?“ Mein Vater dagegen meinte, solange ich glücklich bin, ist ihm alles recht. Heute finden beide unsere Tochter süß und haben sie sehr gern. Sie ähnelt ihrer Großmutter sehr, also meiner Mutter, da konnte sie wohl nicht anders, als sie ins Herz zu schließen. (lacht)

Gab es unter denen, die Sie bei der Geburt Ihrer Tochter unterstützt oder Ihnen gratuliert haben, auch besonders alte Menschen oder solche, bei denen Sie es nicht erwartet hätten?

Wie gesagt, die Professor*innen auf der Arbeit meiner Frau, die ja alle Ärzt*innen sind, haben uns sehr überrascht. Auch viele Mütter und Großmütter unserer Freund*innen haben uns sehr unterstützt. Wenn es Ihre Tochter gewesen wäre, hätten sie sich vermutlich ziemlich aufgeregt, aber da sie nicht direkt betroffen waren, haben uns viele gratuliert.

Warum nur die Großmütter? Hat kein Großvater Ihrer Freund*innen gratuliert?

Gute Frage. Es gibt um uns herum kaum jemanden, der eine enge Beziehung zu seinem Großvater hat. Das ist einfach eine Generation aus einer anderen Zeit …

Ihre Tochter hatte keine Wahl, ob sie mithilfe einer Spermaspende in eine Familie mit zwei Müttern hineingeboren werden möchte. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, dass Ihre Tochter später anderer Meinung als Sie beide sein könnte? Was für eine Familie wünschen Sie sich?

Zunächst einmal haben wir natürlich darüber nachgedacht. Wir konnten ja nicht, wie man so sagt, auf natürlichem Wege schwanger werden. Wir mussten uns viele Gedanken machen und schwierige Entscheidungen treffen, bis wir schließlich schwanger wurden. Teil des offiziellen Verfahrens der belgischen Fruchtbarkeitsklinik, von der wir die Spermaspende erhalten haben, waren zwei psychologische Gespräche. Diese beinhalteten auch eine Vorbereitung der Mütter auf Fragen, die ihnen von der Gesellschaft gestellt werden könnten. Wir haben zum Beispiel darüber gesprochen, was wir antworten werden, wenn unser Kind später einmal fragt: „Mama, warum habe ich keinen Papa?“ Da habe ich intensiv darüber nachgedacht.

Meine offizielle Antwort war: „Auf der Welt gibt es viele Kinder, die keinen Vater haben, und in Korea gibt es 1,5 Millionen Haushalte mit Alleinerziehenden. Es gibt Kinder mit ganz unterschiedlichen Familien: Kinder, die keinen Vater oder keine Mutter haben, die mit ihrer Großmutter leben, deren Eltern geschieden sind, deren Eltern Behinderungen haben oder deren Familie nur wenig Einkommen hat. Das Wichtigste ist, dass deine beiden Mütter dich haben wollten, weil sie sich lieben. Und ich hoffe, du fühlst dich zu Hause sicher.“

Die Antwort meiner Frau war etwas anders: „Kein Kind kann sich seine Eltern aussuchen. Das ist gar nichts Besonderes.“ Das war die Antwort meiner Frau.
 
Wie gesagt, letztlich wünsche ich mir eine Familie, in der unsere Tochter nach Hause kommt und spürt: „Hier bin ich sicher, hier werde ich geliebt.“ Auch meine Frau hat oft davon gesprochen, dass sie sich eine glückliche und fröhliche Familie wünscht.

Kyujin Kim IV © privat

Wird Ihre Tochter Sie „Mama“ und „Mama“ nennen? Sie nennen Ihre Frau „meine Frau“ oder „eonni“ (wörtlich „ältere Schwester“, übliche vertraute Anrede im Koreanischen von Mädchen/Frauen für ältere Mädchen/Frauen). Wie spricht Ihre Frau Sie an?

Da haben wir uns viel Gedanken darüber gemacht. Unser letzter Stand war: „Eine ist eomma (‚Mama‘ auf Koreanisch), eine mommy“. Und die, die mommy ist, spricht nur Englisch mit dem Kind, sodass es bilingual erzogen wird. Lustig, oder? (lacht) Gerade habe ich noch von einer glücklichen Familie gesprochen, und plötzlich rede ich von Bildung … Da passen mein Ideal und die Realität wohl nicht wirklich zusammen. Aber das war nicht ganz ernst gemeint. Momentan sagen wir der Einfachheit halber „Saeyeon eomma“ und „KyuJin eomma“.

Und wir sind beide die Frau in der Ehe. Viele ältere Menschen denken, dass ich der Mann bin, aber meine Frau und ich sind beide Ehefrauen.

Erwarten Sie, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Südkorea legalisiert wird? Und gibt es besondere Aktivitäten, die Sie dafür entfalten?

Ich denke, dass das auf jeden Fall geschehen wird. Unter jungen Menschen nimmt die Zahl derer, die die gleichgeschlechtliche Ehe befürworten, bereits zu. Deswegen gehe ich davon aus, dass sie eines Tages legalisiert wird. Und ich wünsche mir natürlich, dass das eher früher als später passiert. Je länger der Legalisierungsprozess dauert, desto größer die Gefahr, dass queere Paare vorher sterben, und auch aus vielen anderen Gründen denke ich, dass es gut wäre, wenn es so schnell wie möglich geschieht.

Das ist auch der Grund, warum ich unter meinem echten Namen und unter Veröffentlichung meines Gesichts Texte schreibe und auf den sozialen Medien aktiv bin, obwohl ich eine ganz normale Angestellte bin. Weil ich hoffe, dass wir dadurch vielleicht früher heiraten können, und sei es nur eine Woche.

Ich habe in einem Artikel von Ihrem Buch „Eonni, willst du mich heiraten? (언니, 나랑 결혼할래요?)“ gelesen. Bevor Sie das Buch geschrieben haben, dürften Sie die Hasskommentare, Kritik und Feindseligkeit schon erwartet haben. Was ist der wahre Grund dafür, dass Sie es dennoch geschrieben haben?

Auch ohne das Buch bekomme ich dafür, dass ich auf den sozialen Medien über dieses Thema spreche, schon viel Diskriminierung, Hass und anderes zu hören. (lacht)

Ich arbeite im Konsumgütermarketing und denke daher, dass es wichtig ist, Worten oder Gedanken eine Form zu geben. Dass ich physische Produkte digitalen Contents vorziehe, liegt daran, dass es einen großen Einfluss hat, wenn etwas materiell ist und man es anfassen kann. Deswegen hat das Medium „Buch“, das man in die Hand nehmen kann, bislang auch immer noch eine gewisse besondere Autorität.

Der Titel „Eonni, willst du mich heiraten?“ fängt auch den Blick von Leuten ein, die sonst einfach darüber hinweggehen würden. Das war es, worum es mir ging. Durch das Medium „Buch“ hoffte ich, noch mehr Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen, um so die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe ein wenig früher erreichen zu können. Ist das Buch auch für Kinder oder Jugendliche geeignet?

Viele Grundschullehrer*innen lesen das Buch mit ihren Schüler*innen. Das ist eines der Dinge, die mich sehr überrascht hat. Der Buchumschlag ist sehr bunt und fröhlich, und wirkt – auch wenn das keine Absicht war – sehr anständig, wie von einem Selbsthilfebuch. Das Buch beinhaltet nichts, das für Kinder oder Jugendliche anstößig sein könnte, sondern ist, wie die Jugend heute sagt, richtig „lame“. Also lesen viele Grundschüler*innen und Jugendliche es, was mich sehr freut.

Viele denken, dass Kinder und Jugendliche noch zu jung sind, um sich mit diesem Thema zu beschäftigen, und davor geschützt werden müssen. Wie denken Sie darüber?

Sollten Kinder das nicht gerade deswegen lernen, weil sie geschützt werden müssen? Ich habe früher einmal bei einer politischen Diskussionsveranstaltung einen Politiker gesehen, der meinte, das Queer-Festival sei für Jugendliche schädlich und solle deshalb nicht auf dem Seoul Plaza stattfinden, sondern irgendwo in einer versteckten Ecke der Stadt. Ich erinnere mich, dass mich das sehr überrascht hat, weil diese Äußerung die Existenz queerer Jugendliche überhaupt nicht berücksichtigte.

Die meisten queeren Menschen erkennen ihre Identität in der Jugendzeit. Da man in der Jugend sehr sensibel ist und viel im Austausch mit Gleichaltrigen steht, ist es gerade in dieser Zeit sehr wichtig, dass sie leicht mit jemandem über ihr „Anderssein“ sprechen können. Ich erkannte in der 8. Klasse, dass ich lesbisch bin. Damals hatte ich das Gefühl, ich treibe allein auf dem weiten Meer. Deswegen denke ich, dass man Jugendliche gerade dadurch schützen kann, dass man einen Ort schafft, an dem sie darüber offen und ehrlich sprechen können.

Und ich denke, dass es in keinem Fall eine gute Idee ist, Informationen vorzuenthalten. Auch Jugendlichen, die nicht queer sind, muss man vermitteln, dass es solche Menschen gibt. Wenn in diesem Alter die Einstellung reift, dass Heterosexuelle normal und sexuelle Minderheiten seltsam sind, wächst man später viel eher zu einem Erwachsenen heran, der möglicherweise jemanden diskriminiert oder hasst.

Ich habe ein Foto Ihres Hochzeitsantrages gesehen, auf dem eine von Ihnen auf den Knien um die Hand der anderen anhält. Auf den ersten Blick scheint das die klassischen Geschlechterrollen widerzuspiegeln: Der Mann macht den Antrag. Gibt es in Ihrer Beziehung Momente, in denen sie unabsichtlich und unbewusst die klassischen Geschlechterrollen reproduzieren?

Erinnern Sie sich noch einmal genau daran, wie Sie dieses Bild gesehen haben. Wer von uns ist der Mann? Sie haben vermutlich gedacht, die, die kniet? Aber die, die kniet, hat längere Haare und trägt mehr Make-up sowie einen Rock. Die, die steht, trägt Hosen und hat kurze Haare. Verwirrend, oder? (lacht)

Ja, genau das wollte ich mit dem Bild erreichen. Meine Frau hat das Bild nur zum Spaß gemacht, aber als ich es sah, dachte ich: „Es gefällt mir, weil es so verwirrend ist.“ Wenn ich mit meinen kurzen Haaren gekniet und meine Frau mit ihren langen Haaren den Antrag angenommen hätte, würden alle denken: „Ah! Die mit den kurzen Haaren ist der Mann.“ Aber bei uns ist nicht eine die Frau und eine der Mann, wir sind einfach beide Frauen. Jede von uns hätte knien können, ohne dass es komisch gewesen wäre. Wer knien will, kann einfach knien. Ich glaube, für Menschen, die an Gendernormen oder die binäre Geschlechterordnung gewöhnt sind, ist dieser Aspekt schwer nachzuvollziehen.

Ah! Mir fällt noch eine Anekdote ein. Bei einem Artikel über die Geburt unserer Tochter fanden sich unter einem Bild von mir, wie ich hochschwanger bin, viele Kommentare, die sagten: „Oh! Bei diesem Paar hat wohl der Mann das Kind bekommen?“ Da wusste ich auch nicht, ob ich das jetzt für geschlechtersensibel halten sollte oder nicht. (lacht)

Kyujin Kim V © privat

Haben Sie persönlich einen Wunsch, mit welcher Einstellung oder welchem Verhalten heterosexuelle Menschen Angehörigen sexueller Minderheiten begegnen sollten?

Als Erstes möchte ich sagen, dass es da nicht die eine richtige Antwort gibt. So wie „LGBTIQ“, eine Bezeichnung für sexuelle Minderheiten, sehr viele Buchstaben enthält, stellen sexuelle Minderheiten keine einheitliche Gruppe dar. Und selbst innerhalb des „L“, das für „lesbisch“ steht, existieren unglaublich viele Individuen, die alle unterschiedlich sind.

Ich denke, es reicht völlig, wenn man einander beobachtet, Rücksicht nimmt und von Mensch zu Mensch begegnet. Es gibt nichts nach dem Motto: „Sexuellen Minderheiten muss man so und so begegnen.“ Letztlich wünsche ich mir einfach, dass alle einander als Individuen respektieren und respektiert werden.

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