Ingrid Arnold empfiehlt
Desintegriert euch!
Der Lyriker Max Czollek bringt in die Integrationsdebatte eine junge und eine jüdische Perspektive ein. Seine Polemik beschreibt das „Gedächtnistheater“ im Nachkriegsdeutschland, in dem Juden die ihnen zugewiesene versöhnende und bestätigende Rolle spielen sollen. In beiden deutschen Gesellschaften wurden Nationalismus und Rassismus damit aber nur eingekapselt und mitgeschleppt – eine Wahrnehmung, der sich die Mehrheitsgesellschaft verweigert, „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“, und weiter auf ausgrenzende Inszenierungen setzt. Dieses „Integrationstheater“ trifft heute auf eine zunehmend sichtbare Akzeptanz der identitären und völkischen Konzepte der Neuen Rechten.
Nur eine radikale Pluralität kann aus diesen Beobachtungen eine Utopie machen: statt Akzeptanz rechter Diskurse die Zugehörigkeit von Vielfalt. Zu dieser „Desintegration“ gehören auch alle Widersprüche vielfältiger Perspektiven auf die Gesellschaft. Für diese schreibt Czollek ein Manifest, das weniger politische oder soziale Analyse, sondern selbst eine Inszenierung ist, eine künstlerische Intervention – und sich in die Tradition von „Kanak Attack“ stellt, einem Zusammenschluss von Künstler/innen meist migrantischer Herkunft um 2000. Die Perspektive aus einer Minderheiten-Position ist manchmal schmerzhaft und deshalb wichtig für die Mehrheit, die sich im „Integrationstheater“ so gut eingerichtet hat.
Max Czollek
Desintegriert euch!
Carl Hanser Verlag, München, 2018
ISBN 978-3-446-26027-6
208 Seiten
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