Eisenbahn
Bānītis - Große Fahrt auf schmaler Spur
Einer der bekanntesten Zungenbrecher im Lettischen ist „Šaursliežu dzelzceļš“ – Schmalspurbahn. Wer ihn nicht unfallfrei aussprechen kann, darf dennoch mitfahren – in der letzten verkehrenden Kleinbahn Lettlands.
Von Alexander Welscher
Mit einem Ruck fährt der Zug an, die Wagen knarren und klappern. Wiesen, Wald und Sümpfe ziehen an den Fenstern vorbei, gehalten wird nur an wenigen Bahnhöfen – und manchmal einem Wasserturm. Fast wie in alten Tagen bummelt eine Schmalspurbahn zwischen Gulbene und Alūksne durch die malerische Landschaft. „Bānītis“ sieht aus wie eine richtige Eisenbahn – nur ein paar Nummern kleiner.
Fahrplanmäßig verkehren täglich zwei Mini-Züge auf der 33 Kilometer langen Strecke, dem einzigen noch verbliebenen Teil der einstigen Schmalspurtrasse vom heutigen Pļaviņas bis Valka. Eröffnet wurde diese 1903 im Russischen Reich, um Holz zu transportieren. In beiden Weltkriegen zerstört, wurde die Strecke in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut und später dann stillgelegt. Erst seit 2002 verkehren wieder Personenzüge auf den Gleisen mit einer Spurweite von 750 mm.
Ausgangspunkt und Endstation von Bānītis ist Gulbene, eine rund 200 Kilometer von Riga entfernte lettische Kleinstadt. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 35 Kilometern pro Stunde zuckelt das Bähnchen zweimal täglich nach Alūksne hin und zurück. Dafür braucht die als kulturhistorisches Denkmal anerkannte Bahn knapp eineinhalb Stunden.
Zu ausgewählten Terminen kommt auf der eingleisigen Strecke auch die in der DDR gebaute Dampflok Gr-319 „Ferdinands“ zum Einsatz. Die holzbefeuerte Lokomotive lief 1951 beim VEB Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg vor den Toren Berlins vom Band. Über mehrere Umwege kam der Zug 2007 ins Depot nach Gulbene, im Sommer 2014 hatte die runderneuerte Lokomotive ihre Jungfernfahrt.
„Bānītis“ ist besonders bei Touristen beliebt, die sich in Museen an den beiden Endhaltepunkten über die Geschichte der letzten öffentlichen Schmalspurbahn in Lettland informieren können. In Gulbene kann zudem das Depot besichtigt oder in einem Eisenbahnwaggon übernachtet werden.