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Architektur
Paul Max Bertschy: Architekt und Erbauer von Liepāja

Innenhof des früheren Kaufhofs von Ramedlow (1881) in der Zivju iela.
© Alexander Welscher

Ohne Paul Max Bertschy sähe Liepāja ganz anders aus. Der deutsche Architekt veränderte Ende des 19. Jahrhunderts entscheidend das Stadtbild. Darauf ist die drittgrößte Stadt Lettlands bis heute stolz.

Von Alexander Welscher

Annenkirche, Rathaus, Gerichtsgebäude, Stadtmuseum, Kurhaus und vieles mehr: Paul Max Bertschy (1840-1911) ist zwar schon mehr als 100 Jahre tot, aber seine Bauten prägen immer noch das Stadtbild von Liepāja. Dass die lettische Hafenstadt an der Ostsee heute so aussieht, wie sie aussieht, verdankt sie in weiten Teilen dem in Straußberg bei Berlin geborenen Architekten.

Mehr als 30 Jahre plante und erbaute Bertschy als Stadtarchitekt das moderne Libau – so der deutsche Name der Stadt. Angetreten hatte Bertschy das Amt im März 1871. Damals befand sich die zum Russischen Zarenreich gehörende Stadt im Wandel. Mit dem Ausbau zu einem Kriegs- und Handelshafen erhielt Libau Anschluss an das Eisenbahnnetz. Kaufleute, Handwerksbetriebe, Industrielle und Großbanken siedelten sich an – es gab viel zu tun.

Neue Fabrikgebäude, Speicherhäuser und öffentliche Gebäude wie etwa Schulen und Gerichtsgebäude wurden gebaut. In der Nähe des Ostseestrands entstand ein neues Kurhaus, die Badeanlagen und Promenaden wurden ausgebaut. Auch prächtige Wohn- und Geschäftshäuser wurden nach den Plänen Bertschys errichtet. Viele der Bauten sind aus rotem Backstein mit klaren ausdrucksstarken Formen.

Bertschys Wirken aber blieb nicht nur auf Libau begrenzt. Zu seinen Bauten gehören auch zahlreichen Gutshäuser und Kirchen in Kurland und anderen Teilen Lettlands. Vor seiner Tätigkeit in der „Stadt des Windes”, wie Liepāja auch genannt wird, arbeitete er einige Jahre in Riga und im Baubüro für einen Abschnitt der Eisenbahnlinie zwischen Riga und Witesbk in Daugavpils. Dort war er Lehrmeister des berühmten Architekten und Kunsthistorikers Wilhelm Neumann.

Was genau den Zweitältesten von insgesamt neun Kindern eines Zimmermeisters damals ins Baltikum zog, ist nicht bekannt. Vermutlich war es die große Nachfrage nach Baumeistern, die Bertschy schon mit jungen Jahren seine brandenburgische Heimat verlassen ließ. 1860 kam er nach Riga. Zuvor hatte er in Berlin die Realschule besucht.

Neben seinen dienstlichen Amtspflichten widmete sich Bertschy auch privaten Bauprojekten – so stammen etwa einige Grabstätten von bekannten Libauer Familien von ihm. Dazu gründete er ein Baubüro, welches nach seinem Tod von Sohn Max übernommen wurde. Ihm verdankt die Stadt zahlreiche Jugendstilbauten. Auch zwei weitere der fünf Söhne Bertschys – Kurt und Guido – traten in die Fußstapfen des Vaters und wurden Architekten.

Lebensmittelpunkt der Bertschys war ein grünes Haus in der heutigen Peldu iela. Dort lebten drei Generation, ehe die Familie 1939 wie viele andere Deutschbalten umgesiedelt wurde – sie mussten Lettland in Richtung Posen verlassen. Nach der wiedererlangten lettischen Unabhängigkeit 1991 nahmen die Nachfahren von Paul Max Bertschy den Kontakt zur alten Heimat wieder auf – seine Großenkelin verfasste ein vielbeachtetes Buch über den Architekten.

Liepāja ist heute stolz auf den architektonischen Nachlass von Bertschy: An den von ihm projektierten Gebäuden sind Messingtafeln angebracht worden, auf denen seine Unterschrift glänzt. Doch wie viele Städte in Lettland ist Liepāja von Überalterung und Abwanderung geplagt. Nicht wenige der einst prächtigen Industrieanlagen und Bauten Bertschys, die der lettischen Sommerhauptstadt einst Großstadtflair einhauchten, stehen heute leer, manche sind verwahrlost.

Das Gesamtwerk Bertschys, der auf dem Alten Friedhof begraben ist, trübt dies aber nicht. „Kaum ein anderer Architekt in Lettland hat es vermocht, in einem solchen Maße wie Bertschy das Bild einer ganzen Stadt zu verändern“, meint der renommierte lettische Kunsthistoriker Imants Lancmanis. Bestaunen können Besucher die Bauten von Bertschy auf einem dem Architekten gewidmeten Stadtrundgang, für den Pläne bei der Touristeninformation ausliegen. Seine Originalpläne, Skizzen, Geschäfts- und Arbeitsbücher werden im Archiv des Stadtmuseums aufbewahrt und regelmäßig durch Ausstellungen zugänglich gemacht.

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