Architekturgeschichte
Backsteinarchitektur in Klaipėda
Die Route „Backsteinarchitektur in Klaipėda“ soll die Bewohner und Gäste der Stadt anregen, die Backsteinbauten des 19. und 20. Jh.s genauer anzusehen, die der Stadt das besondere Flair verleihen und sie architektonisch prägen, und die damals in der abgelegenen preußischen Stadt fortschrittliche Technologien und Innovationen verkörperten.
Klaipėda (ehemals Memel) ist nach seinem Gründungsdatum eine der ältesten Städte auf dem Territorium des jetzigen Litauens; die ältesten Backsteinbauten (abgesehen von der Burgbefestigung) werden jedoch erst auf das 16. Jh. datiert. Wegen der Sicherheit der Burg galt bis ins 16. Jahrhundert ein Verbot, in Memel Mauerbauten zu errichten. Das Verbot und die Bodeneigenschaften waren ausschlaggebend, warum die Fachwerkarchitektur bis in die Mitte des 19. Jh.s dominierte. Die Stadt veränderte sich grundlegend nach dem großen Stadtbrand von 1854, als die gesamte Altstadt und ein Teil der Vororte niederbrannten. In der Baupolizeiverordnung von 1855 steht, dass die Häuser und Speicher ausschließlich als Mauerwerk gebaut werden sollen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s stieg die Zahl der neuerrichteten öffentlichen Bauten rasant, die sowohl von der Stadt, als auch vom Staat finanziert wurden. In dieser Zeit entstanden auch viele private Häuser aus rotem Ziegelstein.
In der Umgebung von Klaipėda ist reichlich Lehm vorhanden, so dass er schon sehr früh als Baustoff zum Einsatz kam: Für die Fußböden brauchte man festgestampften Lehm, für die Ausfachung der Holzfachwerkhäuser verwendete man eine Lehm-Mischung mit gehäckseltem Stroh, später wurden getrocknete und gebrannte Ziegel verwendet. Die Ziegel wurden in Klaipėda und auf den umliegenden Gutshöfen hergestellt und auch aus den Niederlanden, Deutschland und Schweden geliefert. Im 19. Jh. und bis zum Anfang des 20. Jh.s wurden rote und gelbe Back- sowie Klinkersteine verwendet. Die Größe der Ziegel variierte, denn erst 1867 wurde die einheitliche Ziegelgröße (25x12x6,5) in Preußen festgelegt.
Route „Backsteinarchitektur in Klaipėda“
Die ausgearbeitete Route „Backsteinarchitektur in Klaipėda“ soll die Bewohner und Gäste der Stadt anregen, die Backsteinbauten des 19. und 20. Jh.s genauer anzusehen, die der Stadt das besondere Flair verleihen und sie architektonisch prägen, und die damals in der abgelegenen preußischen Stadt fortschrittliche Technologien und Innovationen verkörperten. Die Route wurde von Schülerinnen und Schülern aus Klaipėda, Šiauliai und Kaunas vom 18. bis zum 20. Juni 2021 für einen Rundgang in Klaipėda zusammengestellt. Die dreitägige Schülerwerkstatt wurde vom Verein der Deutschen in Klaipėda und dem Goethe-Institut Vilnius im Rahmen der Deutschen Kulturtage 2021 initiiert und durchgeführt.Im Folgenden stellen wir 12 Objekte der Route vor, die die Vielfalt der Backsteinarchitektur in Klaipėda widerspiegeln.
Kasernen-Komplex (heute Universität Klaipėda)
Die Festungsstadt Klaipėda (damals Memel) hatte schon ab dem 17. Jh. eine Garnison. Am Anfang war sie in der Burg untergebracht und später hatten die Einwohner der Stadt die Soldaten zu beherbergen. Aus diesem Grund begann im Jahr 1904 der Bau der neuen Backsteinkasernen.Für den Bau der Kasernen wurde der rote Backstein in der Ziegelei in Janischen gefertigt, einer Vorstadt von Klaipėda (Memel). In den Lehmgruben entstanden später die Mühlenteiche. Der Fertigungsprozess der Ziegelsteine begann mit der Lehmvorbereitung: Der Ziegellehm wurde durchgesiebt, um die Kalksteinteile zu entfernen und dadurch mögliche Risse in den Ziegeln zu verhindern. Die Ziegelsteine brannte man 1-3 Tage bei 9000°C. Die gebrannten Ziegelsteine wurden luftgetrocknet und im Winter auf die Erde ausgelegt; dann fuhr ein beladenes Fuhrwerk darüber, um ihre Festigkeit zu prüfen.
Die mit dunkelgrünen Majolika-Fliesen dekorierten Sockel und Fensterbänke verleihen den Bauten nicht nur eine gewisse Feinheit, sondern schützen sie auch gegen das Eindringen von Regenwasser in das Innere der Gebäude. Die Halbkeller werden durch Klinkersteine und an den Fenstern angebrachte Belüftungsrohre vor Feuchtigkeit geschützt. Die Helme der Zaunsäulen sind aus schwedischem Sandstein gefertigt und die eisernen Dekorelemente, die Zaungitter, sind aus 95 Prozent reinem schwedischem Eisenerz gegossen.
In den authentischen Gebäuden sind viele originale Elemente erhalten geblieben: Fliesen, Handläufe, Verzierungen, Umrahmungen, Türpfosten. An mehreren Stellen ist die alte Aufteilung der Innenräume erhalten oder wieder hergestellt worden. Beim Bau der Kasernen hat man viele leichte Überdeckungen eingebaut, um die Menschen gegen mögliche Explosionen zu schützen. In den Außenmauern sind auch heute noch Kugelspuren zu sehen.
In den zwei größten Gebäuden wohnten die Soldaten, im einstöckigen Gebäude mit dem Türmchen waren Küche und Speiseräume für Soldaten und Halboffiziere eingerichtet. Das Gebäude mit dem Glasdach, in dem sich heute die Finanzabteilung und das Zentrum der evangelischen Theologie befinden, beherbergte das Hauptquartier und den Arrestraum für bestrafte Soldaten. Die Halboffiziere und Leutnants wohnten in den Gebäuden an der Herkaus-Manto-Straße, in einem davon war eine Zeitlang auch der Offiziersklub untergebracht. Der Pferdestall und die Vorratskammer befanden sich in dem Gebäude, in dem heute der Senat und der Universitätsrat sowie die Bibliothek untergebracht sind. Die breite Tür des Erdgeschosses erinnert an die Zeit, als hier der Wagenschuppen für die Kutsche des Regimentskommandeurs und später die Garage seines Automobils waren. Im ersten Stock und auf dem Dachboden bewahrte man Munition und Vorräte für den Fall einer Mobilisierung auf.
Wo heute ein Platz ist, befand sich ein Innenhof, umrahmt von verschiedenen Wirtschaftsgebäuden und Waffendepots. Unterirdisch befanden sich die Wasserspeicher, die mit Wasser aus dem nahe gelegenen Swijane-Fluss gefüllt wurden.
Den Bau des Kasernenkomplexes initiierte das Preußische Kriegsministerium, die Stadt begann 1904 mit dem Bau, aber wegen eines Streiks der Maurer mussten die Bauarbeiten unterbrochen werden. Der Komplex wurde 1907 beendet, nachdem man 120 Maurer aus Italien nach Memel geholt hatte. In die Kasernen zog das Dritte Bataillon des damals in Memel eingesetzten Infanterieregiments von Boyen Nr. 41 (des 5. ostpreußischen Infanterieregiments). Nachdem die von den Entente-Staaten sanktionierte französische Verwaltung im Jahr 1920 das Memelgebiet übernommen hatte, zog in die Kasernen das 21. Jäger-Bataillon ein.
Nach dem Anschluss des Memelgebiets 1923 an Litauen wurden in den Kasernen litauische Soldaten untergebracht. Daran erinnern drei Eichen: Laisvė (Freiheit), Vilnius und Klaipėda, die damals auf dem Kasernenhof gepflanzt wurden. Nach dem Anschluss des Memelgebiets an Deutschland 1939 wurden Soldaten der Artillerie-Division der deutschen Marine in den Kasernen einquartiert. Nach dem Krieg, in den Jahren 1945-1993, beherbergten die Kasernen die Küstenwache der sowjetischen Marine. Im Jahr 1993, nachdem die russische Armee aus Litauen abgezogen war, beschloss man, den Kasernenkomplex mit allen Bauten der Universität Klaipėda zu überlassen.
Wohnhäuser der Eisenbahnarbeiter
In der zweiten Hälfte des 19 Jh.s wurde das Eisenbahnnetz in Europa rasch erweitert, doch Memel (das heutige Klaipėda) blieb noch eine Zeit lang am Rande dieser Entwicklung. Nach langer Überlegung entschied man sich jedoch für eine Eisenbahnverbindung nach Memel. Die erste Eisenbahnstrecke verband Memel mit Tilsit (heute Sowetsk). Die Bauzeit dauerte drei Jahre, die Eröffnung fand am 15. Oktober 1875 statt. Die ersten Züge waren Güterzüge und transportierten in erster Linie Holz und Fisch, sie fuhren folgende Strecken: Memel-Heydekrug (Klaipėda-Šilutė) und Memel-Heydekrug-Pogegen (Klaipėda-Šilutė-Pagėgiai). Das Bahnhofsgebäude wurde 1881 errichtet. Es ist ein zweistöckiges Haus aus gelbem Backstein mit einem flachen Satteldach in neoklassizistischem Stil. Im Erdgeschoss befand sich die Empfangshalle und im ersten Stock waren Wohnungen für die Angestellten. Die Fertigstellung der Eisenbahnschienen und der notwendigen Infrastruktur kostete 5 800 000 Taler und wurde nicht aus der preußischen Staatskasse, sondern durch private Investitionen aus dem Ausland bezahlt.In der Nähe, in der heutigen Priestočio Straße, wurden am Ende des 19. Jh.s rote Backsteinwohnhäuser für Eisenbahner gebaut. Die zweistöckigen Häuser haben Dachböden und Flachdächer. Ihr Grundriss ist rechteckig, die Aufteilung symmetrisch. Die von der Straße aus schlecht sichtbaren Fassaden der roten Backsteingebäude sind horizontal durch schwarze Backsteinlinien und kunstvoll profilierte Backsteingesimse gegliedert. Die Bauten verfügen über große Segmentbogenfenster. Im städtebaulichen Kontext haben die Gebäude einen bleibenden architektonischen Wert und sind Teil des alten Bahnhofskomplexes. Derzeit befinden sich beide Architekturobjekte in privatem Besitz. In einem der Häuser werden Appartements vermietet, deswegen besteht die Möglichkeit, es nicht nur von außen zu betrachten, sondern auch von innen zu besichtigen.
Königliches Lehrerseminar
Das rote Backsteingebäude des Königlichen Lehrerseminars, heute Fakultät für Sozial- und Geisteswissenschaften der Universität Klaipėda, wurde im Jahr 1908 erbaut. Es wurde an der damals repräsentativen Bahnhofsstraße errichtet, die mit dem schon seit fast drei Jahrzehnten stehenden gelben Backstein-Bahnhofsgebäude endete. Für den Bau des Lehrerseminars wurde ein 2,6 ha großes Grundstück zur Verfügung gestellt, die Fläche des Gebäudes selbst betrug 7070,91 m². In einem Teil des Komplexes wurden Wohnungen für den Direktor und die Lehrkräfte untergebracht, es wurde ein Gemüse- und ein Obstgarten angelegt und ein Sportplatz eingerichtet. An den Fassaden des aus vier Gebäuden bestehenden Komplexes ist der Einfluss der Neogotik erkennbar, weshalb einige Elemente an eine Ordensburg erinnern. Das wuchtige Lehrgebäude mit einer beeindruckenden Aula ist dreistöckig und von außen mit massiven neogotischen Giebeln verziert. Die Aula befindet sich im dritten Stockwerk, sie hatte Buntglasfenster und war mit einer Orgel ausgestattet. Dort hing ein Portrait des Königs. Heute schmückt das Buntglas die Fenster der Aula wieder, aber diese Fenster sind neu. Die Treppenhäuser des Seminargebäudes weisen Jugendstilelemente auf. Bei den Renovierungsarbeiten 2021 bemühte man sich, diese zu erhalten. Das drei- und das zweistöckige Gebäude des Komplexes wurden als Wohngebäude errichtet. In einem davon befanden sich Wohnungen für die Lehrkräfte, im anderen das Wohnheim für Seminaristen. Im Wirtschaftsgebäude waren unter anderem die Mensa, die Küche, ein Sportsaal und die Bibliothek untergebracht. Am Anfang des 20. Jh.s war es das modernste Lehrerseminar in ganz Preußen, besetzt mit hochqualifizierten Lehrkräften. Von der Bestimmung des Gebäudes zeugt auch die Aufschrift „Königliches Lehrerseminar“ an der roten Backsteinfassade unter dem großen Aulafenster. Als im Jahr 1908 das Lehrerseminar bezogen wurde, blieben darin recht viele Räume frei, so dass auch Studierende aus Klaipėda dort wohnen mussten. Sogar die Seminarlehrkräfte und ihre Familien zogen in das Wohnheim ein, dabei mussten sowohl Studierende als auch Lehrkräfte die gleichen gemeinsamen Sanitäreinrichtungen nutzen.Im Deutschen Lehrerseminar lernten Mikas Šlaža, Erich Karschies, Bruno Le Coutre, Jonas Užpurvis, Rudolf Naujoks, Ewald Swars... In diesem Gebäude arbeitete Pranas Mašiotas fünf Jahre lang als Direktor des Litauischen Gymnasiums, das 1922-1933 hier untergebracht war. Georges Matoré, berühmter französischer Schriftsteller und Sprachforscher, gab 1938-1939 hier im Litauischen Pädagogischen Institut den Französischunterricht. Nach der sowjetischen Okkupation Litauens 1940 schafften es viele Franzosen das Land zu verlassen, doch Matoré wurde in Kaunas inhaftiert, wo er acht Monate verbrachte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Matoré befreit und 1943 ging er zusammen mit seiner litauischen Frau Aldona nach Paris.
Gebäudekomplex des Schmalspurbahnhofs
Das einstöckige Gebäude aus rotem Backstein beherbergte vor hundert Jahren das Empfangsgebäude der Schmalspurbahn Klaipėda (Memel). Die Schmalspurbahn hieß Memeler Kleinbahn und wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Regionalbahn im Memelgebiet betrieben. Bereits 1894 machte man sich Gedanken über eine Schmalspurbahn in der Umgebung von Memel. Die Bauarbeiten begannen 1898 und am 22. Oktober 1906 waren drei Strecken der Schmalspurbahn (Spurbreite 1000 mm) fertig.- Klaipėda/Memel – Klemiškė/Clemmenhof – Dovilai/Dawillen – Pėžaičiai/Pöszeiten (34,8 km)
- Klemiškė/Clemmenhof – Plikiai/Plicken (10,1 km)
- Dovilai/Dawillen – Laugalai/Laugallen (4,6 km).
Als 1923 das Memelgebiet/Klaipėdos kraštas an Litauen angegliedert wurde, gehörte die Bahn der Stadt Klaipėda und wurde von der Ostdeutschen Eisenbahn-Gesellschaft betrieben. Noch im selben Jahr wurden die Schmalspurschienen bis zur Gasanstalt und zum Schlachthof verlegt. Nach dem Krieg wurden die Bahngleise abgebaut und das Gebäude des Schmalspurbahnhofs wurde anderweitig genutzt.
Der Gebäudekomplex des Schmalspurbahnhofs wurde 1900-1905 unter der Bauleitung von Paul Richter aus Ragnit gebaut. Der Komplex besteht aus drei zusammengeschlossenen Bauten und hat einen quadratischen Grundriss: Das Lagerhaus- und das Bahnhofsgebäude sind einstöckig und das Verwaltungsgebäude hat zwei Stockwerke. In den Bauten spiegeln sich Materialstil-Elemente wider. Im Mauerwerk der Gebäude wurden rote Backsteine mit verputzten Flächen kombiniert. Das Verwaltungsgebäude ist zweigeschossig und hat eine große Mansarde mit einem Gambrel-Dach (Bordsteindach). Das Lagerhaus hat ein Satteldach, seine Aufteilung ist symmetrisch und sein Grundriss rechteckig. Die Bauten wurden in den Jahren 1947-1952 umgestaltet, darin wurden Wohnungen eingerichtet, manche Räumlichkeiten wurden auch anderweitig genutzt.
Dieser Komplex ist ein wertvolles architektonisches Beispiel der funktionellen Gestaltung der Bahnhofsgebäude aus dem Anfang des 20. Jh.s Er ist wichtig auch in städtebaulicher Hinsicht. Seit 2011 beherbergt das dunkelrote, einstöckige Backsteingebäude des Komplexes das Restaurant „19. Jahrhundert“. Die Besitzer des Restaurants haben es im Außenbereich mit der Bronzeskulptur „Weichensteller“ des Bildhauers Klaudius Pūdymas geschmückt. Heute gibt es in Klaipėda keine Kleinbahn. Es ist aber möglich, die Schmalspurbahn in Panevėžys zu fahren oder in Anykščiai, wo sich ein Schmalspurbahn-Museum befindet.
Handwerkerheim
Am Anfang der S. Nėries Straße steht das ehemalige Heim für alte Handwerker. Die seit der Sowjetzeit nach der litauischen Dichterin Salomėja Nėris benannte Straße hieß bis zum Zweiten Weltkrieg Bahnhofstraße. Sie wurde um 1875 angelegt, als die Eisenbahn Klaipėda erreichte. Im Jahr 1881 wurde am Ende der Straße ein Bahnhofsgebäude errichtet. Anfang des 20. Jh.s wurden an der Straße das Königliche Lehrerseminar und das Schmalspurbahngebäude gebaut und – aus Spenden wohlhabender Bürger finanziert – ein Handwerker- und ein Frauenheim.Im Lauf der Zeit gab es viele Pflegeunterkünfte in Memel (dem heutigen Klaipėda): Heime für obdachlose Kinder, Arme und auch für hilfebedürftige, wohlhabende Bürger. Litauer und Deutsche wurden meist getrennt in städtischen Notunterkünften untergebracht. Das wahrscheinlich älteste bekannte Bedürftigenheim wurde im Jahr 1715 eingerichtet.
Neben dem Handwerkerheim wurde in den Jahren 1910-1912 ein dreigeschossiges, unterkellertes Mauergebäude für eine Frauenpension hergerichtet (S. Nėries g. 4). In diesem Frauenheim wurde nach dem Zweiten Weltkrieg der KGB untergebracht. In den Kellern des Gebäudes richtete man Zellen ein, wo Verhöre und Folterungen stattfanden. Es wird behauptet, dass mehr als achttausend Inhaftierte im Zeitabschnitt 1945-1954 in diesen Zellen gefangen gehalten wurden. Zurzeit befinden sich in beiden Gebäuden Büros der Territorialzollverwaltung. Im Haus S. Nėries Straße 4 ist eine Widerstands- und Deportationsausstellung eingerichtet. Da sich das Museum auf dem Zollgelände befindet, ist eine Besichtigung nur nach telefonischer Terminvereinbarung unter der Nr. +37 046 410527 möglich.
Die Gasanstalt
Bis zum Ende des 17. Jh.s gab es in Europa noch keine Straßenbeleuchtung. Die Straßen von Memel (Klaipėda) versanken noch bis ins 19. Jh. im Dunkeln. Erst als sich der preußische König mit seiner Familie vorübergehend zu Beginn des 19. Jh.s in der Stadt niederließ, kamen hier die ersten Straßenlaternen zum Einsatz. Ab 1838 wurden die Straßen schon dauerhaft beleuchtet. Große Laternen dienten manchmal auch als architektonische Dekorelemente der Stadt. Die Gasanstalt wurde gebaut, um die Beleuchtung der Straßen zu verbessern. Dieses Mauerwerk aus rotem Backstein war das erste Industriegebäude, das mit Mitteln der Stadt gebaut wurde, nachdem 1854 ein Brand die Stadt verwüstet hatte. Für den Bau wurden 120 000 Taler bereitgestellt; gebaut wurde 1861 nach den Plänen von J. Hartmann, dem Direktor der Gasanstalt in Königsberg. Für den Bau des Gaswerkes wurde roter Backstein aus verschiedenen Ziegeleien verwendet, in manchen Ziegeln sind die Markierungen ihrer Herkunftsziegeleien noch zu erkennen. Der Werkskomplex bestand aus vierzehn verschiedenen Gebäuden: Gasbehältern, Speichern, Retortentürmen, einem Wohngebäude und anderen mehr. Im Jahr 1867 wurde neben dem alten Gasspeicher ein neuer gebaut, in dem das Gas in Metallbehältern, von außen verkleidet mit Mauerwerk, gelagert wurde. Nach 27 Jahren wurde das Gaswerk umgebaut und vergrößert, sein Gelände wurde erweitert. Neue Anbauten kamen hinzu, viele Straßen wurden mit neuen, dickeren Gasrohren versorgt. Im Jahr 1899 wurde ein neuer Kohlespeicher gebaut. Das Gelände der Gasfabrik wurde 1912-1936 weiter ausgebaut. Im Jahr 1923 fand in der Gasanstalt der erste Arbeiterstreik in Klaipėda statt. Man forderte bessere Arbeitsbedingungen und die Forderungen der Arbeiter wurden berücksichtigt: Es wurde der 8-Stunden-Tag eingeführt und ein Arbeiterhilfsfonds eingerichtet.Von dem roten Backsteinkomplex sind nur drei Gebäude bis heute erhalten geblieben: zwei Gasbehälter und das Verwaltungsgebäude, in dem derzeit Privatwohnungen eingerichtet sind. Das Grundstück, auf dem die Gasspeicher aus rotem Backstein stehen, ist zurzeit an einen Oldtimer-Liebhaber verpachtet. Sein Ziel ist, die historischen Bauten zu restaurieren und darin ein Oldtimer-Museum einzurichten. Die alten Gasspeicher sind wieder überdacht und in die ursprünglichen Öffnungen wurden Fenster eingebaut. Ein unterirdischer Tunnel und eine originelle Wendelkonstruktion wurden entworfen. Die Wendelkonstruktion sollte die Struktur des Gebäudes nicht beschädigen. Mit ihrer Hilfe sollen Automobile, die über 100 Jahre alt sind, geräumig ausgestellt werden. Über dem Haupteingang ist bereits die Aufschrift des Museums angebracht. Das Objekt soll im Jahr 2022 eröffnet werden.
Derzeit ist es nicht sicher, das Gelände der Gasfabrik ohne verantwortliche Aufsichtspersonen zu betreten; es wird nur zu besonderen Anlässen für Besucher zugänglich gemacht.
Galerie Pranas Domšaitis
Die Galerie Pranas Domšaitis befindet sich im historischen Teil der Stadt Klaipėda, in der Liepų Straße, in einem Komplex aus vier zusammengeschlossenen Gebäuden, gebaut um 1900. Die Gemäldegalerie wurde 1973 eröffnet. Die Ausstellungsfläche beträgt 1800 m², in 22 Sälen werden über 800 Werke gezeigt. Vor dem Umbau in den 1970er Jahren waren die Häuser noch separate Bauten: Liepų Straße 29, 31, 33, 35. Die Häuser Liepų Straße 31 und 33 gehörten dem Augenarzt Edwin Heine. Im ersten Gebäude war seine Augenklinik untergebracht und das zweite Gebäude war sein Wohnhaus. Die erhalten gebliebenen authentischen Fassaden der drei Bauten (Liepų Straße 31, 33, 35) spiegeln die typischen Formen der Architektur in der alten Stadt Memel (Klaipėda) wider.Am 26. Juli 2001 wurde die Dauerausstellung der Werke des Malers Pranas Domšaitis im ältesten Teil der Galerie (Liepų Straße 35) eröffnet. Pranas Domšaitis (1880-1965) war Absolvent der Königlichen Kunstakademie Königsberg. Er stammte aus Preußisch Litauen (Klein Litauen). Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Pranas Domšaitis in Deutschland berühmt und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er nach der Emigration in Südafrika zu einem sehr bedeutenden Maler. In Klaipėda befinden sich 665 seiner Arbeiten, die weltweit größte Sammlung seiner Werke: Ölgemälde, Pastelle, Aquarelle, Zeichnungen, Grafikarbeiten. All das ist ein Geschenk der Litauischen Stiftung (USA) an den Staat Litauen. Im Jahr 2004 wurde die Gemäldegalerie Klaipėda zu Ehren des expressionistischen Malers in Pranas Domšaitis-Galerie umbenannt.
Die königliche Post
Bereits seit der Gründung der Stadt war der Briefversand von größter Bedeutung. Zu diesem Zweck wurde vom Deutschen Orden ein Sonderdienst eingerichtet. Im Jahr 1649 übernahm die preußische Regierung den Posttransport und so entstand die Postlinie Memel (Klaipėda) – Berlin – Kleve. Im Jahr 1718 wurde die Postwagenlinie von Tilsit nach Memel und etwas später von Königsberg über die Kurische Nehrung nach Memel eröffnet. Innerhalb von fünf Jahren war eine funktionierende Postlinie entstanden: Memel – Riga – Reval – Narva – St. Petersburg. Der Postdienst befand sich zunächst in der Gartenstraße, später an der Börsenbrücke und noch etwas später wurde das Gebäude in der Alexanderstraße (heute Liepų), das eng mit der preußischen Königsfamilie verbunden war, für das Postamt gekauft. Der Bau des neuen Postgebäudes wurde notwendig, als sich die Zahl der Briefe und Pakete in zwei Jahrzehnten (1870-1891) verdreifachte. Im Jahr 1888, nach dem Tod von Kaiser Wilhelm I., wurde das alte Gebäude in der Alexanderstraße, in dem die preußischen Kronprinzen Friedrich und Wilhelm als Kinder ein Jahr lang lebten, abgerissen. Auf dem Grundstück der Argelander Familie wurde 1893 ein neues modernes 3000 m² großes Postamtsgebäude aus rotem Backstein mit einem 42 Meter hohen Turm nach dem Entwurf des Architekten H. Schoede eröffnet.Im Turm des Postgebäudes befindet sich ein Glockenspiel. Es ist eines von drei Musikinstrumenten dieser Art in Litauen. 1987 wurde das erste Glockenspiel, gefertigt in Deutschland, im Turm des Postgebäudes eingebaut. Es wurde 2006 durch ein in den Niederlanden gegossenes Glockenspiel ersetzt. Die schwerste Glocke hat einen Durchmesser von 1163 mm und ein Gewicht von 903 Kilogramm. Der Durchmesser der leichtesten Glocke ist 182 mm, sie wiegt 10 kg. Das Gesamtgewicht der Glocken beträgt ca. 5095 kg. Kęstutis Kačinskas und Stasys Žilevičius spielen das Glockenspiel in Klaipėda. Die Glockenmusikkonzerte sind jeden Samstag und Sonntag um 12.00 Uhr in Klaipėda zu hören.
Am Postgebäude sind zwei Gedenktafeln angebracht. Die erste davon erinnert an Friedrich Wilhelm Argelander (1799-1875), einen berühmten Astronomen und Mathematiker, dessen Vater das an dieser Stelle stehende Haus gehörte; die zweite Gedenktafel ist dem berühmten litauischen Dichter Henrikas Radauskas gewidmet, der im Jahr 1936 als Nachrichtensprecher in der hier eingerichteten Klaipėdas Rundfunkredaktion arbeitete.
Die Post zog 2019 aus dem Gebäude aus, die Zukunft des Komplexes ist bisher nicht geklärt.
Speicher am Dangė-Kai
Der Hafen von Memel (Klaipėda) war im 16. Jh. bis zur Mitte des 18. Jh.s drei Kilometer lang und befand sich im Fluss Dangė. Am linken Ufer des Flusses standen schon im 16. Jahrhundert Speicher, in denen der Handel stattfand. Im damaligen Memel (heute Klaipėda) waren das Fachwerkbauten, aber nach dem großen Stadtbrand von 1854 wurde es verboten, in der Altstadt Gebäude aus Holz zu bauen, daher hat man auf den abgebrannten Flächen am Flussufer Speicher aus rotem Backstein erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die meisten Speicher abgerissen, an die ehemalige Bebauung der Kais erinnern zwei nach dem großen Stadtbrand in den Jahren 1860-1871 gebaute rote Backsteinspeicher.Diese authentischen Speicher aus rotem Backstein schmücken die Stadt Klaipėda und sind auch hervorragende Zeugen der Geschichte. Es ist interessant, dass die Verwendung des Namens Memel zum ersten Mal öffentlich im freien Litauen als Aufschrift am Speicher Žvejų Straße 12 erlaubt wurde. Die in den historischen Speichern eingerichteten Gaststätten und Cafés sind ganzjährig geöffnet und warten auf die Besucher.
Das Königliche Gericht und Gefängnis
Das erste Gericht und Gefängnis von Memel (heute Klaipėda) wurde in der Burg errichtet. Hier befand sich auch das „Hauptquartier“ des Henkers.Bei den Stadtwachen und an den Stadttoren gab es Arrestzellen, Bürgergehorsam genannt. Nach dem großen Stadtbrand von 1854 wurde im Jahr 1857 für einen großen Gerichts- und Gefängniskomplex ein Grundstück in der neu verlegten Holzstraße (heute: Naujoji uosto) erworben und im Jahr 1862 ein 5000 Quadratmeter großes, U-förmiges Backsteingebäude errichtet. In den Fassaden dominieren strenge, „offizielle“ Elemente, die damals typisch für solche Bauten waren. Der Steinsockel, vergitterte Fenster und der Zaun aus Mauerwerk und geschmiedeten Metallgittern rund herum lassen das Gebäude etwas düster wirken. Die neogotische Hauptfassade ziert ein gestufter Giebel mit einem kleinen, kreisförmig gemusterten Fenster. Das Gebäude ist durch ein verziertes Gesims zwischen dem ersten und zweiten Stockwerk horizontal in zwei Teile geteilt.
1945 wurde der Gefängniskomplex von den Sowjets übernommen und in das sowjetische Gefängnissystem eingegliedert. Das Gefängnis Klaipėda erhielt die „ehrenvolle“ Nummer 2, die Nr. 1 war das Gefängnis Lukiškės. Im Gebäude brachte das sowjetische Ministerium für Staatssicherheit 1945-1960 das MGB-Gefängnis Nr. 2 der Sowjetrepublik Litauen unter. Hier wurden festgenommene Partisanen, ihre Verbindungsleute, Unterstützer sowie Zivilisten inhaftiert und verhört. Das Gefängnis Klaipėda war bis 1960 in Betrieb, danach zog die Miliz ein und nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens das Polizeikommissariat des Bezirks Klaipėda.
Heute erfüllt dieser Prachtbau seine ursprüngliche Funktion nicht mehr: Im Jahr 2015 zog das Polizeikommissariat des Bezirks Klaipėda vom ehemaligen Gerichtsgebäude in die Kauno Straße um, und der Komplex wurde der Litauischen Staatsimmobilienbank übergeben. Zunächst hatte man vor, den Komplex Künstlern zu überlassen, dann entschied man jedoch, Gerichte in diesen Gebäuden unterzubringen. Das Objekt ist nur von außen zu besichtigen. Es kursieren Gerüchte, dass es im Gebäude spukt: Im Gerichtsaal kann man angeblich Stimmen hören, in den Gängen Schritte und das Quietschen der Türen.
Im Jahr 2017 wurde am Gebäude eine Gedenktafel für Jurgis Arnašius (1872-1934) enthüllt, der in diesem Gebäude als Dolmetscher und Übersetzer gearbeitet hat. Er war Unterzeichner des Aktes von Tilsit, Redakteur litauischer Druckerzeugnisse und Verbreiter der litauischen Presse.
Die ehemalige Burganlage und die Zitadelle (heute: Burgmuseum)
Den Bau der Memelburg (Klaipėdos pilis) regelten im Jahr 1252 der Meister des Livländischen Ordens Eberhard von Seyne und Bischof Heinrich von Kurland. Nach zwei Jahren wurde die Holzburg durch eine Backsteinburg durch eine Ringmauer ersetzt, umgeben von Schutzgräben und Wällen.Die Memelburg war eine wichtige Burg von Livland und später des Deutschen Ordens. Mit dem Aufkommen neuer Angriffswaffen musste die Burg im Zeitraum zwischen 1399-1519 mehrmals umgebaut werden. Im Jahr 1525 wurde die Burg komplett zu einer 5-türmigen Renaissanceburg mit einem geschlossenen Hof und einem unregelmäßigen, quadratischen Grundriss umgebaut. Im Jahr 1629 wurde die Burg nach den Plänen von J. Puttkamer und H. P. Fuchs in eine Zitadelle einer Seefestung umgewandelt. Die Basteien wurden durch Bastionen ersetzt und die Wälle mit Mauerwerk aus Feld- und Ziegelsteinen befestigt. Die Poternen, überbaute Gänge zum Übergang zwischen Bereichen inner- und außerhalb der Anlage, sind aus rotem Backstein gebaut; sie dienten für das Aufstellen von Kanonen und der Artillerieverteidigung und sind bis heute erhalten geblieben.
In der Nachkriegszeit 1945-2009 wurde auf dem ehemaligen Burggelände eine Schiffsreparaturwerft eingerichtet. 2002 wurde in der restaurierten Prinz-Friedrich-Poterne das Burgmuseum eröffnet. Im Jahr 2006 erweiterte man die Ausstellung in der restaurierten Prinz-Karl-Poterne und in den Kasematten. In den gewölbten Räumen aus rotem Backstein werden die Geschichte der Stadt und die Entwicklung der Burg vorgestellt. Die unterirdischen roten Backsteinmauern der Burg sind die ältesten Beispiele der Backsteinarchitektur in Klaipėda.
Im Jahr 2014, nach archäologischen Ausgrabungen auf dem Burggelände, wurde das Ziel gesetzt, die Renaissanceburg mit den Bastionen und Verteidigungsgräben aufzubauen. Als erstes sollte der Bergfried, der große Turm, aufgebaut werden.
Das Nehrungsfort (heute: Meeresmuseum)
Kopgalis (deutsche Bezeichnung: Süderspitze) ist der nördlichste und zugleich jüngste Teil der Halbinsel Kurische Nehrung, der sich laut Geologen erst im 19. Jh. ausbildete. In dieser Zeit wurden hier auch die ersten Wehranlagen eingerichtet. Die Geschichte des Nehrungforts, das auch als die Festung der Süderspitze (lit. Kopgalio tvirtovė) bezeichnet wurde, fing im Jahr 1865 an, als die Soldaten des Königreichs Preußen mit dem Bau der Festung begannen, um den Hafen von Klaipėda vor Angreifern von der Seeseite zu schützen. Die Bauarbeiten dauerten sieben Jahre. Das Nehrungsfort, das Fort an der Plantage (heute befindet sich dort das Stadtstadion) und die Zitadelle hatten den Eingang in die Stadt und zum Hafen zu schützen. Allerdings wurde das Gebäude nach der Weiterentwicklung der Feuerwaffen für die Kriegsschiffe am Ende des 19. Jh.s überflüssig. Nach einer Weile brachte man in der Festung für einige Jahre eine Dorfschule unter und nach ihrer Verlegung ließen sich in der Festung die Familien der Hafen- und Seearbeiter nieder. Im Jahr 1902 wurden am nördlichen Ufer der Festung Kopgalis ein Flügeltelegraf und eine Signalstation für Schiffe errichtet. Sie zeigten die Windrichtung und -stärke an sowie den Wellengang. Nach dem Anschluss des Memelgebiets an Deutschland 1939 zogen wieder Soldaten in die Festung ein. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Festung am 14. Oktober 1944 gesprengt. Im Jahr 1945 besetzte die Rote Armee das Fort. Bis 1975 wurden darin sowjetische Grenzsoldaten untergebracht. 1972 begann man mit der Untersuchung der erhalten gebliebenen Bauwerke. In den Jahren 1976-1978 wurde das Nehrungs-Fort restauriert und seit 1979 beherbergt es das Litauische Meeresmuseum.Heute können Sie beim Besuch des Litauischen Meeresmuseums die ehemaligen Munitionsdepots, Schießpulverlager, rote Backsteinpoternen und Kasematten besichtigen. Unter den Wällen der Festung, in Poternen und Kasematten, ist eine Ausstellung über die Geschichte der litauischen Schifffahrt untergebracht. Auf den Wällen, wo früher die Kanonen platziert waren, sind alte historische und moderne Anker ausgestellt. Das Meeresmuseum beherbergt über 88 000 Exponate, die zu verschiedenen Sammlungen gehören.