Kristina Sprindžiūnaitė empfiehlt
Radio Activity
Dann muss sich das launige und wortspielreiche Erzählen mit einem schwergewichtigen Thema befassen. Hals über Kopf musste Nora zurück aus New York, wo sie erfolgreiche Tänzerin war, um ihre Mutter im Sterbebett noch sehen zu können. Und um ihr Geheimnis zu erfahren: über den respektablen Apotheker, der gerne als ihr Lateinnachhilfelehrer einsprang. Nora muss sich nun mit sexuellem Missbrauch beschäftigen, mit seinen heftigen, langhaltigen, auch wenn nicht oberflächlich erkennbaren Folgen und damit, dass solche Taten einfach verjähren. Es geht um Radio als Mittel für Rechtskritik, Rache, Selbstjustiz und auch um andere gar nicht legitime (digitale) Aktivitäten. Ein heikles Thema, welchem das leichtfüßige Erzählen eher weniger gewachsen zu sein scheint und welches daher nicht immer als überzeugend rüberkommen mag. Immerhin kommt das in ganz normaler Umgangssprache dargelegte Juristische und somit die gut recherchierte Lage, in die Opfer solcher Taten geraten, sehr nachvollziehbar rüber.
Karin Kalisa (Jahrgang 1965), Japanologin und Sprachphilosophin, gab 2015 ihr sehr erfolgreiches Debüt als Schriftstellerin. Radio Activity ist ihr zweiter Roman. Darin vermittelte sie wieder mal, dass harte Realität und das Märchen durchaus zwischen denselben Buchdeckeln passen. Für den gesamten Eindruck sind auch Nebenfiguren (Radiomacher und der Rechtsreferendar Simon) wichtig, sie überzeugen vor allem dadurch, wie souverän sie mit ihren Defiziten oder ihrem Außenseitertum umgehen können. Sehr fein wird das Wechselspiel zwischen dem Einheimischen und dem Fremden austariert, dabei werden auch nicht wenige japanische Details als gelungene Bereicherung eigesetzt.
C.H. Beck
Karin Kalisa
Radio Activity
C.H. Beck, 2019
ISBN 978-3406740930
351 Seiten
E-Book in der Onleihe des Goethe-Instituts ausleihen
Rezensionen in deutschen Medien:
Deutschlandfunk
NDR